Seewölfe - Piraten der Weltmeere 313. Roy Palmer

Читать онлайн.
Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 313
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954397105



Скачать книгу

ihn nannten, mitsamt seinen Gefährten verschwunden gewesen.

      Diese Flucht hatte verhängnisvolle Folgen gehabt. Diese Folgen waren bis zu dieser Stunde keineswegs beseitigt. Ja, es flackerten da und dort sogar noch kleine Brände auf, wie Hasard feststellte. Das Feuer schien immer wieder Nahrung zu finden.

      Abo bot einen verheerenden Anblick. Das nächtliche Feuer, von Korsumäki und dessen Kumpanen gelegt, hatte fürchterlich gewütet. Wie gigantische Zahnstummel ragten die schwärzlichen Überreste der Holzhäuser im Südwestviertel in den Morgenhimmel auf. Zwischen den Brandruinen schien sich kein Leben mehr zu regen.

      Der Rauch breitete sich immer noch nach allen Seiten aus, der Wind schien ihn nicht wegkehren zu können. Ein infernalischer Gestank stieg den Männern in den Booten in die Nasen. Ein paar Gendarmen begannen zu husten. Carberry ließ einen seiner übelsten Flüche los. Keinen von ihnen verlangte es danach, zwischen die verkohlten, schwelenden Trümmer zurückzukehren. Der Pesthauch des Todes schien über der Stadt zu liegen. Noch war der Umfang der Schäden nicht abzusehen. Hasard vermutete, daß mehr als die Hälfte der Häuser vernichtet worden war. Er war sicher, sich darin nicht zu täuschen.

      2.

      Heikki Lahtinen, der Besitzer des Handelshauses an der Linnan Katu, hatte sich in den Hafen begeben, um sich davon zu überzeugen, daß seinen Freunden von der „Isabella“ nichts zugestoßen war. Die Nacht über hatte er zu retten versucht, was von seinem Anwesen noch zu retten war. Viel war es nicht – der größte Teil der Lagerschuppen war ein Opfer der Flammen geworden. Das Kontor war nur zum Teil erhalten geblieben.

      Lahtinens Gesicht war rußgeschwärzt, seine Kleidung war versengt und zerfetzt. Er hatte die Schüsse gehört, das Grollen der Kanonen, und es war ihm auch berichtet worden, wie energisch die Engländer in den Kampf gegen Korsumäki eingegriffen hätten. Doch die letzten Nachrichten darüber, wie die Verfolgung ausgegangen war, fehlten. So wollte sich der alte Mann mit den weißen Haaren nun selbst ein Bild von der Lage verschaffen.

      Er hatte Philip Hasard Killigrew und dessen Kameraden ja selbst vor Korsumäki gewarnt. Der Kerl war eine Mischung aus Räuberhauptmann, Aufrührer, Schnapphahn und Rebell, der sich niemandem beugte und noch in der Welt seiner heidnischen Vorstellungen lebte. Er verfluchte den Gott der Christen und haßte alle Fremden.

      Doch seine Aktion hatte sich nicht nur gegen die Männer der „Isabella“ gewandt. Lahtinen war fest davon überzeugt, daß der Seewolf dies annahm. Doch darin irrte er sich. Korsumäki plante sicherlich schon seit einiger Zeit, Abo niederzubrennen und zu besetzen, und er schien zumindest auf der einen Insel vor dem Hafen einen geheimen Stützpunkt gehabt zu haben. Er wollte nicht nur der Herr der Inseln sein, er wollte auch Abo in seine Gewalt bringen.

      Dies wollte Lahtinen dem Seewolf mitteilen. Er hatte es sich fest vorgenommen. Lahtinen war ein distinguierter, feinsinniger Mann, der sich in die Gedanken seines Handelspartners sehr gut hineinversetzen konnte. Gewiß quälte sich der Seewolf wegen der Vorfälle der Nacht mit Vorwürfen herum. Vielleicht gab er sich selbst sogar die Schuld an allem. Diese Gedanken waren unsinnig, Lahtinen hatte sich vorgenommen, mit ihm darüber zu sprechen.

      Mit besorgter Miene trat Heikki Lahtinen jetzt jedoch an den Kai. Eine große Menschenmenge hatte sich versammelt. Viele Bürger hatten sich während der Nacht aus ihren lichterloh brennenden Häusern in die Burg am Hafen gerettet. Die Burg hatte den Brand unbeschadet überstanden. Pekkanen und dessen Gendarmen hatten es auch verstanden, sie gegen die Angriffe der Korsumäki-Meute zu verteidigen. Allerdings war es ihnen nur dank der Unterstützung der Seewölfe gelungen, sich auf Dauer zu halten.

