Narzissen und Chilipralinen. Franziska Dalinger

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Название Narzissen und Chilipralinen
Автор произведения Franziska Dalinger
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783862567423



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sich Leute vor der Kamera zum Affen machen.«

      Ich fühle mich allein und traurig, und als er vorschlägt, zu den anderen rüberzugehen, sage ich bloß: »Geh doch.« Mist. Was, wenn er mich beim Wort nimmt und wirklich geht?

      »Willst du gar nicht wissen, was Michaels Frage ergeben hat? Wenn du nicht so schnell weggerannt wärst, wüsstest du es jetzt.«

      »Und?«, frage ich. Was auch immer es ist, ich werde sowieso nicht mitmachen.

      »Wir planen eine besondere Feier. Wo jeder seine Gaben einbringen kann. Die einen werden sich ums Essen kümmern, andere um die Dekoration. Wer will, kann was auf seinem Instrument vorspielen. Ein paar wollen singen. Michael hat Tine gefragt, ob sie eine Kurzpredigt halten möchte!«

      »Oh, wow«, ist alles, was mir dazu einfällt.

      »Ein Theaterstück wäre schön. Michael meint, das sollst du übernehmen. Da sind schon ein paar Leute, die mitmachen würden. Das Ganze soll am Ostersamstag stattfinden.«

      Ich schnappe nach Luft. »Ich soll eine Theatergruppe leiten?« Oh, wie schrecklich. »Mach ich nicht. Kann ich nicht.« Eine Welle von Panik schwappt über mich hinweg und reißt mich mit. »Lieber geh ich gar nicht mehr hin.«

      Daniel erschrickt. Ich spüre es so deutlich, als könnte ich ihn sehen, ihn fühlen, als wäre sein Herz meins und mein Herz seins. Er ist tiefer getroffen, als er jemals zugeben würde.

      »Das meine ich nicht ernst«, sage ich rasch. Ich taste mich durch das Gerümpel zu ihm hin. Erwische sein Knie, die Falten der Jeans. Meine Finger tasten über sein Sweatshirt, klettern an seinem Arm hoch, finden sein Gesicht. »Bitte, nimm doch nicht alles ernst, was ich sage«, flüstere ich und nehme seine Wangen zwischen meine Hände und küsse ihn. Wieder ist da so viel Angst in mir, ihn zu verlieren, nur weil ich ständig dumme Sachen sage oder tue, und so gerät dieser Kuss heftiger und leidenschaftlicher als sonst. Diesmal sind keine störenden dicken Jacken zwischen uns. Nur ein paar Schichten dünnen Stoffs, die es zulassen, dass ich mich ganz dicht an ihn herankuschele und seinen Körper dicht an meinem spüre. Papier raschelt, als wir unser Gewicht verlagern und tiefer auf den Teppich sinken. Die letzten Chips in einer offenen Tüte zerbröseln unter meinen Füßen. Ein paar weitere Bücherstapel kippen um. Ich weiß nichts davon. Ich fühle nur diesen Kuss, höre nur unseren heftiger werdenden Atem.

      Dann ist es plötzlich hell. Tabita hat die Tür aufgerissen und steht wie ein Racheengel auf der Schwelle.

      Ich blinzele ins Licht und mir wird klar, was sie sieht: ihre große Schwester und ihren Freund, die im Dunkeln auf dem Teppich liegen und knutschen. Also definitiv etwas, was kleine Schwestern auf gar keinen Fall sehen sollten.

      Keiner von uns hat daran gedacht, die Tür abzuschließen.

      »Kannst du nicht anklopfen?«, brülle ich, während Daniel und ich hastig auseinanderfahren und wir beide so tun, als wäre nichts gewesen.

      Tabita schüttelt den Kopf. »Sonst geht’s dir noch gut, was?«, fragt sie und zieht endlich ab. Die Tür lässt sie offen.

      Ich schalte das Licht ein. Daniel sitzt auf meinem Bett und streicht sich die Haare glatt. Ich könnte mich gleich wieder auf ihn stürzen, aber ich beherrsche mich.

      »Lass uns rübergehen, zu den anderen«, sagt er.

      »Ja, gut.«

      »Du solltest dich noch kämmen.«

      »Ja, mach ich.«

      Ich glaube, wir haben uns soeben wieder versöhnt. Es hat sich jedenfalls ganz so angefühlt.

      Meine Sonne,

      du bist die Schönste von allen. War ich blind, dass ich das früher nicht bemerkt habe? Dein Haar schimmert seidig im Sonnenlicht. Deine Haut ist wie Schnee. Du hast gelacht und gestrahlt und es war wie ein Pfeil, der durch mein Herz fuhr.

