Reisen und Entdeckungen im südlichen Afrika. David Livingstone

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Название Reisen und Entdeckungen im südlichen Afrika
Автор произведения David Livingstone
Жанр Книги о Путешествиях
Серия Edition Erdmann
Издательство Книги о Путешествиях
Год выпуска 0
isbn 9783843803137



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zu Boden gedrückt, müssen ersticken, und oft gewahrt man, wie bei ihren letzten Versuchen, sich aufzuraffen, die ganze Masse auf- und niederwogt.

       Der Hopo oder die große Falle zum Fangen des Wildes

      Die Bakuena erlegten häufig in einer Woche sechzig bis siebzig Stück großes Wild in ihren verschiedenen Hopos; und da jedermann, Arme wie Reiche, an der Jagdbeute seinen Anteil hatte, so beseitigte das Fleisch die schlimmen Folgen einer ausschließlichen Pflanzenkost. Wenn die Armen, die kein Salz hatten, nur von Wurzeln leben mussten, so wurden sie oft von schlechter Verdauung geplagt. Wir hatten häufig Gelegenheit, auch zu anderen Zeiten derartige Krankheitsfälle zu beobachten, denn die ganze Gegend hatte kein Salz, und daher konnten nur die Reichen sich solches kaufen. Die eingeborenen Ärzte kannten die Ursache der Krankheit sehr gut und verordneten daher unter ihren Heilmitteln immer auch Salz. Da aber die Doktoren selber kein Salz hatten, so wandten sich die Armen an uns um Hilfe in derartigen Fällen. Wir machten uns den Wink zunutze und heilten fortan die Krankheit dadurch, dass wir nur einen Teelöffel voll Kochsalz ohne alle anderen Arzneien reichten.

      Ein anderer ungünstiger Einfluss, mit welchem die Mission zu kämpfen hatte, war die Nachbarschaft der Boers von den Caschan-Bergen, die auch unter dem Namen »Magaliesberg« bekannt sind. Man darf diese durchaus nicht mit den Kapkolonisten verwechseln, welche man zuweilen ebenfalls mit diesem Namen bezeichnet. Das Wort Boer bedeutet einfach das deutsche »Bauer«, jedoch in seiner weitesten Bedeutung als einer, der den Boden bebaut, ein Landwirt. Die Boers aber sind nicht mit dem nüchternen, fleißigen und höchst gastlichen Bauernstand des Kaplandes zu verwechseln. Die freien Boers, welche hier gemeint sind, bilden leider einen hiervon ganz verschiedenen Menschenschlag. Sie bestehen aus Leuten, welche sich aus allerhand Gründen dem Bereich der englischen Gesetze entzogen, und denen sich englische Deserteure und allerhand schlechtes Gesindel in ihren fernen Wohnplätzen beigesellt haben. Der große Vorwurf, welchen viele Boers gegen das englische Gesetz erhoben haben und noch erheben, ist der, dass es keinen Unterschied zwischen Schwarzen und Weißen mache. Sie fühlten sich beeinträchtigt durch die angeblich schweren Verluste, welche sie bei der Emanzipation ihrer hottentottischen Sklaven erlitten haben, und beschlossen für sich selber die Gründung eines Freistaats, worin sie ohne Belästigung die »geeignete Behandlung der Schwarzen« forttreiben könnten. Ich brauche wohl kaum hinzuzusetzen, dass die »geeignete Behandlung« immer das wesentlichste Element der Sklaverei, nämlich die gezwungene unbezahlte Arbeit in sich begriff.

       Die Grube am Ende des Hopo

      Eine Abteilung dieses Menschenschlages war unter der Anführung des verstorbenen Hendrik Potgeiter bis zu den Caschan-Bergen in das Innere eingedrungen und hatte sich in einer Landschaft niedergelassen, aus welcher ein Häuptling der Zulu-Kaffern, namens Mosilikatze, durch den bekannten Kaffer Dingaan vertrieben worden war; und die Stämme der Betschuanen, die soeben dem harten Druck der Herrschaft dieses grausamen Häuptlings entronnen waren, begrüßten die Weißen mit fröhlichem Willkommen. Sie kamen zwar, wie sie sagten, als Weiße und Befreier; allein die Betschuanen fanden bald, »dass Mosilikatze grausam war gegen seine Feinde und freundlich gegen diejenigen, welche er sich unterwarf; dass aber die Boers ihre Feinde erschlugen und ihre Freunde zu Sklaven machten«. Die Stämme behalten nämlich zwar den Schein von Unabhängigkeit, müssen aber alle Feldarbeiten für die Boers zwangsweise verrichten, sie müssen düngen, jäten, ernten, Häuser, Dämme und Kanäle bauen und gleichzeitig noch für ihren eigenen Unterhalt Sorge tragen. Ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen, wie Boers in ein Dorf kamen und nach ihrer gewohnten Weise zwanzig bis dreißig Weiber verlangten, die ihre Gärten jäten sollten; ich habe es gesehen, wie diese Weiber sich mit ihren Nahrungsmitteln auf dem Kopf, ihren Kindern auf dem Rücken und den Feldbau-Gerätschaften auf der Schulter, nach dem Schauplatz der unvergüteten harten Arbeit begaben. Es fällt den Boers gar nicht ein, ein Hehl aus der Gemeinheit zu machen, mit welcher sie sich auf diese Art unbezahlter Arbeit bedienen; im Gegenteil lobt jeder von ihnen, vor allen Potgeiter und Gert Krieger, die Anführer, selbst seine eigene Menschlichkeit und Gerechtigkeit, womit er eine solch unparteiische und billige Anordnung trifft: »Wir lassen die Leute für uns arbeiten, zum Ersatz dafür, dass wir ihnen erlauben, in unserem Land zu wohnen.«

