Seewölfe - Piraten der Weltmeere 253. Davis J.Harbord

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Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 253
Автор произведения Davis J.Harbord
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954395897



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      Sir John blieb nicht untätig und würzte die Situation mit einem rasselnden Trommelfeuer von Ausdrücken und Sprüchen seines Lehrmeisters, was den Kutscher wiederum veranlaßte, dozierend zu erklären: „Da hört man’s wieder! Nichts anderes hat dieses Tier gelernt als Unrat und fäkalische Ausdrücke. Und von wem? Von einem Menschen, der dieses goldene Kunstwerk hier mit einer Axt zertrümmern will!“

      Smoky mußte den vor Wut zitternden Profos festhalten, sonst wäre der in den Laderaum gekippt.

      Carberry gurgelte: „Warte nur, Kutscher, wenn ich dich allein in der Kombüse erwische! Da wirst du gepfeffert und gesalzen und in kleine Speckwürfel geschnippelt – und dann unterhalten wir uns über Pädagogik, du verrunzelte Seegurke …“

      „Schnapphähne!“ plärrte Sir John erregt und ruckte mit dem Kopf. „Halsabschneider! Fier weg, das Ding, hopp-hopp, und hoch mit dem Lappen, hart Steuerbord, Pete, sinnig-sinnig, holt durch die Lose …“ Und Sir John stieß ein gellendes Gelächter aus, plusterte sich auf und entließ eine rötliche Staubwolke aus seinem Gefieder. Eine Folge unflätiger Ausdrücke schloß sich an.

      „Ruhe!“ brüllte Ferris Tucker aus dem Laderaum. „Das ist ja nicht mehr auszuhalten, dieses krakeelende Vieh!“

      Ein Stiefel flog zur Rah hoch, von Luke Morgan abgefeuert, und Sir John flatterte hinüber zur Fockrah, schwer beleidigt, denn es hatte ihm die Sprache verschlagen. Nur empörte Schnarrlaute waren noch vernehmbar, dann wurden die Federn einer Säuberung unterzogen, und es kehrte Ruhe an Bord ein.

      Fünf Minuten später grinsten die Seewölfe nicht mehr, sondern hatten verstörte Gesichter.

      Da hatte Ferris Tucker an der rechten Kante des Schreins – mehr aus Zufall – an einer schmalen Goldleiste geschoben, dem ein metallisches Knacken folgte. Und rings um den Schrein war plötzlich ein winziger Spalt sichtbar, der verriet, daß man das Oberteil abheben konnte.

      Das tat Ferris Tucker, sehr vorsichtig und sehr behutsam. Es war eine Art Deckel, den er abhob. Damit war der Blick in den Schrein frei.

      Old O’Flynn ächzte laut und bekreuzigte sich hastig.

      Und Ferris Tucker murmelte: „Verdammt!“

      Hasard, Dan O’Flynn und der Kutscher hatten glänzende Augen, als sie sich vorbeugten und in den Schrein schauten.

      Die Männer oben an der Luke starrten entsetzt.

      In dem Schrein, der sich als Sarkophag entpuppt hatte, lag eine Mumie mit über der Brust gekreuzten Armen und einer Totenmaske.

      Old O’Flynn verließ fluchtartig den Laderaum, stolperte natürlich und schlug lang hin. Seine Flüche vermischten sich seltsam mit Prophezeiungen, Spuksalbader und der Behauptung, „diese eingewickelte Leiche“ habe ihm ein Bein gestellt.

      Und als er humpelnd und grau im Gesicht auf der Kuhl erschien, verkündete er: „Weh, wehe! Verdammnis liegt über uns – ein Fluch! Das Schiff ist dem Untergang geweiht. Wir segeln in die Hölle hinunter – alle, denn wir sind Verdammte der Hölle …“

      „Mister O’Flynn!“ erklang Hasards Stimme aus dem Laderaum, und zwar in einer Tonlage, die aufziehendes Gewitter verkündete. „Dürfte ich darum bitten, hier nicht verrückt zu spielen!“

      Aber so leicht war der Alte dieses Mal nicht zu bremsen.

      „So! Ich spiele verrückt, wie?“ fauchte er in den Laderaum hinunter, zuckte aber sofort wieder zurück, als er die „eingewickelte Leiche“ sah. Und dann zeterte er: „Ich hab genau gemerkt, wie sich was Knochiges um mein Bein hakte und mich zu Fall brachte …“

      „Ums linke oder rechte Bein?“ unterbrach Dan O’Flynn seinen Alten mit sanfter Stimme.

      „Wie?“ Old O’Flynn stieß den weißhaarigen Kopf vor, irritiert, daß er unterbrochen wurde.

      „Hat das Knochige sich um dein rechtes oder linkes Bein gehakt?“ fragte Dan O’Flynn nach oben.

