Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Wilhelm Heinrich Wackenroder

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Название Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders
Автор произведения Wilhelm Heinrich Wackenroder
Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9788726614749



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      Wilhelm Heinrich Wackenroder

      Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders

      Saga

      Herzensergießungen eines kunstliebenden KlosterbrudersCoverbild/Illustration: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Sofonisba_-_portrait_of_a_monk_c._1556.jpg Copyright © 1797, 2020 Wilhelm Heinrich Wackenroder und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726614749

      1. Ebook-Auflage, 2020

      Format: EPUB 3.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

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      EIN VORWORT

      Wilhelm Heinrich Wackenroder, der 1773 in Berlin geboren wurde, zählt zu den Begründern der frühromantischen Kunsttheorie. Gleichaltrig mit dem Jugendfreunde Ludwig Tieck, ein Jahr jünger als Novalis und Friedrich Schlegel, steht er doch dem Kreise der Romantiker persönlich fern. Sein kurzes Leben verlief äußerlich in den bescheidenen Bahnen des Sohnes aus gutem Hause, der sein Brotstudium vollendete, einem bürgerlichen Beruf zustrebte und ihn nicht eben gern, aber mit Ernst und Gewissenhaftigkeit auszufüllen sich anschickte. Als er, kaum fünfundzwanzigjährig, 1798 starb, lag von ihm nichts vor als die anonym erschienenen, von Tieck herausgegebenen „Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders“. Posthum veröffentlichte der Freund 1799 ein zweites Bändchen: „Phantasien über die Kunst für Freunde der Kunst,“ Zu beiden hat Tieck selbst Aufsätze beigesteuert. Dies und ein starker geistiger Anteil an Ludwig Tiecks Malerroman „Franz Sternbalds Wanderungen“, der unvollendet 1798 erschien, ist Wackenroders Hinterlassenschaft.

      So eng dies Leben und so schmal dies Werk erscheinen mag: aus der romantischen Welt ist es nicht mehr wegzudenken. Kann man die Brüder Schlegel mit der Schärfe ihres kritischen Geistes das Hirn der Romantik nennen, so ist Wackenroder ihre Seele, von weiblich reizsamer Empfänglichkeit und untrüglichem Instinkt, von inniger Lauterkeit des Herzens und einer fast wehrlosen Weichheit der Empfindung, die ihn zum Ertasten und Erahnen des Tiefsten in der Kunst befähigte, ihn aber auch am frühesten von allen der Zerstörung preisgab.

      Wackenroder hat zum erstenmal Themen angerührt, die seither von Begriff und Wesen der deutschen Romantik nicht mehr zu trennen sind: die altdeutsche Kunst Albrecht Dürers und die altdeutsche Stadt Nürnberg, die Malerei der italienischen Renaissance, vor allem Raffaels, die religiöse Weihe aller Kunst und Kunstbetrachtung, die Verherrlichung der Musik als Sprache der Seele, die unaussprechliche Seligkeit des Schaffens und zugleich die tiefe Gefährdung des Künstlers. Er hat als erster den Blick gleichzeitig auf beide Schwesterkünste der Dichtung, Malerei und Musik, gerichtet und damit einen Grundzug aller Romantik bezeugt: das Streben zur Annäherung und Verschmelzung der Künste, hin zu dem universalen Makrokosmos eines Gesamtkunstwerks, von dem damals Novalis und der Maler Philipp Otto Runge träumten und dessen letzte Frucht Richard Wagners Musikdrama ist. In dieser neuen oder doch erneuerten Fragestellung sind Wackenroders Aufsätze eine der bedeutsamsten Programmschriften der jungen Romantik.

      Im Mittelpunkt seiner Kunstanschauung steht die Auffassung der Kunst als Religion, als einer Offenbarung des Göttlichen. Man könnte ihn, wäre das Wort weniger vieldeutig und mißverständlich, einen Mystiker der Kunstbetrachtung nennen; denn seine Einstellung zum Kunstwerk gleicht in Glut und Andacht und inniger Versenkung in vielem dem Verhältnis jener Frommen zu ihrem Gott, der ihnen im Seelengrund erschien.

      Zwei wunderbare Sprachen sind uns geschenkt: die der Natur, die uns Gottes Wunder offenbart, und die der Kunst, die zu reden wenigen Auserwählten unter den Menschen vom Himmel gegeben ist, Beide sind heilige Zeichen, „Hieroglyphenschrift“ des Schöpfers und seiner Macht. Bedeutungsvoll nimmt Wackenroder den Begriff der Hieroglyphe auf, den die Geniezeit seit Johann Georg Hamann etwa gefunden und der Romantik überliefert hatte: die heilige Sprache Gottes und seiner Schöpfung, auf die es zu hören und die es zu enträtseln gilt.

      Die Kunst hat also höchsten Rang als Künderin Gottes und seiner Wunder, sie ist selbst „eine Art von Schöpfung, wie sie sterblichen Menschen hervorzubringen vergönnt war“.

