Seewölfe - Piraten der Weltmeere 143. Roy Palmer

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Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 143
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954394678



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man in Regen und hereinbrechender Dunkelheit noch von der Felsenküste erkennen konnte, schien vor dem Bug der „Isabella VIII.“ wild auf und ab zu tanzen. Für einen Moment gab Hasard sich der Illusion hin, die Dimensionen und Elemente wären durcheinandergeraten und die Rollen anders verteilt. Die „Isabella“ lag als ruhender Pol unbewegt in der See, während die Wogen ganz Iberien hochhoben und durchschüttelten.

      „Schön wär’s“, sagte der Seewolf. „Aber leider doch zu schön, um wahr zu sein.“ Er stand auf der Back seines Schiffes und hielt sich an den Fockwanten fest. Der Sturmwind drückte die Galeone genau auf die Küste zu. Nur noch das Großsegel war gesetzt, aber auch das schien zuviel zu sein.

      Smoky, der Decksälteste, war neben seinen Kapitän getreten. Auch er klammerte sich an den Wanten fest, kniff die Augen zusammen und fragte: „Was hast du gesagt? Ist was nicht in Ordnung?“

      „Ich habe nur laut gedacht, Smoky. Es wäre großartig, wenn man Spanien und Portugal zusammen aus den Angeln heben könnte.“

      „Aye, Sir, aber ohne auf Grund zu laufen!“

      „Würdest du lieber durch den Sturm segeln?“

      „Das nicht. Bill hat die kleine Bucht in der Dämmerung gerade noch erkannt – und sie kommt uns wie gerufen“, antwortete Smoky. „Nur wär’s mir lieber gewesen, wir hätten die Wassertiefe ausloten können!“

      „Du kannst es ja mal versuchen“, schrie Old Donegal Daniel O’Flynn, der sich an sie herangearbeitet hatte und so verstehen konnte, was sie sprachen. „Sobald du dich über die Galion hinausbeugst, steigt die Seehexe aus den Fluten auf und reißt dir was ab, Smoky!“

      „Mann – rutsch mir doch den Bukkel runter“, knurrte Smoky.

      Hasard drehte sich zu den beiden um. „Wir haben auflaufendes Wasser, und daher hoffe ich, daß wir mit Riffs und anderen Untiefen keine Scherereien kriegen. Möge der Herrgott unser Stoßgebet erhören! Im Moment macht mir nur eines Sorgen. Wir haben zuviel Fahrt drauf.“ Er blickte nach achtern und schrie: „Ed, he, Ed! Profos!“

      „Sir?“ dröhnte das mächtige Organ Edwin Carberrys durch das Sturmtoben. „Hier bin ich!“

      „Das Großsegel wegnehmen, Ed!“

      „Geit auf das Großsegel!“ brüllte der Profos. „Los, weg mit dem Fetzen! Sitzt ihr auf euren Ohren, ihr triefäugigen Kakerlaken? Oder habt ihr Bohnen darin stecken? Hopp, hopp, willig, willig, schneller, schneller, ihr Satansbraten, oder ich bringe euch auf Trab. He, Matt Davies, hast du Schlick auf den Augen? Hölle, der Himmelhund sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht, dabei baumelt das Fall genau vor seinen Schielaugen herum. Kutscher, du fällst noch über deine eigenen Füße, wenn du nicht aufpaßt, wohin du trittst! He, Sir John, du Geier, wenn ich dich zu fassen kriege! Wer hat dir die Erlaubnis gegeben, hier rumzuflattern?“

      Es war die altbekannte Musik, aber eigentlich waren die Männer der „Isabella“ recht froh darüber, ihren Profos mitten im Sturm so angeregt brüllen und fluchen zu hören. Wenn Carberry nämlich nicht mehr lärmte, war die Lage wirklich ernst, oder, anders ausgedrückt: Solange er brüllte, waren er und die Crew gesund, und längst nicht alle Zeichen standen auf Sturm.

      So herrschte bei Hasards Männern Zuversicht. Die „Isabella“ war eine „mit Schätzen bis zur Halskrause vollgestopfte Lady“, wie Ferris Tukker zu sagen pflegte, sie hatte beachtlichen Tiefgang, aber trotzdem, man würde es schon schaffen, die „verdammte Bucht“ anzulaufen.

      Carberry stieß einen beruhigten, grunzenden Laut aus, als das Großsegel im Gei hing. Der Wind aus Westsüdwest bauschte jetzt nur noch die Blinde unter dem Bugspriet. Die „Isabella“ lief allmählich langsamer, hatte aber immer noch genügend Geschwindigkeit, um bis in die Bucht zu laufen, die man jetzt mehr ahnen als sehen konnte.

