Seewölfe - Piraten der Weltmeere 378. Roy Palmer

Читать онлайн.
Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 378
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954397860



Скачать книгу

Anweisungen von ihr erhalten – wie alle Männer, die sie zur Proviantbeschaffung an Land schickte. Der Ankerplatz der „Caribian Queen“ war streng geheim. Nichts durfte darüber bekannt werden. Nach den letzten Erlebnissen waren die Queen und Caligula außerordentlich vorsichtig geworden. Ehe die Queen von ihrer Blessur nicht völlig genesen war, wollte sie sich ohnehin nicht wieder „unter Leute“ begeben.

      Der Grund, warum Cariba mit einer Jolle nach Matamano gesegelt war, bestand in der Gier der Crew nach einem ordentlichen Tropfen Rum. Die Kerle lechzten danach, und die Queen und Caligula konnten ihnen den Schnaps nicht länger verweigern. Cariba, der dafür bekannt war, daß er guten von schlechtem Rum unterscheiden konnte, war losgeschickt worden. Matamano war der nächste natürliche Hafen, und in der „Yerba Buena“ konnte man fast alles haben, was man suchte.

      Caligula hatte mit dem Zweidecker „Caribian Queen“ und der schwer angeschossenen Black Queen an Bord ein hervorragend geschütztes Versteck gefunden. Es befand sich in einer Bucht der Islas de Mangles, einer Gruppe von Inselchen, die sich von der Ostseite der Isla de Pinos in einem Bogen nach Nordwesten hinzog und sich somit zwischen dem Inselfestland – der Südküste von Kuba – und der Isla de Pinos erstreckte. Diese Inselgruppe lag im Archipel de los Canarreos.

      Etwa fünfzig Meilen war das Buchtversteck von Diego Velasquez’ einstigem Hafen entfernt. Acht Stunden hatte Cariba gebraucht, um hierherzugelangen, und er wollte die Fahrt und den Auftrag wenigstens auch zu seinem ganz persönlichen Vergnügen nutzen.

      Alvaro deutete auf Lilian, die „Krabbe“, die sich vom Hinterzimmer her zwischen den Tischen hindurch bewegte und offensichtlich nach einem neuen Freier Ausschau hielt.

      „Die da“, sagte er. „Du kannst sie für zwei Silberlinge haben.“

      Cariba betrachtete die Frau. Sie war blond, hochgewachsen, langbeinig und sehr schlank. Ihre Züge waren herb, das grelle Lippenrot und die bläulichen Schatten, die sie unter ihre Augen gemalt hatte, gaben ihr ein fast leichenhaftes Aussehen.

      „Die ist mir zu mager“, sagte Cariba. „Nicht mein Fall.“

      „Dann mußt du eben noch warten.“

      „Ich warte gern“, sagte Cariba. „Schenk mir noch einen Rum ein. Hast du dir mein Angebot gründlich überlegt?“

      „Ja. Acht Dublonen für fünf Fässer.“

      „Unsinn. Mehr als sechs kriegst du nicht, sonst kannst du das Zeug behalten.“

      „Achtung“, sagte Alvaro. „Da kommt Teta-Maria. Sieh sie dir an! Ist sie nicht ein Prachtstück?“

      Caribas Blick richtete sich auf die schwarzhaarige, dunkelhäutige Walküre, die zwischen den Küstenhaien und Strolchen an den Tischen zu schwimmen schien. Sie watschelte und hielt ihre üppigen Lippen zu einem Kußmund gespitzt, wackelte mit ihrem Hinterteil und entlockte den Kerlen, an denen sie ihren wogenden Busen vorbeischob, anerkennende Pfiffe. Einem einäugigen Beachcomber, der zu zudringlich wurde, hieb sie auf die Hand, daß es klatschte und schon grölten die Kerle vor Begeisterung.

      Cariba wandte sich wieder dem Schankwirt zu. „Zu fett für meinen Geschmack. Hast du nichts Besseres anzubieten?“

      „Du könntest dich höchstens noch an Dolores halten“; erwiderte Alvaro. „Eine andere Möglichkeit sehe ich nicht.“

      Etwa eine halbe Stunde später – nach weiteren vier Bechern Rum – erschien die rote Dolores auf der Bildfläche. Lilian und Teta-Maria hatten sich unterdessen auf den Schößen neuer Freier niedergelassen. Auch nach Dolores wurde gegriffen und gerufen, aber Cariba war schneller als alle anderen.

