Old Shatterhand, das bin ich. Frederik Hetmann

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Название Old Shatterhand, das bin ich
Автор произведения Frederik Hetmann
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783862871353



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Er hinterlässt einen Zettel, auf dem steht: »Ihr sollt nicht blutig arbeiten, ich gehe nach Spanien und hole Hülfe.« Er kommt in einem Tag bis Zwickau, wo er Verwandte aufsucht. Gerührt holt ihn der Vater dort wieder ab. »Der Weg betrug fünf Stunden. Wir sind in dieser Frist still nebeneinander hergegangen; er führte mich an der Hand. Nie habe ich deutlicher gefühlt, wie lieb er mich eigentlich hatte. Alles, was er vom Leben wünschte und hoffte, das konzentrierte er auf mich. Ich nahm mir heilig vor, ihn niemals wieder solches Leid, wie das heutige, an mir erleben zu lassen. Und er? Was mochten das wohl für Gedanken sein, die jetzt in ihm erklangen? Er sagte nichts. Als wir nach Hause kamen, mußt ich mich niederlegen. [...] Von meinem Ausflug nach Spanien wurde nie ein Wort gesprochen.« (ebenda, S. 98)

      Zu Ostern wird Karl konfirmiert. Er träumt davon, Arzt zu werden. Ärzte werden in seinen Geschichten eine wichtige Rolle spielen: Kara Ben Nemsi wird in Kairo im Harem als Arzt tätig werden. Aber Arzt, das ist zu hoch gegriffen. Begabung und gute Zeugnisse sind nicht ausreichend. Der für Söhne aus armer Familie gerade noch erreichbare Beruf in der Gruppe der »Studierten« ist der des Volksschullehrers. Auch diesen Berufsweg kann Karl May nur einschlagen, weil der Kirchenpatron, der Graf von Hinterglauchau, den Jungen, der nun auf das Lehrerseminar nach Waldenburg kommen soll, mit jährlich 20 Talern zu unterstützen verspricht.

       II. Einer soll Lehrer werden

       »Warum gibt es so viele Verlorene?

       Sie müssen verloren gehen, weil man ihnen schon den ersten, kleinen Fehltritt nicht verzeiht.«

      Karl May, Im Reiche des Silbernen Löwen IV

      Im September 1856 besteht Karl May die Aufnahmeprüfung zum Lehrerseminar. Er ist an seiner neuen Ausbildungsstätte alles andere als zufrieden. Die Atmosphäre an der Lehrerbildungsanstalt ist pedantisch nüchtern und reaktionär. In der Demokratiebewegung des Jahres 1848 waren viele Lehrer engagierte Demokraten. Dem versucht man entgegenzusteuern. Eine bessere Bildung der unteren Volksschichten soll verhindert, demokratische Umtriebe und liberale Ideen schon im Ansatz unterbunden werden. Derlei Grundsätze gelten nicht nur für Preußen, sondern auch im Königreich Sachsen. »Restaurative Einstellung, systemtreue Frömmigkeit und staatserhaltende Anpassung wurden folglich goutiert und gefördert«, schreibt Wohlgschaft.13

      Mays Kritik ist unpolitisch, er murrt vor allem über die Art und Weise, in der religiöse Fragen am Seminar behandelt werden, und Theologie und Religionsunterricht nehmen im Lehrplan einen breiten Raum ein. In der Haus- und Lebensordnung für das Schullehrer-Seminar in Waldenburg heißt es dazu: »Der Seminarzögling soll, eingedenk des von ihm gewählten Berufes, wie zu allen Zeiten, so auch während der Dauer seines Aufenthalts im Seminar, eines christlichen frommen Sinns sich befleißigen. Dieser Sinn wird sich kundgeben in andächtiger Theilnahme an den täglichen Hausandachten und am öffentlichen Gottesdienste, in würdiger Begehung der Abendmahlsfeier, in Vermeidung alles Sittlich-Unlauteren, in Gedanken, Worten und Handlungen, in Gehorsam gegen die Lehrer, in pünktlicher Befolgung der Anstaltsordnungen, in einem verträglichen, milden und gefälligen Verhalten gegen die Mitschüler, in einem bescheidenen, anspruchslosen und aufmerksamen Betragen gegen die übrigen Hausbewohner und gegen Fremde.«

      Der Tageslauf scheint frei nach dem englischen Sprichwort »Early to bed and early to rise, make a man healthy, wealthy and wise« festgelegt worden zu sein. Man stelle sich die Reaktion eines heutigen Schülers oder Studenten vor, dem man Folgendes vorschreiben würde:

      »§ 9 [...] Im Seminar wird an den Wochentagen um früh ½ 5, im Winter um 5, sonntags im Sommer um 5, im Winter um 6 Uhr aufgestanden. Nach der Abendandacht hat sich jeder Zögling bis ¾ 10 Uhr zu Bett zu begeben.