      Carberrys linke Hand löste sich vom Manntau und schoß hoch. Sie unterbrach Sir Johns Flugbahn. Der karmesinrote Aracanga krächzte und kreischte erbost, aber alles Geplärr und Flügelschlagen nutzte ihm nichts. Carberry war unerbittlich. Er stopfte sich den Papagei ins Wams und sagte: „So, und da bleibst du jetzt, bis du keinen anderslautenden Befehl erhältst, du Nebelkrähe. In dem Scheißwind könnten wir dich leicht verlieren, und was tun wir dann, he?“

      Darauf wußte Sir John selbstverständlich keine Antwort zu geben. Er lugte aus des Profos’ Wamsausschnitt hervor, hütete sich aber, noch weiter hervorzukrabbeln, weil er wußte, daß der Profos dann wirklich rabiat wurde.

      Carberry hielt nach allen Seiten Ausschau. Sollten sich Philip und Hasard, diese Lümmel, erdreisten, ihre naseweisen Gesichter aus einer Luke oder einem Schott hervorzustrecken, würde er ihnen gehörig den Marsch blasen.

      Aber die Söhne des Seewolfes zeigten sich nicht. Sie blieben unter Deck – im Mannschaftslogis, das bei Sturm und Gefecht zu ihrem Refugium geworden war. Kinder vergaßen schnell, aber die Erinnerung an das, was nördlich von Tanger in der Straße von Gibraltar geschehen war, schien unauslöschlich in den beiden Siebenjährigen zu sein. Einer von ihnen war über Bord gegangen, und der Seewolf hatte ihn nur knapp vor dem Ertrinken retten können.

      Einer der beiden, aber, Teufel auch, welcher war es gewesen? Philip oder Hasard? Carberry stieß einen ellenlangen Fluch aus. Hol’s der Henker, er hatte es immer noch nicht gelernt, die Zwillinge auseinanderzuhalten. Sie ähnelten sich wie ein Ei dem anderen. Und man konnte schließlich nicht ständig nach den Haifisch-Symbolen suchen, die Keymis, dieser Schurke, seinerzeit auf ihre Schulterblätter hatte tätowieren lassen.

      Der Profos lenkte seine Gedanken in andere Bahnen. Er legte den Kopf in den Nacken und spähte zum Großmars hinauf.

      „Bill!“ brüllte er. „Bursche, bist du noch da, oder hat es dich von deinem Posten gerissen?“

      „Alles in Ordnung, Mister Carberry“, antwortete Bill, der Schiffsjunge und Ausguck der „Isabella“, von seinem luftigen Standort.

      „Kannst du die Bucht noch sehen?“

      „Nein, Sir.“

      „So ein Mist“, sagte der Profos. „Dann müssen wir uns jetzt doch in die Bucht hineintasten wie blinde Seehunde.“

      „Ja“, sagte Matt Davies, der sich gerade in seiner Nähe befand. „Nach dem Leitsatz: Wenn es bummst, noch einen Yard.“

      „Der Teufel soll dich und deine blöden Sprüche holen, Davies!“ rief Carberry in den Sturm.

      „Das mußt du auch gerade sagen, Profos“, erwiderte Matt. Er sagte es aber nur halblaut, so daß Carberry ihn nicht verstehen konnte. Das war gut so, denn Ed Carberry als der Zuchtmeister und Hüter der Borddisziplin konnte fuchsteufelswild werden, wenn man ihm Kontra gab.

      Ben Brighton hatte sich zu Hasard, Smoky und Old O’Flynn auf die Back gesellt. Angestrengt blickten die Männer voraus, und immer wieder gab der Seewolf Anweisungen nach achtern.

      Rudergänger Pete Ballie tat sein Mögliches, um die „Isabella“ sicher in die Felsenbucht zu dirigieren. Der Schweiß der Anstrengung lief ihm übers Gesicht. In diesen Minuten hing alles von ihm ab.

      Endlich rauschte das Schiff durch die Einfahrt der Bucht, die sich nun doch als breiter erwies, als die zweiundzwanzig Männer anfänglich angenommen hatten.

      Mit dem letzten achterlichen Schub, den die „Isabella“ durch den Sturmwind erhielt, drehte Pete Ballie bei, ohne Gefahr zu laufen, daß das Schiff querschlug – bis auf die Blinde hingen ja sämtliche Segel im Gei.

      Hasards Befehle tönten durch die Dunkelheit. Der Anker klatschte ins Wasser und sank tief, bis er Grund fand. „Hurra!“ rief Bill aus dem Großmars. „Wir haben es geschafft!“

      Hasard lächelte seiner Crew zu. Er winkte den Kutscher heran und sagte: „Ich spendiere eine Ration Whisky für die gesamte Mannschaft. Laß die Kerle aber nicht zu tief in die Flasche gucken. Wir befinden uns immerhin in feindlichem Gebiet und müssen heute nacht Posten aufstellen, die in der Lage sind, anrückende Dons rechtzeitig zu erkennen.“

      „Aye, Sir.“