Название | Seewölfe Paket 13 |
---|---|
Автор произведения | Roy Palmer |
Жанр | Языкознание |
Серия | Seewölfe - Piraten der Weltmeere |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783954395026 |
Der Kutscher holte eine Kerze aus Bienenwachs, die nicht so stark rußte und mit gleichbleibender ruhiger Flamme brannte.
In der Messe, dem Aufenthaltsraum bei kaltem oder schlechtem Wetter, den Ferris Tucker gebaut hatte, wurde die Kerze auf die Back gestellt. Die Karte nahm der Kutscher in die Hand, und dann begann das geheimnisvolle Ritual.
„Tretet mal etwas zurück, damit euer Atem nicht immer die Flamme flakkern läßt“, sagte der Kutscher und war erstaunt, daß die Kerle sofort artig und ohne zu murren gehorchten.
Dann hielt er die Flamme ganz vorsichtig an die Karte, ließ aber gut zwei Handbreiten Abstand zwischen Flamme und Papier.
Die anderen standen neugierig und erwartungsvoll herum.
„Da bin ich aber gespannt“, sagte Ferris Tucker, „ob das nicht nur irgendwelche Possen sind. So richtig bin ich davon noch nicht überzeugt. Man sieht ja noch gar nichts.“
„Wart’s ab!“ riet der Kutscher. „Das muß alles schön langsam und ohne große Aufregung erledigt werden, sonst geht nur noch etwas dabei kaputt. Es dauert noch ein Weilchen.“
Immer wieder schwenkte er das Papier vorsichtig über die Flamme. Dann nahm er die Kerze in die Hand und fuhr vorsichtig an den Rändern entlang.
Nach einer Weile begann auch Hasard an dem Erfolg zu zweifeln, und sein Blick wurde immer skeptischer.
„Da tut sich nichts, aber rein gar nichts“, bemerkte Dan. „Du hast dich vielleicht doch geirrt, Kutscher.“
Der Kutscher gab keine Antwort. Mit zusammengekniffenen Augen musterte er das Papier, das sich immer noch nicht veränderte.
Neben ihm hatte Big Old Shane die mächtigen Arme auf der Brust verschränkt. Auch in seinem Blick lag Neugier, und er zuckte zusammen, als der Kutscher plötzlich „Aha!“ ausrief.
In den unmöglichsten Positionen standen die meisten da. Dan verrenkte sich fast den Hals und schielte halb unter der Back hervor nach oben. Tucker blickte dem Kutscher über die Schulter, und der Profos Edwin Carberry blickte mißtrauisch mal auf die Kerzenflamme, dann wieder über das Papier.
„Verseng bloß die Karte nicht“, glaubte er bemerken zu müssen. „Wir haben nur die eine!“
Der Blick, den der Kutscher Ed aus blauen Augen zuwarf, ging dem Profos durch und durch. Da lag alle Überlegenheit dieser Welt drin, und dieser Blick drückte zumindest Rübenschwein, Kanalratte und triefäugige Kakerlake aus, wenn Carberry das richtig deutete, und so zog er leicht beschämt das Genick ein, getroffen von der überlegenen Würde, die der Kutscher ausstrahlte.
„Es klappt!“ rief er und drehte die Karte um, damit alle sehen konnten, was passiert war.
Ein bewunderndes Raunen ging durch die Reihe. Hasard beugte sich vor und sah sich die Karte an.
An den Rändern traten die braunen Linien scharf und klar zutage, zur Mitte hin wurden sie erkennbar, waren aber noch nicht deutlich genug zu sehen.
Jetzt ging das Rätselraten los, um welche Küste es sich wohl handeln mochte, und die Meinungen gingen weit auseinander.
Dan O’Flynn, der die Seekarten immer vervollständigt hatte und gut darüber Bescheid wußte, schüttelte den Kopf.
„Wir sind da jedenfalls noch nicht gewesen“, sagte er bestimmt. „Aber wir könnten sie noch einmal mit den spanischen Roteiros vergleichen. Mich irritiert dieser Wasserstreifen, der so aussieht, als beginne er erst weit hinter dem Festland.“
Hasard starrte die Karte an. Immer mehr Linien wurden sichtbar, immer schärfer zeichneten sich die Konturen ab. Seine Lippen wurden schmal, sein Blick immer nachdenklicher, und er konnte es kaum erwarten das Gesamtbild zu sehen.
Das Papier wölbte sich leicht und begann an einigen Stellen gelblich zu werden, und der Kutscher ging mit der Flamme immer behutsamer um, bis er die Kerze wegstellte und die Karte auf der Back ausbreitete.
