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uns heute Abend treffen? Sagen wir um acht Uhr in Ettlingen im Bräu?“

      „Klar, können wir uns treffen. Was ist denn los? Wieso ...“

      „Nicht jetzt. Also bis dann“, unterbrach ich ihn und legte den Hörer auf. Noch einen Augenblick blieb ich auf meinem Schreibtischstuhl sitzen, dann überwand ich mich und stellte mich wieder Nielsen und der Situation.

      Am Vogelsang schwenkte Haken seinen Wagen in die Nebenstraße und hielt direkt vor dem Hauseingang. Mir war inzwischen ganz schön mulmig zumute, und ich hatte mir auf der Fahrt den Kopf zermartert, wo die Schlüssel geblieben waren und was um Himmels willen das bedeuten könnte. Ganz schlecht wurde mir bei dem Gedanken, dass alles mit dem Überfall in Stade zu tun hatte. Heute Morgen um neun war ich noch Herr des Verfahrens gewesen, jetzt fühlte ich mich ziemlich hilflos.

      In meinem Wohnzimmer bot ich den dreien einen Platz an.

      Als ich vor Monaten hier eingezogen war, hatte ich mich neu eingerichtet. Auf der linken Seite unter den beiden großen Fenstern mit schweren Vorhängen hatte ich eine schwarze, lederne Sitzgruppe mit zwei Sesseln und einer kleinen Couch aufgestellt, davor einen niedrigen, breiten Holztisch. Gegenüber hatte ich über die ganze Wandbreite eine schwarze Bücherwand aus kräftigen Regalböden mit nach hinten zur Wand hin offenen Fächern installiert. Im unteren Bereich waren halbhoch eine Stereoanlage und ein Fernseher integriert. Das ganze Regal war inzwischen mit Büchern gefüllt. Daneben in der Ecke ruhte ein großer, gemütlicher Holzsessel mit einer modernen Leselampe an seiner Seite.

      Nur Kommissar Haken folgte relativ entspannt meiner Aufforderung und setzte sich in einen der Ledersessel. Die beiden anderen blieben abweisend und steif in der Nähe der Tür stehen. Es herrschte eine unbehagliche Stille.

      „Der Safe ist sicher untergebracht in der Wand hinter dem Bücherregal, ganz unten, besonders geschützt durch die davor stehenden ,Neuen Juristischen Wochenschriften‘, für die sich keiner interessiert“, versuchte ich zu scherzen. Aber natürlich erfolgte darauf keine Reaktion.

      Ich nahm das Buch „Die Trüffel-Connection“ aus der obersten Reihe und holte den Schlüssel heraus, den ich zwischen den Seiten darin verborgen hatte, kniete mich vor das Regal und zog aus dem untersten Bord vier gebundene Ausgaben der „NJW“ heraus, wodurch die Klappe zum kleinen Safe sichtbar wurde.

      „Lassen Sie mich das machen“, meldete sich plötzlich Nielsen von hinten.

      „Jetzt aber mal halblang!“, gab ich zurück und schob den Schlüssel in das Schloss. Wie gewöhnlich klemmte es etwas, und ich musste hin und her rütteln, bis das Türchen aufsprang.

      Ich schob meine Hand in das Fach und zuckte zusammen.

      Ich bewahrte darin die Pistole eingewickelt in einem Ledertuch auf, daneben eine kleine Schachtel mit Patronen. Es passte kaum mehr hinein.

      Ich legte mich flach hin und prüfte noch einmal mit der Hand. Einen Augenblick blieb ich noch starr am Boden liegen. Ein jäher Schmerz fuhr mir plötzlich in den Kopf. Ich stützte mich am Regal ab, richtete mich auf und ließ mich dann in den großen Holzsessel daneben sinken, unfähig etwas zu sagen.

      Nielsen warf sich auf die Holzdielen, sah in das Fach und sprang wieder auf.

      „Na, jetzt wissen wir Bescheid“, wandte er sich an den Präsidenten. „Die Pistole von Dr. Knall ist nicht an ihrem Platz. Das sieht nicht besonders gut aus für den Herrn.“ Einen Augenblick zögerte er. „Ich bin gezwungen, sofort den zuständigen Staatsanwalt in Stade zu informieren. Tut mir leid“, sprach er von oben herab zu mir.

      Er zog sein Handy hervor und verließ den Raum.

      Kupfer und Haken sahen sich etwas ratlos an. „Könnte es sein, dass Sie die Pistole an einem anderen Ort haben?“, fragte der Kommissar mich schließlich. „Denken Sie mal scharf nach. Sie kommen in Teufels Küche, wenn die Waffe nicht bei Ihnen gefunden wird.“

      Immer noch brachte ich kein Wort heraus. Unvermittelt durchzuckte mich ein vager Gedanke.