      Jene neue Art von Sklaverei haben sie aber nur deshalb eingeführt, um auf diese Weise die Feldarbeiten besorgen zu lassen. Der Bedarf an Dienstboten für das Hauswesen muss durch Raubzüge gegen Stämme, welche reichlich mit Viehherden versehen sind, aufgebracht werden. Die Portugiesen können zwar Beispiele anführen, dass Schwarze durch den Hang zu starken Getränken so tief entartet sind, dass sie sich buchstäblich selber verkaufen; allein seit Menschengedenken hat in keinem einzigen Fall ein Betschuanenhäuptling irgendeinen seiner Leute oder ein Betschuane sein Kind verkauft. Daher die Notwendigkeit der Raubzüge, um Kinder aufzugreifen. Und selbst jene vereinzelten Boers, welche um der Gewinnung von Sklaven willen an solchen Zügen nicht teilnehmen, vermögen nur selten zu widerstehen, wenn man ihnen von einer beabsichtigten Empörung des zum Opfer ausersehenen Stammes erzählt, und bei der Verteilung des geraubten Viehs einen schönen Anteil in Aussicht stellt.

      Ein Mensch in einem zivilisierten Land kann es nur mit Mühe begreifen, dass ein Verein von Menschen, welche die gewöhnlichen Attribute der Menschlichkeit besitzen (und diese Boers entbehren keineswegs der besseren Regungen und Gefühle unserer Natur), nach einem zärtlichen Abschied von Weib und Kind verabredetermaßen aufbrechen sollen, um hernach mit kaltem Blut Männer und Weiber niederzuschießen, welche zwar allerdings von anderer Farbe sind, allein doch dieselben Neigungen und Gefühle besitzen wie sie selber. Ich sah und sprach Kinder in Boershäusern, welche nach ihrer eigenen Schilderung und dem Geständnis ihrer Herren gefangen genommen worden waren, und in mehreren Fällen vermochte ich die Eltern dieser Unglücklichen zu erfragen, obschon es unter den Boers ein durch lange Erfahrung erprobter Grundsatz der Vorsicht ist, die Kinder wo möglich so jung zu nehmen, dass sie bald ihre Eltern und auch ihre Muttersprache vergessen. Sie leben inmitten einer eingeborenen Bevölkerung, welche ihnen an Kopfzahl weit überlegen ist, und wohnen an Quellen, welche viele Meilen weit voneinander entfernt liegen; daher fühlen sie sich gewissermaßen in derselben unsicheren Lage wie die Amerikaner in den südlichen Staaten. Die erste Frage, welche sie dem Fremden vorlegen, betrifft den Frieden; und wenn sie hören, dass irgendein Stamm der Eingeborenen gegen den anderen missvergnügt oder neidisch sei, so machen sie sogleich einen regelrechten Aufstand daraus. Selbst den Sanftesten und Nachsichtigsten unter ihnen erscheinen dann strenge Maßregeln mit unvermeidlicher Notwendigkeit geboten, sodass auch dem blutigsten Gemetzel, welches daraus entsteht, keinerlei Gewissensbisse folgen, weil es ein unabänderliches Gebot zur Aufrechthaltung des Friedens ist. Der verstorbene Hendrik Potgeiter hielt sich im eigentlichen Sinn des Worts für den Friedensstifter des Landes.

      Allein wie kommt es, dass die Eingeborenen, die doch den Boers an Kopfzahl so ungemein überlegen sind, sich nicht gegen diese erheben und sie vernichten? Der Volksstamm, unter welchem die Boers leben, sind Betschuanen, keine Kaffern, obschon niemand diesen Unterschied jemals von einem Boer erfährt. Die Geschichte kennt nicht ein einziges Beispiel, wo die Betschuanen, nicht einmal diejenigen unter ihnen, welche Feuergewehre besitzen, die Boers oder die Engländer angegriffen hätten. Wenn es ja einmal vorgekommen ist, so ist es nach meiner Überzeugung weder in der Kapkolonie selber, noch über diese hinaus, allgemein bekannt geworden. Die Betschuanen haben sich verteidigt, wenn sie angegriffen wurden, wie wir es bei Setschele gesehen haben; allein auf einen Angriffskrieg gegen die Europäer haben sie sich niemals eingelassen. Mit den Kaffern allerdings verhält es sich anders, und der Unterschied ist den Grenzboers stets so augenfällig gewesen, dass seit dem Zeitpunkt, da sie mit dem Gebrauch der Schießgewehre vertraut sind, auch nicht ein einziger Boer je versucht hat, sich im Kaffernland niederzulassen oder als Feind ihnen im Feld gegenüberzutreten. Die Boers haben allgemein eine sehr entschiedene Abneigung gegen jede Kriegführung mit weittragenden Feuerwaffen an den Tag gelegt; daher gehen sie ihnen lieber aus dem Weg und machen sich an die sanfteren, mehr verweichlichten Betschuanen und haben es den Engländern überlassen, ihre Händel mit den Kaffern auszumachen und die Kriegskosten mit englischem Gold zu bezahlen.

      Die