Название | Reisen im Sudan |
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Автор произведения | Alfred Edmund Brehm |
Жанр | Книги о Путешествиях |
Серия | Edition Erdmann |
Издательство | Книги о Путешествиях |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783843802901 |
Mohammed-Ali, so hat man gesagt, schöpfte seine Auffassung von der Mission des Herrschers aus der Theorie der Staatsräson Machiavellis. Er hat sich in der Tat den Principe ins Türkische übersetzen und vorlesen lassen, aber man sollte dabei nicht übersehen, dass er ein orientalischer Herrscher eigenen Formats war. Er verkörperte ein zentralistisches Herrschaftssystem mit allen Vorzügen und Schwächen, wie es dem Orient von jeher unter großen Herrschern eignet. Detailkenntnis und kluges Ermessen, aber auch Ungeduld und Willkür bestimmen viele seiner Entscheidungen, es kann nicht überraschen, dass die Leistungsfähigkeit seiner Untertanen darunter litt, dass trotz hoher Steuern der Staatshaushalt ein zunehmend bedenkliches Defizit aufwies.
Einige dieser Faktoren waren für die Eroberung des Sudan, diesen letzten Ausläufer osmanischer Expansion, bestimmend. Wenngleich in der großen Szenerie nur ein Nebenschauplatz, bewirkt diese einzige nichteuropäische koloniale Eroberung in Afrika, dass der Sudan ins Licht der modernen Geschichte tritt.
Die Erinnerung daran war, als Brehm den Sudan betritt, noch frisch, die erlittenen Schrecknisse und Gräuel in der Bevölkerung noch unvergessen. Brehm selbst ist den Ereignissen auf Schritt und Tritt begegnet.
Man hat viel über die Motive zur Eroberung des Sudan gerätselt. Sie sind komplexer Natur. Allem voran steht das enorme Macht- und Geldbedürfnis des Paschas. Als Privatmann war er sparsam, sein persönlicher Aufwand konnte sich mit dem seines Nachfolgers, des Khediven Ismael, nicht messen, seine Verwaltung war vernünftig, aber sein Ehrgeiz, sein politisches Engagement verleiteten ihn zu hohen Ausgaben. 1811 hatte er 20.000 Mann unter Waffen, später waren es 100.000, eine hohe Belastung für ein Land wie Ägypten. Neben dem Problem, die albanischen und türkischen Truppen nach Beendigung des Wahhabiten-Feldzuges zu beschäftigen, hat sicherlich auch das Motiv, den Mamelukken, die sich seit 1811 in Dongola festgesetzt und einige der nördlichen Scheikïe-Stämme unterworfen hatten, endgültig den Garaus zu machen, eine Rolle gespielt. Möglicherweise besaß Mohammed-Ali die Vision von der Einheit des Niltals, eine politische Idee, die vornehmlich in der arabischen Literatur des 20. Jahrhunderts hervorgehoben wird. Der Nil wurde ein ägyptischer Fluss vom Delta bis zu den geheimnisumwitterten Bergen Zentralafrikas, in denen man seinen Ursprung vermutete.
Für die Erweiterung der Grenzen Ägyptens nach Süden war der Besitz der angeblichen sagenhaften Reichtümer des Sudan bestimmend. Der gesamte Handel Nubiens und des Sudan wickelte sich damals über Ägypten ab. Große Karawanen erreichten jährlich Siut und Assuan. Sie brachten Elfenbein und Straußenfedern, Gummiarabicum aus den Akazien Kordofans, ganze Herden von Kamelen, Pferde aus Dongola, Rinder, Esel, Rhinozeros- und Nilpferdleder, Kupfer aus Hofrat En Nahas in Darfur, Baumwollstoffe aus Sennar; aber die Reichtümer par excellence waren Gold und Sklaven – Gold aus den Gebirgen des Roten Meeres und aus Fazoghl am Fuße des abessinischen Bergmassivs, Sklaven aus den unerschlossenen Weiten Zentralafrikas.
Man hoffte auf Sklaven und Gold. Immer wieder befiehlt der Vizekönig während des Feldzuges seinen Söhnen, mehr Sklaven heranzuschaffen. Das unausgeschöpfte Sklavenreservoir der nilotischen Länder am oberen Nil sollte die durch die ständigen Kriege Mohammed-Alis entstandenen Lücken füllen. Gut disziplinierte Negerbataillons haben später die besten regulären Truppen Ägyptens gestellt – berühmt wurde das sudanesische Kontingent, das 1864 unter Bazaine in Mexiko für die Sache Kaiser Maximilians kämpfte. Sklavenarbeit blieb auch für die zahllosen industriellen und gewerblichen Unternehmen Mohammed-Alis unerlässlich; er hatte eingesehen, dass es vorteilhafter war, den ägyptischen Fellachen tunlichst auf seiner Scholle zu belassen.
Die Machtverhältnisse im Sudan luden einen weitsichtigen und ehrgeizigen Eroberer nachgeradezu ein. Seit den Tagen Sultan Selims I., dessen Truppen die Fung 1520 in der Schlacht bei Hannak schlugen, hatte das obere Niltal keine Eroberer mehr gesehen. Unternubien zwischen Assuan und Wadi Haifa, wo heute auch die ägyptisch-sudanesische Grenze verläuft, war osmanisches Einflussgebiet. Bis zur Insel Say erstreckten sich türkische Garnisonen. Um 1815 wurde nun die gelockerte Souveränität Ägyptens erneuert.