      Er schob sich neben sie und sagte: „Ein Goldstückchen für ein paar Stunden Spaß – was hältst du davon?“

      Sie stemmte die Hände in die Seiten und musterte ihn ungeniert von oben bis unten. Sie war schlank, aber wohlproportioniert und mußte als junges Mädchen einmal sehr hübsch gewesen sein. Das Metier hatte ihre Züge verhärtet und ihrer Stimme einen rauhen Beiklang gegeben. Dennoch war Cariba von ihr fasziniert. Er griff nach ihrem Arm und zog sie zu sich heran. Ihre roten Löckchen wippten, ihr rüschenbesetztes, tief ausgeschnittenes Kleid verrutschte ein bißchen.

      „He!“ rief sie. „Bist du übergeschnappt? Noch sind wir uns nicht einig, du Grobian!“

      Er zeigte ihr das Goldstück. „Sind wir’s jetzt?“

      Sie seufzte, sah sich die Münze an und ließ sie in ihrem Ausschnitt verschwinden. Mit dem Daumen wies sie über die Schulter zu den Hinterzimmern. „Na gut, Amigo, laß uns reisen. Und vergiß nicht, was zu trinken mitzunehmen.“

      „Rum? Von dem guten?“

      „Gegen Rum habe ich nichts einzuwenden“, erwiderte Dolores und gab Alvaro einen Wink. Im stillen aber fragte sie sich, wann sie sich eines Tages endlich zur Ruhe setzen und nach Spanien, in ihre Heimat Andalusien, zurückkehren konnte. Vielleicht nie. Vielleicht war diese Hoffnung nur eine Illusion.

      Sie lachte grell und folgte Cariba in das Hinterzimmer.

      Später, nach dem Intermezzo mit Dolores, ließ sich Cariba an einem der Tische nieder. Er wollte noch nicht aufbrechen. Die Black Queen und Caligula erwarteten ihn erst im Laufe des nächsten Tages zurück. Er konnte also bedenkenlos weiterzechen.

      Er trank den scharfen, brennenden Rum wie Wasser und fühlte sich auch nach dem zwanzigsten Becher noch nicht benebelt. Mit ausdruckslosen Gesicht verfolgte er das Treiben in der Kneipe. Es waren wieder Männer eingetroffen, und einer von ihnen, ein bulliger Mann mit einem winzigen Ring im linken Ohrläppchen, gab damit an, daß er gerade aus Havanna käme.

      Die anderen umringten ihn, dann setzten sie sich zu ihm an einen der großen Tische.

      „Ja, Havanna“, sagte der Bullige. „Das ist ein Hafen! Dort ist Leben! Man hat das Gefühl, in Cadiz oder Malaga zu sein!“

      „Ist denn immer noch Don Antonio da, der fette Gouverneur?“ fragte einer der anderen Kerle. „Ich bin vor ein paar Jahren in Havanna gewesen und habe ihn mal zufällig von weitem gesehen. Er ist die dickste Ratte, der ich je begegnet bin.“

      Die Kerle lachten, und der Bullige hieb sich mit der flachen Hand auf den Oberschenkel. „Don Antonio? Natürlich! Oder hat sich auf Kuba deiner Meinung nach was geändert? Ho, den Burschen stößt keiner von seinem Thron! Leben und leben lassen, ist sein Grundsatz!“

      „Die Hauptsache für ihn ist, daß die Kasse stimmt“, sagte ein dunkelhaariger Mann mit tiefliegenden Augen und einem sichelförmigen Schnauzbart. „Er nimmt, was er kriegen kann, stopft sich die Taschen mit Gold und Silber voll und feiert rauschende Feste.“

      „Das stimmt“, bestätigte der Bullige. „Erst kürzlich hat wieder so eine Orgie in der Residenz stattgefunden. Ich habe die tollsten Sachen darüber gehört.“

      „Berichte!“ rief Lilian schrill. „Was treiben die feinen Herren denn so mit ihren hochwohlgeborenen Damen?“

      Der Bullige – er hieß Atos, wie sich wenig später für Cariba herausstellte – erzählte die wildesten Geschichten, die ihm einfielen, aber natürlich war er ja nicht selbst dabeigewesen und konnte deshalb allenfalls Seemannsgarn spinnen. Dann aber sprach er über etwas, was Cariba unwillkürlich aufhorchen ließ.

      „Es könnte jetzt aber doch Ärger für Don Antonio geben“, sagte er. „Da ist nämlich ein ganz neues Gesicht in Havanna aufgetaucht. Ein Don Juan – ja, so heißt er, glaube ich – ist extra aus Spanien nach Kuba gereist, um von hier Piraten zu jagen.“

      Unruhe entstand. Die Kerle riefen durcheinander.

      „Das bringt uns Ärger!“ schrie der mit dem sichelförmigen Schnauzbart.

      „Der Teufel soll diesen Don Juan holen!“

      „Was hat denn Don Antonio mit ihm zu tun?“

      Atos trank seinen Becher leer, knallte ihn auf den Tisch und hob beide Hände. „Wenn ihr mich ausreden laßt, sage ich es euch!“

      Es