      Ich sprang auf. „Natürlich!“ Ich packte Haken an beiden Oberarmen. „Das ist es! Na klar, es war also doch jemand in der Wohnung! Es war kein Traum!“

      Haken schob meine Hände weg und lehnte sich zurück. Die beiden sahen sich verblüfft an. Kupfer schüttelte schließlich seinen Kopf und blickte mich dann etwas mitleidig an.

      „Doch.“ Ich trat einen Schritt auf ihn zu. „Wirklich. Letzten Mittwoch, in der Nacht zu Donnerstag, war jemand bei mir in der Wohnung. Ich habe ihn gesehen.“

      „Jetzt reicht es mir aber, Herr Dr. Knall. Nehmen Sie sich zusammen und erzählen Sie uns hier keine Geschichten!“, herrschte der Präsident mich an und zu Nielsen gewandt, der in diesem Augenblick wieder den Raum betrat: „Herr Knall erzählt uns gerade, bei ihm sei letzte Mittwochnacht eingebrochen worden, und er habe sogar den Einbrecher gesehen.“

      Nielsen sah mich fassungslos an. „Das wird ja immer kurioser. Sie sind schon ein merkwürdiger Mensch.“ Er blickte kurz zu Kupfer und dann wieder zu mir. „Und auf welchem Revier haben Sie denn Anzeige erstattet?“ Und als ich schwieg. „Na, Sie waren doch natürlich bei der Polizei. Oder? Und warum haben Sie uns eigentlich nicht gleich vom Einbruch erzählt?“

      Ich sank wieder zurück in den Sessel. Ich war ziemlich fertig und im rechten Ohr hörte ich jetzt einen hohen Pfeifton. „Ich dachte, ich hätte geträumt“, murmelte ich. „Ich habe keine Anzeige erstattet.“

      „Mensch Knall, ich fasse es nicht“, fuhr Haken mich an. „Jetzt nehmen Sie sich mal zusammen und erzählen Sie keinen Unsinn. Die ganze Sache ist schon schlimm genug.“ Er stand auf, fasste mich an den Schultern und schüttelte mich.

      Nielsen beugte sich zu mir herunter und sprach mit lauter Stimme nur wenige Zentimeter vor meinem Gesicht: „Haben Sie irgendjemand von diesem Einbruch erzählt?“ Und als ich zögerte: „Na los, reden Sie schon!“

      „Ich habe im Gericht den Vorsitzenden des Schwurgerichtes, Herrn Anglerter, darauf angesprochen“, erwiderte ich zögerlich.

      „Na bestens, dann können wir ihn befragen. Er wird bestätigen, dass irgendetwas vor sich gegangen ist. Was auch immer ...“, und als ich weiter stumm blieb: „Oder?“

      „Ich habe nur angefangen, ihm etwas zu sagen“, ich brach wieder ab. „Er ist gleich weitergerannt und hat gerufen, du hast wohl geträumt. Ich kam nicht dazu, die Geschichte zu erzählen.“

      Ich riss mich zusammen. „Aber meine Freundin Felicitas kann alles bezeugen. Auch dass ich es tatsächlich für einen Traum gehalten habe.“

      „Und wo finden wir die Dame?“, fragte Nielsen mit spöttischer Stimme und einem vernichtenden Blick.

      „Sie ist in Spanien bei ihren Großeltern. Ich denke, man kann sie telefonisch erreichen“, gab ich zurück. „Rufen Sie an, wenn Sie mir nicht glauben!“

      „Jetzt nehmen Sie sich mal alle zusammen“, mahnte Präsident Kupfer. „Setzen Sie sich“, forderte er Nielsen und Haken auf und ließ sich in der Sitzgruppe nieder. Die beiden setzten sich ebenfalls. „Also Herr Dr. Knall, erzählen Sie bitte die ganze Geschichte.“

      Ich fing damit an, dass ich durch ein leises, knirschendes Geräusch aufgewacht war und die Bewegung an der geöffneten Tür wahrgenommen hatte. Ich konzentrierte mich sehr und versuchte, möglichst dramatisch, genau und anschaulich zu schildern, wie der schwarze Arm mit dem Lederhandschuh sich langsam in das Zimmer hineinstreckte und mir der Atem stockte. Als ich beschrieb, wie die Tür lautlos zugezogen wurde, schien mir, dass die drei anfingen, aufmerksam und gespannt zuzuhören. Bei meiner Rückkehraktion in das Zimmer, um die Pantoffeln zu holen, unterbrach Kupfer und drehte sich zu Haken und Nielsen.

      „Wahrscheinlich haben Sie bis jetzt auch gezweifelt. Aber nun, diese Variante der Geschichte ist ein ausgesprochenes Wahrheitssignal.“ Er stoppte einen Augenblick.

      Unwillkürlich stand er auf, um mit seinen Erläuterungen fortzufahren, trat einen Schritt zurück und sprach uns an, als habe er ein Auditorium vor sich.