Название | Seewölfe Paket 6 |
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Автор произведения | Roy Palmer |
Жанр | Языкознание |
Серия | Seewölfe - Piraten der Weltmeere |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783954394951 |
Konnte man sein Schnarchen nicht schon hören?
Der Stör richtete sich ganz oben in den Wanten auf, klomm mit den Händen höher und legte sie auf den Rand der Segeltuchverkleidung. Er blickte darüber weg – und in diesem Augenblick geschah es.
Eine Gestalt schoß hinter der Verkleidung hoch, zweifellos Missjöh Buveur, wie der Wikinger reflexartig feststellte. Der Kerl hielt den Kieker mit beiden Händen vor dem Auge fest und brüllte plötzlich aus voller Kehle: „Land! Land in Sicht!“
Es gellte in den Ohren des Störs, er glaubte, Glocken läuten zu hören. Und Missjöh Buveur hatte ihn so erschreckt, daß er glatt den Halt verlor und abzustürzen drohte.
Der Stör ruderte mit den Armen und wirkte dabei ungefähr so wie eine jener merkwürdigen Windmühlen, die sie in Holland bauten. Er geriet immer mehr aus dem Gleichgewicht. Vergeblich versuchte er zu balancieren, drückte die Knie nach vorn, um das drohende Abkippen nach hinten zu verhindern. Aber er schaffte es nicht mehr und schien verloren zu sein.
In einer spukhaften Sequenz sah er sich schon auf Deck stürzen.
Aber Missjöh Buveur fuhr jählings herum. Er starrte den Wikinger verdutzt an, ließ das Spektiv sinken, streckte eine Hand aus und hielt ihn fest.
„Was ist denn mit dir los?“ rief er.
„Das wollte ich dich fragen“, keuchte der Stör.
„Was willst du denn hier oben?“
„Hast du Thorfin Njal nicht brüllen hören? Hast du nicht gehört, was Dan O’Flynn drüben auf der ‚Isabella‘ gerufen hat?“
„Nein, hab ich nicht.“
„Bei Odin …“
„Ich war viel zu vertieft“, sagte der Franzose. Er zog den Kameraden näher zu sich heran.
Der Stör hielt sich wieder an der Vormarsumrandung fest, hatte große Augen und sagte völlig verdattert: „Ja, Mann, in was denn, zum Teufel?“
„Na, in meine Beobachtungen.“ Missjöh Buveur ließ den Stör los, weil der ja jetzt allein zurechtkam, beugte sich weit über die Verkleidung und schrie: „Land! Drei Inseln!“
„Dein Glück!“ brüllte Thorfin Njal zurück.
Der Franzose drehte sich zu dem Stör um. „Was sagt er denn?“
„Daß du schwerhörig bist. Hast du die Inseln wirklich eben erst entdeckt?“
„Ja, als du ’raufstiegst und …“
„Schon gut“, erwiderte der Wikinger mühsam beherrscht. „Nun hauch mich mal an, ja?“
„Wieso denn?“
Der Stör schaute so grimmig drein, daß Missjöh Buveur augenblicklich verstummte und der Aufforderung folgte. Der Stör brummelte noch etwas Unverständliches, schüttelte den Kopf und verschwand dann in Abwärtsrichtung. Missjöh Buveur blickte ihm nach, kratzte sich am Hinterkopf und spähte wieder durch sein Fernrohr.
Wieder auf der Back angelangt, traf der Stör mit Arne und Oleg zusammen. Sie schauten ihn fragend an, und er sagte verwirrt: „Komisch, der Franzose stinkt wie ein alter Ziegenbock, aber nicht nach Schnaps. Er ist ausnahmsweise stocknüchtern.“
„Das hat ihn vor der Neunschwänzigen bewahrt“, entgegnete Arne.
Der Seewolf ließ den Kieker sinken. Die größte der Inseln konnte er nun mit bloßem Auge erkennen. Sie hob sich dunkel und kegelförmig vom Horizont ab.