      § 10. Der Seminarist hat nach dem Aufstehen sein Bett zu machen, sich zu waschen, die Zähne zu reinigen, die Haare zu kämmen und sich vollständig anzukleiden. In den Früh- und Abendstunden des Winters dürfen warme Schuhe und ein schlafrockähnliches Oberkleid getragen werden; zu jeder anderen Zeit muss der Zögling mit Stiefeln oder Lederschuhen und mit Rock und Jacke, bei der Frühandacht am Sonntag mit Sonntagskleidern angethan sein.

      § 11. Das Schuhwerk und die Alltagskleider werden gleich nach dem ersten Frühstück, die Kleider und Stiefel für den Sonntag während der frühen Nachmittagsstunden des Sonnabends gereinigt. Reinigungsort ist im Sommer der Hof, im Winter der untere Hausflur.

      § 12. Im Sommer wird einige Mal in der Woche an einem sicheren Orte des Muldeflusses gebadet. Der die Tagesinspection führende Seminarleiter oder ein Hülfslehrer begleitet die Zöglinge. Im Winter wird von Zeit zu Zeit eine Hauptreinigung des Körpers in einem dafür eingerichteten Zimmer vorgenommen. Die hierfür zu beobachtende Ordnung wird vom Director näher bestimmt.«

      Insbesondere der »hölzern pedantische« Ton, in dem diese Bestimmungen abgefasst sind, gibt einen Eindruck davon, wie autoritär der Alltag im Lehrerseminar reglementiert war. Mir fallen dazu Heinrich Heines Verse aus Deutschland, ein Wintermärchen ein, die da lauten:

      »Noch immer das hölzern pedantische Volk,

      Noch immer der rechte Winkel,

      In jeder Bewegung im Gesicht

      Der eingefrorene Dünkel.

      Sie stelzen noch immer so steif herum,

      So kerzengerade geschniegelt,

      Als hätten sie verschluckt den Stock,

      Womit man sie einst geprügelt ...«14

      Dies ist eine Beschreibung von Soldaten des preußischen Militärs 1844. Das Seminar muss eine gute Vorschule für den Militärdienst gewesen sein:

      »§ 39. Des Sonntags darf der Seminarist außer der Stadt befindliche anständige Wirtschaften besuchen und sich hier Bier und Milch zu seiner Erquickung reichen lassen. Der Genuss spirituöser Getränke ist, sowie Kartenspiel und Kegelspiel um Geld, verboten. An den Wochentagen darf keine Wirthschaft besucht werden.«15

      Karl May selbst erlebte den Alltag im Seminar so: »Es gab täglich Morgen- und Abendandachten, an denen jeder Schüler unweigerlich teilnehmen mußte. Das war ganz wichtig. Wir wurden sonn- und feiertäglich in corpore in die Kirche geführt. Das war ebenso richtig. Es gab außerdem bestimmte Feierlichkeiten für Missions- und ähnliche Zwecke. Auch das war gut und zweckentsprechend. Und es gab für sämtliche Seminarklassen einen wohldurchdachten, sehr reichlich ausfallenden Unterricht in Religions-, Bibel- und Gesangbuchlehre. Das war selbstverständlich. Aber es gab bei alledem Eines nicht, nämlich gerade das, was in allen religiösen Fragen die Hauptsache ist, nämlich es gab keine Liebe, keine Milde, keine Demut, keine Versöhnlichkeit. [...] Es fehlte ihm [dem Unterricht] jede Spur von Poesie. Anstatt zu beglücken, zu begeistern, stieß er ab. Die Religionsstunden waren diejenigen Stunden, für welche man sich am allerwenigsten zu erwärmen vermochte.« (Leben und Streben, S. 94

      Bezeichnend für die Atmosphäre im Seminar sind die Umstände, unter welchen 1858 zwei Seminaristen ausgeschlossen werden. Sie sollen angeblich ein rüdes Wesen an den Tag gelegt haben, wozu unter anderem gehört hat, dass sich der eine einigen Schulmädchen »unsittlich genähert« habe, was immer darunter verstanden worden sein mag. Bei diesem Delikt bleibt nach hochpeinlicher Untersuchung fraglich, ob es überhaupt stattgefunden hat. Das ändert nichts an der Einschätzung, der Seminarist eigne sich nicht für den Lehrerberuf. Es bleibt bei dem Ausschluss aus dem Seminar.

      In ebendiesem Jahr 1858 erlebt May eine schwere Enttäuschung. Er hat sich in die gleichaltrige Anna Preßler, ein Mädchen aus der Nachbarschaft, verliebt. Für sie hat er schwärmerische Gedichte geschrieben und noch Jahre später wird ihn die literarische Verarbeitung dieses Ereignisses beschäftigen.16 Anna, die ihm offenbar zunächst Hoffnungen gemacht hat, gibt dann jedoch dem Schnittwarenkrämer Carl Hermann ihr Jawort. Der ist die bessere Partie.

      Bei seinen Mitschülern ist Karl May offenbar nicht sehr beliebt. Sie belächeln ihn und nehmen ihn nicht für voll. Er hat keine Freunde.

      Schon in den Jahren auf dem Lehrerseminar scheint May geschrieben, aber auch