Zwischen dem 3. und 6. Katarakt erstreckte sich das Gebiet der Scheikïe-Stämme, einer losen Föderation unabhängiger Nomaden unter der nominellen Oberhoheit des Fungkönigtums in Sennar. Mit der Ankunft der Mamelukken in Dongola verminderte sich ihr Einfluss, militärisch wie politisch stellten sie keine Macht dar, mit der die Ägypter rechnen mussten. Südlich schloss sich das alte Fungkönigreich von Sennar an. Die Fung lebten an den Ufern des Blauen Nils und im Gebiet der heutigen Gezira, begrenzt durch den Weißen Nil. Um 1820 erstreckte sich die Autorität des Königs von Sennar nominell noch bis Berber im Norden, im Westen bis nach Kordofan, im Osten bis an das Rote Meer; doch das gesamte Gebiet kannte mit dem zunehmenden Zerfall des Fung-Reiches keine Herrschaft mehr, sondern lebte in stammesmäßiger Zersplitterung. Nicht nur lag das Sultanat von Sennar in den letzten Zügen seiner staatlichen Existenz, auch das im Westen gelegene alte islamische Königreich Darfur, mit der Sekundogeniturherrschaft Kordofan, befand sich in der nahezu vierzig Jahre währenden Herrschaft Sultan Mohammed Fadls in einer Periode des Niedergangs.
In Kairo war man über die Verhältnisse durch Spione und Stammesführer, die den Anschluss im Norden suchten, wohlunterrichtet. Mohammed-Alis Strategie war einfach. Im Sommer 1820 setzte er zwei Armeen in Marsch, die eine, 5.000 Mann unter dem Kommando seines Sohnes Ismael, sollte Sennar erobern, die zweite, 3.000 Mann stark, marschierte unter dem Defterdar, seinem Schwiegersohn, auf Darfur. Entlang der uralten Wasser- und Handelsstraße des Nil zogen mächtige Heeressäulen von Fußvolk, Arnauten und irreguläre Beduinen sowie ein Detachment Artillerie unter Leitung eines Amerikaners aus Massachusetts; die Herrscher einiger Nubierstämme lieferten weitere Zuzüge und die nötigen Führer. Die in Dongola verbliebenen Mamelukken flüchteten ohne Widerstand, die Stämme der Scheikïe erlagen in zwei Feldschlachten, ein anderer Teil unterwarf sich. Bei Meroe überschritt die ägyptische Armee den Nil, durchquerte die Bayudasteppe und erreichte den Fluss wieder Anfang März 1821 bei Berber. Der Scheich der Jaliin-Stämme, Nimr, ergab sich, Berber, Schendi, Halfaya fielen den Ägyptern zu. Am 14. Mai erreichte die Armee den Zusammenfluss des Blauen und Weißen Nils; 1823 sollte hier aus wenigen armseligen Fischerhütten die neue Hauptstadt Khartum entstehen.
Am 14. Juni 1821 übergab der letzte König der Fung seine Hauptstadt Sennar kampflos den Ägyptern. Ende August erreichte Ibrahim Pascha mit Verstärkungen die durch das unerbittliche Klima und Seuchen geschwächten Truppen Ismaels. Die Eroberung wurde zwar vollendet, der Ertrag an Sklaven und Gold blieb jedoch weit hinter den Erwartungen zurück. Mittlerweile war Mohammed Bei Khusraw der Defterdar in Kordofan eingefallen. Er schlug den Statthalter Musallim und annektierte die Provinz, der griechische Aufstand 1822 und die weitere Entwicklung im Sudan machten die weitere Eroberung Darfurs unmöglich.
Nach Ibrahim kehrte im Oktober 1822 auch Ismael nach Norden zurück. Als er in Schendi eine übermäßige Kontribution an Gold und Sklaven von Mek Nimr verlangte, wurde in der darauffolgenden Nacht sein Quartier angezündet und Ismael kam mit seinem Gefolge in den Flammen um. Sofort brach im gesamten Sudan der Aufstand gegen die ägyptische Herrschaft los. Nur wenige Garnisonen hielten sich, bis es dem Defterdar, der aus Kordofan mit den intakten Kontingenten herbeieilte, gelang, die bis 1824 währende Revolte mit harter Hand zu unterdrücken. Die folgende Schreckenszeit, in der ganze Städte verbrannt und die Bevölkerung in die ägyptische Sklaverei geführt wurde, war noch in aller Gedächtnis, als Brehm fünfundzwanzig Jahre später den Sudan besuchte. Manche Orte, wie der alte Handelsplatz Schendi, das seine Bedeutung an Khartum verlor, haben sich nie mehr davon erholt.
Die Gründe der Revolte liegen außer im Widerstand gegen die Fremdherrschaft vor allem in der Einführung des ägyptischen Steuersystems. Die koptischen Finanzintendanten taxierten unbarmherzig das entlegenste Dorf, selbst die Wasserschöpfräder der Bauern am Nil wurden besteuert. Die Bevölkerung flüchtete in das unzugängliche abessinische Bergland. Entvölkerung und Verödung erschütterten das Gleichgewicht der Stämme. Der Aufstand – ohne Führer und Zielsetzung – brach zusammen. Er kostete rund hunderttausend Tote; es sollten 60 Jahre vergehen, bis es dem religiösen Charisma des Mahdi gelang, den Sudan erfolgreich gegen die Fremdherrschaft zu einen.
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