      Ich denke die ganze Zeit an dich, ich kann nicht anders. Immer, wenn ich die Augen schließe, sehe ich dich vor mir.

      Glaubst du nicht auch, dass die Liebe ein Geschenk Gottes ist? Eben noch war alles wie immer ... und plötzlich ist nichts mehr, wie es war. Es ist noch Winter, aber mir ist, als hätten wir plötzlich Frühling. Alles blüht und grünt und du bist die schönste Blume von allen.

      Ich stelle mir vor, dass ich Salomo bin und dich in meinem Palastgarten entdeckt habe. Kannst du dir vorstellen, wie überrascht ich war? Es ist wie ein Wunder, das in meinem Herzen geschehen ist und, wie ich hoffe, auch in deinem. Du bist nicht wie die anderen.

      Ich auch nicht.

       Da haben wir doch schon was gemeinsam, oder?

      Die Liebe ist eine Glut, die vom Herrn kommt. Er hat dieses Feuer angezündet. Das hier ist von Gott, da bin ich mir sicher.

      Sehnsüchtig warte ich auf deine Antwort,

       dein Salomo

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      5.

      »Warum machst du denn da mit, wenn du keine Lust hast?« Mandy kann sich keinen Grund vorstellen, etwas zu tun, was ihr gegen den Strich geht. Sie sitzt auf dem Tisch, lässt die Beine baumeln und hält den Kopf leicht schräg, sodass die Sonnenstrahlen, die das große schmutzige Fenster überwinden, in ihrem Haar funkeln. Mindestens die Hälfte der Jungs unserer Klasse glotzt gebannt zu ihr hin, aber sie tut, als merke sie es nicht.

      »Ich weiß auch nicht«, sage ich lahm. Auch Kim schaut zu uns rüber. Ich finde ihren Blick irgendwie gruselig, aber so cool wie möglich ignoriere ich sie. Sie muss total eifersüchtig auf mich sein, weil Mandy so viel mit mir abhängt. Dabei hat Mandy ja gar nichts dagegen, weiterhin mit ihr befreundet zu sein. Wir zwei sind es, die nicht miteinander klarkommen.

      »Wegen Daniel«, stellt sie fest.

      »Ja«, gebe ich zu. Nur seinetwegen habe ich mich bereiterklärt, mich an Michaels Projekt zur Stärkung der Gemeinschaft zu beteiligen und »irgendwas mit Theater« zu machen. Was meine Eltern dazu sagen würden, ist mir nicht so wichtig wie Daniels Meinung. Er soll sehen, dass ich mir diesmal wirklich Mühe gebe. Schließlich ist er sogar bereit, bei der Kanutour mitzumachen, die auf Ende Mai angesetzt ist, direkt nach meinem Geburtstag. Er spricht nie darüber, aber ich glaube, er hat ein Problem mit Wasser. Trotzdem hat er sich für diese Tour angemeldet, weil ich den Aubach immer noch liebe. Und da soll ich mich querstellen und bei unserem Hopi-Osterabend kneifen?

      Mandy macht ein zweifelndes Gesicht. »Ich weiß ja nicht. Ob irgendein Typ es wert ist, dass man sich seinetwegen so verbiegt?«

      »Hey, ich verbieg mich doch nicht«, protestiere ich. »Ich geh dort mein ganzes Leben hin. Ich kenne die alle seit zig Jahren.« Was nur ein kleines bisschen übertrieben ist. Aber lange bevor ich Messie wurde, Mandys beste Freundin, war ich schon Vorzeigetochter Miriam.

      Sie schüttelt trotzdem den Kopf. »Und was machen wir heute Nachmittag? Oder triffst du dich da auch mit Danniboy? Oder«, ihre Stimme wird eine Spur schärfer, »übst du mit deinen Theaterleuten?«

      Ich hätte nicht gedacht, dass auch Mandy eifersüchtig sein könnte. Früher hätte mich das gefreut. Aber es ist bloß ... überflüssig. Ich habe genug Dinge, über die ich nachdenken muss, da kann ich es echt nicht gebrauchen, dass sie auch noch auf mich sauer ist.

      »Eigentlich hab ich Daniel versprochen, mit ihm ins Krankenhaus zu gehen und seine Schwester zu besuchen.«

      Mandy ist enttäuscht. War ja auch klar. Es ist schwerer, als ich dachte, einen Freund und eine beste Freundin zu haben. Immer glaubt irgendwer, zu kurz zu kommen.

      »Ich hab Zeit.« Kim sagt es ganz beiläufig, so als wäre es ihr völlig egal, ob Mandy sich mit ihr trifft oder nicht.