Seewölfe Paket 6. Roy Palmer

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Название Seewölfe Paket 6
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954394951



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wußte auch, daß Philip Hasard Killigrew seine Männer nicht im Stich lassen würde. Trotzdem versuchte der Maya alles, um die Seewölfe von ihrem Vorhaben abzubringen.

      „Die Männer des Bretonen werden sterben“, sagte er. „Sie sind jetzt schon so gut wie tot. Itzemnás Fluch wird sie treffen. Sie werden auf dem heiligen Stein der Gefiederten Schlange geopfert werden, um die Götter zu versöhnen.“

      „Genau das wollen wir ja verhindern“, sagte Hasard trocken. „Wenigstens bei Dan und Batuti. Mit dem Bretonen können eure Priester meinetwegen anstellen, was sie wollen.“

      „Sie werden ihm bei lebendigem Leibe das Herz herausschneiden. Und auch euch werden sie überwältigen. Sie sind zu stark. Ihr könnt sie nicht besiegen.“

      „Himmel!“ murmelte Ben Brighton. Die Sache mit dem Herzherausschneiden war ihm auf den Magen geschlagen. Auch die Rote Korsarin wurde bleich, und Hasard war nicht mehr ganz so sicher, ob es ihn wirklich einen Dreck kümmerte, was die Maya-Priester mit den Männern des Bretonen anstellten.

      Der Seewolf atmete tief durch.

      „Wir wollen keinen Krieg führen“, sagte er. „Wir wollen Dan und Batuti befreien, und zwar nach Möglichkeit, ohne dabei mit den Maya aneinanderzugeraten. Je eher wir aufbrechen, desto besser sind die Chancen dafür. Du wirst uns führen, Yuka, aber deine Landsleute brauchen dich nicht zu sehen.“

      „Ich habe keine Angst, ich …“

      „Das behauptet auch niemand. Aber ich nehme an, du willst nicht dahin zurück, wo dich die Spanier suchen. Dein Platz ist bei deinem Volk. Ben, sorg dafür, daß er andere Kleidung erhält, vor allem irgendeine Kopfbedeckung. Thorfins Helm wäre gut.“

      „Mein Helm? Bist du des Teufels? Ha! Wer sich untersteht, meinen Helm anzufassen …“

      „Schon gut, schon gut!“ Hasard mußte grinsen. „Siri-Tong, du bleibst mit denen Leuten hier in der Bucht für den Fall, daß die Piraten auf einem anderen Weg zurückkehren, einverstanden?“

      „Einverstanden“, sagte die Rote Korsarin knapp.

      „Ben, du übernimmst das Kommando über die ‚Isabella‘. Bill und Old O’Flynn bleiben bei dir und …“

      „Wieso?“ ertönte es zweistimmig.

      Hasard schoß einen Blick auf den alten O’Flynn ab, der sich auf seine Krükken stützte, die Schultern gereckt und das Kinn entschlossen vorgeschoben.

      „Weil wir einen Marsch durch den Dschungel vorhaben“, sagte der Seewolf trocken. „Und weil ich drei Mann auf der ‚Isabella‘ zurücklassen möchte.“ Das letzte galt Bill, dem fünfzehnjährigen Schiffsjungen, der vor Tatendrang brannte. „Sonst noch irgendwelche Diskussionsbeiträge?“

      Bill zog den Kopf ein, und Old O’Flynn rammte erbittert, aber stumm sein Holzbein auf die Planken. Die Männer schwiegen. Wenigstens solange, bis Siri-Tong und der Wikinger wieder zu dem schwarzen Segler hinüberpullten. Danach ließ Hasard die Beiboote abfieren – und Edwin Carberry nutzte die Gelegenheit, mal wieder ausgiebig sein Repertoire an Flüchen zu strapazieren.

      Es fing damit an, daß sie alle verlauste Rübenschweine seien, die der Wassermann im Suff mit einer triefäugigen Gewitterziege gezeugt haben müsse. Und es endete mit der sattsam bekannten Drohung, Haut in Streifen von Affenärschen abzuziehen und zum Trocknen an die Kombüse zu nageln.

      Sir John, der Papagei, hockte auf der Rahnock, plusterte sich auf und wiederholte einige Flüche als krähendes Echo.

      7.

      Donegal Daniel O’Flynn hatte das Gefühl, einen völlig verrückten Traum zu erleben.

      Er wußte nicht, wieviel Zeit vergangen war, als er wieder aus der Bewußtlosigkeit erwachte, und im ersten Augenblick hatte er auch keine Ahnung, wo er sich befand. Solide hölzerne Gitterstäbe zerteilten sein Blickfeld.