„Ich glaube, das sind die Inseln, die auf einer meiner von den Spaniern erbeuteten Seekarten eingezeichnet sind“, sagte er zu den Männern, die ihn umringten. „Allerdings ist die geographische Länge nicht genau angegeben. Ich wußte also nicht, ob wir heute, morgen oder erst in einer Woche auf die Gruppe stoßen würden.“
Old O’Flynn stand hinter ihm. „Deswegen warst du also deiner Sache so sicher. Du bist schon ein Teufelskerl, Hasard.“
Hasard wandte sich um. „Aus meinen Aufzeichnungen geht hervor, daß es sich um neun große und mehr als ein Dutzend kleinere Inseln handelt. Wir müssen bei der Landung sehr vorsichtig sein, denn ich rechne fest damit, daß wir auf Eingeborene treffen.“
Carberry, der nun ebenfalls das Vordeck betreten hatte, stieß einen ärgerlichen Laut aus. „Eben, und bei denen weiß man nie, woran man ist. Sie können harmlos sein, aber genausogut können sie schon in den Büschen lauern, um uns anzufallen und uns die Gurgeln durchzuschneiden.“
„Das ist Schwarzmalerei“, sagte Smoky.
„Das ist die Wahrheit“, versetzte der Profos dumpf.
Sie blickten wieder zu den Inseln. Die große richtete sich nun immer wuchtiger aus den Fluten auf. Das imposante Bergmassiv in ihrem Zentrum war um die Gipfel herum von Wolkenstreifen gekrönt.
Fasziniert betrachteten die Seewölfe dieses Werk der Natur. Eine unerklärliche Aura haftete dem Eiland an, und je näher sich die „Isabella“ darauf zuschob, desto stärker wurde der Bann, in den die Männer sich gezogen fühlten.
Hasard suchte das Ufer mit Hilfe des Spektivs ab.
„Merkwürdig“, sagte er schließlich. „Die nordöstliche Küste ist pechschwarz wie verkohltes Holz, aber zum Südufer hin wird die Landschaft hell und lieblich. Ich sehe einen weißgoldenen Strand und Palmenwipfel.“
„Das Paradies auf Erden“, brummte Carberry. „Aber darauf falle ich nicht wieder ’rein. Macht euch auf Kopfjäger, feuerspuckende Berglöcher und bösartige Viecher gefaßt.“
Hasard blieb unbeirrt. „Wir runden die Insel im Süden und suchen nach einem Landeplatz. Wir ankern, fieren die Beiboote ab, und dann sehen wir weiter.“
Tatsächlich stießen sie etwa eine Stunde später an der Leeseite der großen Insel auf eine langgestreckte, von weißem Sandstrand gesäumte Bucht. Sie lud regelrecht zum Verweilen ein.
Hasard dirigierte seine „Isabella“ hinein, und das schwarze Schiff folgte ihm. Smoky lag bäuchlings auf der Galionsplattform und lotete die Tiefe aus. In regelmäßigen Zeitabständen gab er die Daten weiter: „Elf Faden – zehneinhalb – zehn – zehn …“
Als sie die Mitte der Bucht erreicht hatten, war die Wassertiefe gleichbleibend und pendelte um das Zehn-Faden-Maß. Der Seewolf atmete auf. Die Gefahr, auf Grund zu laufen, bestand nicht mehr.
„Fallen Anker!“ rief er.
„Fallen Anker!“ brüllte Ed Carberry, und kurz darauf ertönte der Befehl auch auf dem schwarzen Schiff.
Die schweren Stockanker rauschten an ihren Trossen aus, schwebten im klaren Wasser bis auf den Grund und bohrten sich in den hellen Sand. Der Seewolf beugte sich nach vorn, blickte nach unten und konnte Trosse und Buganker verschwommen in der Tiefe erkennen. Die See glitzerte wie flüssiges Kristall.
Hasard sah zum Ufer und beobachtete, wie sich die Palmenwipfel in einer leichten Brise wiegten. Ein Vogel schwebte über dem Grün des Binnenlandes. Die Szene atmete Frieden, Ausgeglichenheit, Harmonie. Dies schien tatsächlich das Paradies auf Erden zu sein.
Carberrys barsche Stimme rief in die Wirklichkeit zurück. „Fiert ab die Beiboote, ihr müden Säcke! Wollt ihr wohl spuren, oder muß ich euch anlüften? Habt ihr das verlernt, ihr triefäugigen Kakerlaken? O, ihr Faulenzer, ihr Rübenschweine, wenn man euch nicht dauernd den Marsch bläst! Ich hab’s ja schon immer gesagt, euch hat eine Wanderhure vor der Kirche verloren …“
So ging das weiter, bis die Beiboote endlich