Ein paar Lidschläge lang brachte keiner einen Ton heraus. Alle starrten gebannt auf die Karte, die ihr Geheimnis jetzt zu einem großen Teil preisgegeben hatte. Die Zeichnungen ließen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Es blieb nur noch die Frage offen, um welches Land es sich handelte. Das war allerdings fast unmöglich, es genau zu bezeichnen.
„Hier sind Kanäle eingezeichnet, das ist einwandfrei zu erkennen“, sagte der Seewolf heiser. „Diese Kanäle durchziehen ein unbekanntes Land, und einer von ihnen führt in diesen Wasserstreifen, wie Dan ihn bezeichnet hat. Männer, ich werde das Gefühl nicht los, daß wir vor einer phantastischen Entdeckung stehen.“
Ja, so sah es fast aus, und jetzt strengte sich jeder an, auch das letzte Rätsel noch zu lösen. Doch die Karte gab ihr letztes Geheimnis noch nicht preis, obwohl die Seewölfe danach fieberten.
Hasard spürte deutlich, daß sie etwas außerordentlich Wichtiges entdeckt hatten. Vielleicht einen neuen Seeweg?
Nein, dachte er enttäuscht, als er die Linie immer weiter verfolgte. Sie ging in einen See über, aber aus diesem See wanderte sie wieder heraus und mündete schließlich in diesem geheimnisvollen Gewässer.
„Das scheinen Handelswege zu sein“, sagte er. „Man hat ein paar Flüsse durch Kanäle miteinander verbunden, weitere Kanäle in einen See geleitet, von dem aus es dann wieder weiterging. Diese Karte läßt mir keine Ruhe. Wir müssen unbedingt jemanden finden, der in der Lage ist, diese Schriftzeichen zu enträtseln. Das ist weder Persisch noch Türkisch, das ist etwas anderes. Hasard und Philip haben das auch noch nicht herausgefunden, sie haben lediglich ein paar Wörter erkannt.“
Die Aufregung legte sich keineswegs, und was ihnen am meisten zu raten aufgab, war der Maßstab der Karte. Auch ein paar ganz klein eingezeichnete Figuren blieben ein Rätsel. Niemand wußte, wer oder wen sie darstellten.
„Wenn es sich um einen Teil Ägyptens handelt“, sagte der Seewolf, „dann kriegen wir auch alles heraus, denn wir treffen bestimmt auf Sarazenen, die das wissen. Und eine fürstliche Belohnung wird die Erinnerung ganz schnell wieder auffrischen, davon bin ich überzeugt. Es wird nicht mehr lange dauern.“
Ein letzter langer Blick wurde auf die Karte geworfen, die ihnen allen soviel Kopfzerbrechen bereitete, ehe Hasard sie vorsichtig zusammenrollte.
Er schlug dem Kutscher mit der Hand anerkennend auf die Schulter.
„Du hast den größten Teil dieses Rätsels gelöst“, sagte er. „Ohne dich hätten wir mit der Karte nichts anfangen können.“
„Leider hilft uns das nicht viel weiter“, sagte der Kutscher bedauernd.
„Wir kriegen es heraus, verlaß dich darauf, Kutscher. Den Anfang haben wir, und ich gebe nicht eher Ruhe, bis ich alles weiß. Wir werden uns künftig ganz auf diese Karten konzentrieren, denn da scheint es nicht nur Schätze und seltsame Bauwerke zu geben, da gibt es auch neue Erkenntnisse, die uns helfen werden, unser Weltbild etwas mehr abzurunden. Und darauf bin ich gespannt, denn ich habe da eine ganz bestimmte Vermutung, über die ich jetzt aber noch nicht sprechen möchte, denn sie ist einfach zu phantastisch, und es ist, wie gesagt, leider auch nur eine Vermutung.“
„Vielleicht sollten wir alle vermuten“, meinte Ed. „Wenn du deine Vermutung preisgibst, Sir, dann kriegen wir ein Bild.“
Aber aus dem Seewolf war nichts herauszuholen. Hasard gab sich mit Vermutungen nicht zufrieden. Er würde erst dann reden, wenn er konkretere Ergebnisse hatte.
Danach ging jeder wieder seiner Beschäftigung nach, und Ferris Tukker reparierte die nun schon zweimal angeschlagenen Wasserfässer, denn bald würden sie die Insel erreichen.
Aber die Karte blieb dennoch Gesprächsthema eins an Bord der „Isabella“. Die tollsten Vermutungen wurden von den Seewölfen angestellt, denn jetzt ging das Rätselraten erst richtig los.
Jeder