      Er sah eine Tempelpyramide ganz ähnlich der, in der sie den Schatz gefunden hatten. Aber hier wucherte kein Urwald um den Fuß des gewaltigen Bauwerks, hier gab es andere Gebäude, fremdartige Häuser, Straßen, Menschen. Gerade marschierte ein langer Zug von den braunhäutigen Männern mit den seltsamen Haarzöpfen vorbei. Als Dan den Kopf wandte, um ihnen mit den Augen zu folgen, beobachtete er, wie sie durch einen weiten, gemauerten Torbogen im grünen Schatten des Urwalds verschwanden.

      Noch etwas bemerkte Dan: daß er selbst ganz schlicht in einem Käfig hockte, einem einfachen, sinnreichen und ungemein stabilen Holzkäfig. Einem in einer ganzen Reihe, wie Dan mit dem nächsten Blick erkannte, und für ein paar Sekunden verschlug es ihm glatt die Sprache.

      „Kleines O’Flynn wach?“ dröhnte Batutis grollende Stimme von links.

      Dan vergaß sogar, gegen den Ausdruck „kleines O’Flynn“ zu protestieren.

      Er drehte sich um. Unmittelbar neben ihm kauerte Batuti ebenfalls im Käfig. Er hielt zwei hölzerne Gitterstäbe mit seinen Pranken umfaßt, fletschte die Zähne und rollte so furchterregend mit den Augen, daß die Maya sich vermutlich schon gefragt hatten, ob ihnen da wirklich ein Mensch oder nicht vielmehr ein unheimlicher schwarzer Dämon in die Hände gefallen war.

      „Mann!“ flüsterte Dan erschüttert. „Wo, zum Teufel, sind wir denn hier gelandet?“

      „Batuti weiß nicht. Weiß nur, daß vermaledeites Krieger wieder ausgezogen sind, Rest von dämliches Piraten jagen. Maya-Kerls haben gefangen vier Mann und gehauen bretonisches Bastard auf Kopf. Boing!“

      Letzteres freute den schwarzen Herkules offenbar. Dan konnte auch nicht behaupten, daß er Jean Morros Halsabschneider bedauerte. Er drehte sich um und musterte die Käfige auf der rechten Seite, um zu sehen, wer außer ihm und Batuti in Gefangenschaft geraten war.

      Jacahiro!

      Der Maya hatte sich mit halb geschlossenen Augen zusammengekauert, schien in sich hineinzulauschen und seine Umgebung kaum wahrzunehmen. Neben ihm stand Jean Morro aufrecht in seinem Käfig und umklammerte die Gitterstäbe.

      Das Gesicht des Bretonen war blutverschmiert, in seinen grauen, zusammengekniffenen Augen lag ein ungläubiger Ausdruck. Außer ihm waren noch der einäugige Esmeraldo da und der „andere Burgunder“, der sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den linken Arm hielt.

      Die Männer wirkten wie betäubt, als glaubten sie zu träumen. Sie konnten nicht fassen, was ihnen passiert war, und daß es hier, mitten in der weglosen Wildnis des Urwalds, eine uralte, prachtvolle Stadt mit kriegerischen Bewohnern gab. Die neugierigen, aus sicherer Entfernung herüberstarrenden Frauen und Kinder, die die Gefangenen wie seltene Tiere im Zoo betrachteten, taten ein übriges, um die Situation noch unwirklicher werden zu lassen.

      „Jacahiro!“ Die Stimme des Bretonen klang drängend. „Jacahiro! Schläfst du, verdammt noch mal?“

      „Der Maya hob den Kopf. Seine Augen schienen durch alles hindurchzugehen, seine Stimme klang dunkel wie ein Orakel.

      „Jacahiro schläft nicht.“

      „Was, zum Teufel, wird passieren?“ Morro wartete ein paar Sekunden, dann kauerte er sich an den Gitterstäben des Käfigs auf die Fersen. „Was wird passieren?“ wiederholte er. „So sprich endlich!“

      „Jacahiro hat euch gewarnt.“

      „Das weiß ich, verdammt! Aber wir sind nicht dem Fluch irgendeiner obskuren Gottheit zum Opfer gefallen, sondern einer verdammt realen Übermacht von Menschen aus Fleisch und Blut. Und davor hast du uns nicht gewarnt, wenn ich mich richtig erinnere.“

      „Ich wußte nichts davon. Jacahiro wußte nicht, daß das Volk der Maya in die alten Königsstädte zurückgekehrt ist. Der Oberste Priester lebt. Er wird Gericht halten.“

      „Heiliger Bimbam“, murmelte Morro. Dan O’Flynn hatte den Eindruck, daß auch der Bretone erst vor Minuten aus der Bewußtlosigkeit erwacht war, denn allmählich kehrte in die grauen Augen wieder der Ausdruck von Nüchternheit