      „Das ist mir doch egal!“ schnappte Old O’Flynn.

      „Mir nicht“, sagte Dan, „wenn’s nämlich dein rechtes Holzbein war, kannst du gar nichts bemerkt haben, schon gar nichts Knochiges. Ist doch klar, wie?“

      „Logisch“, murmelte Gary Andrews – das Wort hatte es ihm heute angetan.

      „Maul halten!“ Carberry fuhr zu ihm herum. „Hier geht’s nämlich um höllische Dinge, und davon verstehst du nichts!“

      „Ach ja?“ fragte Gary Andrews gelassen. „Aber du verstehst davon ’ne Menge, wie?“ Er stand Carberry an der geöffneten Luke gegenüber, so daß der Profos nicht unmittelbar handgreiflich werden konnte, weil der Laderaum dazwischenlag. Und darum grinste er auch, der hagere, sehnige Gary Andrews. „Da unten ist ’ne tote Mumie. Na und?“

      „Mumien sind immer tot!“ sagte Old O’Flynn mit knirschenden Zähnen.

      Gary Andrews grinste weiter. „Verstanden, Mister O’Flynn. Ich frag mich nur, wie sich was Totes um dein Bein haken soll. Und das Tote ist auch noch eingewickelt – hast du selbst gesagt. Oder? Was Toteres als ’ne eingewickelte Mumie gibt’s überhaupt nicht.“

      Old O’Flynn reckte den Arm mit ausgestrecktem Zeigefinger über die Luke, als wolle er Gary Andrews aufspießen. „Spotte nur, Mister Andrews! Die Hölle wird dich verschlingen mit Haut und Haaren …“

      „Ungekocht!“ donnerte der Profos.

      „Jawohl, ungekocht!“ schrie Old O’Flynn und stieß jetzt den Arm in die Luft, als rufe er den Himmel als Zeugen an.

      „Der kriegt sich heute nicht mehr ein“, sagte Dan O’Flynn unten im Laderaum und schüttelte den Kopf.

      Oben reckte Old O’Flynn den Arm noch höher und verlor – auch das war vorhersehbar – prompt die rechte Krücke. So geriet er ins Taumeln, und darum griff Stenmark hastig zu, um ihn vor einem Sturz in den Laderaum zu bewahren – womöglich auf die „eingewickelte Leiche“.

      Old O’Flynn schrie wie am Spieß. „Habt ihr’s gesehen? Und wieder hat die Mumie zugeschlagen! Das war die letzte Warnung an uns, von dem frevlerischen Spiel abzulassen!“

      Eins mußte man dem alten O’Flynn lassen: Er brachte die Crew mit seinem Theater ganz schön durcheinander. Carberry war bereits voll angesteckt, Smoky ebenfalls.

      Und Will Thorne, der alte Segelmacher, murmelte in seiner bedächtigen Art: „Es gibt wirklich Dinge zwischen Himmel und Erde, die wir nicht mehr zu erfassen vermögen. Und Tote soll man ruhen lassen.“

      Die meisten Männer nickten.

      Allerdings, Gary Andrews war nicht zu beeindrucken. Er schüttelte nur den Kopf und sagte: „Ich hab keine Mumie zuschlagen sehen, Old Donegal. Du hast deine rechte Krükke verloren, weil du den rechten Arm so hoch gereckt hast – logisch, daß du dann den Halt verlierst.“

      „Aber es war ein Wink des Himmels“, sagte jetzt Smoky.

      Hasard donnerte unten eine Leiter an das Lukensüll und enterte auf.

      „Seid ihr hier alle übergeschnappt?“ fragte er mit Eis in der Stimme, und sein Blick flog rundum. Dann hakte er sich an Old O’Flynn fest. „Ich sperre dich eigenhändig in die Piek, Mister O’Flynn, wenn du hier weiter deinen Quatsch verzapfst. Wir haben von den Dons eine Menge erbeutet, mehr als wir uns hätten träumen lassen, darunter zwei goldene Schreine, in denen sich – logisch – etwas befinden mußte. So! Der eine Schrein, den Ferris geöffnet hat, enthält eine Mumie und außerdem recht wertvolle Grabbeigaben, wie ich gesehen habe. Da hat uns also der Zufall etwas in die Hände gespielt, nicht mehr und nicht weniger. Das hat weder mit Verdammnis, noch mit Fluch oder Hölle zu tun. Wer das behauptet, will hier Unfrieden stiften oder Köpfe verwirren. Und beides dulde ich nicht. Ist das klar, Mister O’Flynn?“

      „Du wirst dich noch wundern“, knurrte der Alte. „Wenn du den zweiten Schrein öffnest, wird es Feuer vom Himmel regnen!“