      Am frühen Morgen hatten die ersten Zivilisten dann gewagt, die Burg zu verlassen und mit den Aufräumungsarbeiten zu beginnen. Auch die Frauen, die gräßliche Angst vor einem neuen Überfall der Korsumäki-Bande gehabt hatten und Pekkanen sogar an einem Ausrücken hatten hindern wollen, hatten sich mittlerweile beruhigt. So schufteten die Bürger zwischen den Trümmern, zäh und verbissen. Jetzt aber hatten sie die Werkzeuge aus der Hand gelegt und waren zum Hafen gelaufen, um die Ankunft der acht Boote abzuwarten.

      Das Leben geht weiter, dachte Heikki Lahtinen, aber für Korsumäki und dessen Kumpane könnte es doch sehr schnell zu Ende sein, nämlich dann, wenn sie diesen Menschen in die Hände fallen.

      Auch von Bord der „Isabella“ aus beobachteten Ben Brighton und die Crew das Zusammenrücken der Menschen am Kai mit gemischten Gefühlen.

      „Es konnte ja nicht ausbleiben, daß die Boote gesichtet werden“, sagte Ben. „Aber ich hoffe, daß Pekkanen nicht ausgerechnet am Kai landet.“

      „So klug wird er wohl sein“, meinte Old O’Flynn. „Hast du eine Ahnung, wo sich das Stadtgefängnis befindet?“

      „Nein. Hoffentlich nicht direkt am Hafen.“

      Der Alte grinste. „Sollte das der Fall sein, so kann von dem Bau nicht viel übriggeblieben sein. Dann muß der Kommandant erst einen neuen Kerker errichten lassen.“

      „Möglich wäre, daß in der Burg ein Verlies eingerichtet ist“, sagte Ben. „Aber auch das wäre schlecht, denn die Menge würde sich sofort an der Wehrmauer zusammenrotten.“

      „Die Gendarmen werden ja wohl mit ihnen fertig werden.“

      „Das ist noch die Frage, Donegal.“

      „Zur Hölle mit diesem verfluchten Abo!“ stieß der Alte hervor. „Ich bin froh, wenn wir endlich wieder auslaufen.“ Er spuckte ins Wasser und blickte wieder zum Hafen, wo die acht Boote inzwischen die verkohlten Stege fast erreicht hatten.

      Die Menge stimmte ein Murren und Fluchen an. Fäuste wurden gegen Korsumäki und die sechs anderen Gefangenen geschüttelt.

      Ein Mann rief: „Auf was warten wir? Holen wir uns diese Feuerteufel! Diese Bande von Meuchelmördern und Galgenstricken verdient nichts anderes, als auf der Stelle totgeschlagen zu werden!“

      Heikki Lahtinen trat auf diesen Mann zu, den er gut kannte. Er hieß Kaarlo Tanner und war der Schneider von Abo. Lahtinen ließ sich bei ihm seine Anzüge anfertigen.

      „Sei vernünftig, Kaarlo Tanner“, sagte er. „Pekkanen wird entscheiden, was mit den Gefangenen geschieht.“

      Tanners leicht flackernder Blick richtete sich auf Lahtinens Gesicht.

      „Es wäre gut, wenn du dich aus der Sache heraushalten würdest“, sagte er. „Das ist mein Rat, Heikki Lahtinen. Für einen Mann wie dich ist das, was hier gleich geschieht, ohnehin nichts.“

      „Willst du dich mit Korsumäki auf eine Stufe stellen?“ fragte der Handelsherr unbeirrt. „Hältst du das für richtig? Ich richte einen Appell an dein Gewissen. Tu nichts, was den Kommandanten verärgern könnte.“

      Tanners Miene wirkte verzerrt.

      „Ich bin obdachlos“, sagte er seltsam abgehackt. „Meine Frau und meine Kinder wären in meinem Haus verbrannt, wenn ich sie nicht gerade noch rechtzeitig genug geweckt und hinausgezerrt hätte. Zählt das oder zählt das nicht, Heikki Lahtinen? Muß ich erst einen Richterspruch abwarten, um den Teufel Korsumäki an einem Ast baumeln zu sehen?“

      „Ja, das mußt du. Wir sind zivilisierte Menschen.“

      „Aber wer mich schlägt, den schlage auch ich.“

      „Kaarlo Tanner, du gehst jeden Sonntag in die Kirche und schwörst bei Gott, daß du die zehn Gebote achten und befolgen wirst“, sagte Lahtinen. „Hast du vergessen, wie das fünfte lautet?“

      „Nein. Aber ‚Auge um Auge und Zahn um Zahn‘ – auch das steht in der Bibel.“

      „Ich will mich mit dir nicht streiten“, sagte Lahtinen ruhig. „Aber ich habe dich vor überstürzten, falschen Hoffnungen gewarnt.“

      „Und ich empfehle dir, in dein Kontor zurückzukehren!“ zischte Tanner aufgebracht.

      Die Boote folgten dem Verlauf des Ufers in östlicher Richtung und bogen in die Mündung