      So fordert denn auch die Betrachtung ihrer Werke die Weihe und Andacht religiöser Übung. Wackenroder beschreibt uns, „wie und auf welche Weise man die Werke der großen Künstler der Erde eigentlich betrachten und zum Wohl seiner Seele gebrauchen müsse“; und dies Wort: „zum Wohl seiner Seele gebrauchen“ verleiht der Kunst ihre religiöse Würde und eine fast sakramentale Bedeutung, Es richtet sich gegen die rationale Bildkritik des vorhergehenden 18. Jahrhunderts, die sich in Wiedergabe des Bildinhalts und in Erörterung der Technik erschöpfte und darüber die Seele des Kunstwerks vergaß. „Bildersäle werden betrachtet als Jahrmärkte, wo man neue Waren im Vorübergehen beurteilt, lobt und verachtet; und es sollten Tempel sein, wo man in stiller und schweigender Demut und in herzerhebender Einsamkeit die großen Künstler als die Höchsten unter den Irdischen bewundern und mit der langen, unverwandten Betrachtung ihrer Werke in dem Sonnenglanze der entzückendsten Gedanken und Empfindungen sich erwärmen möchte.“

      Ist die Kunst Geschenk, Sprache und Künderin des Göttlichen, so muß der Umgang mit ihr auch dem Gebete gleichen, das man nicht in irdischer Zerstreuung, sondern zu erhobener Stunde in Sammlung und Stille verrichtet. Nicht das kalte Prüfen und Vergleichen, sondern die Versenkung in die Gemälde ist das allein Wesentliche. „Sie sind nicht darum da, daß das Auge sie sehe; sondern darum, daß man mit entgegenkommendem Herzen in sie hineingehe und in ihnen lebe und atme.“ Damit ist die kritisch-räsonierende, verstandesmäßige Betrachtungsweise der Aufklärungszeit überwunden und eine rein gefühlshafte Erfassung des Kunstwerks an ihre Stelle getreten. Wackenroder geht es nicht mehr wie der früheren Zeit um die Erkenntnis vornehmlich technischer Einzelheiten, über denen das große und einheitliche Ganze verlorenging, nicht um den Aufbau des Bildes und die Zeichnung der Figuren, um Gewänder oder Baumschlag, um Licht und Farben, sondern einzig und allein um das zu religiöser Inbrunst gesteigerte Erleben der Kunst in einem demütigen und verehrenden Herzen.

      Von solcher Andacht zum Kunstwerk, von Sammlung und Meeresstille der Seele war zuerst Johann Joachim Winckelmann erfüllt gewesen, dessen Schriften seit 1755 die edle Einfalt und stille Größe und die kanonische Geltung der griechischen Werke verkündeten. Auch in seiner Haltung lebt, bis in die sprachliche Formulierung erweisbar, ein mystisches Element, so griechisch und gott-los vom Christlichen aus gesehen seine Welt- und Lebensanschauung erscheinen mag, und in dieser religiösen Inbrunst des Kunstgenusses ist er in der Tat Wackenroder verwandt. Nur in der Art ihrer Frömmigkeit scheiden sich beide. Winckelmanns erzwungenes Konvertitentum bleibt zeit seines Lebens äußerliche Zutat, welche die antikisch-heidnische Grundsubstanz seines Wesens nicht berührt. Auch er ist Mystiker, vom Neuplatonismus und vielleicht auch von der mächtigen Tradition des heimischen Pietismus befruchtet, aber ihm ist die Schönheit an sich das göttliche Geheimnis, das es zu verehren gilt, die selig in sich selbst ruhende Vollkommenheit der Leiber griechischer Menschen und Götter. Wackenroders Innigkeit fließt zum erstenmal aus christlicher Quelle, ihm ist zuerst das Kunstwerk Offenbarung der Macht und Größe des einen, persönlichen Gottes.

      Ein ähnlicher Ton der Ehrfurcht vor den Werken großer Kunst war schon einmal in der Geniezeit erklungen, Goethes Hymnus „Von deutscher Baukunst“ (1773), voller und brausender im Lebensgefühl der Sturm- und Drang-Zeit als die zartere Verhaltenheit des Klosterbruders, steht ihm dennoch in der Grundhaltung nahe und zählt zu den geistesgeschichtlichen Ursprüngen der „Herzensergießungen“.

      Diese Auffassung der Kunst als Religion und Gottesdienst bedingt auch Wackenroders Künstlerbegriff, Dreißig Jahre zuvor hatte der Sturm und Drang das Prometheische, die vorbildlose Autonomie und das gottähnliche Schöpfertum des Künstlers entdeckt, der den Mikrokosmos seines Werks in souveräner Freiheit aus dem Nichts erschafft, so wie der größte Künstler, Gott, den Makrokosmos des Alls. Dies Wissen um das unbegreifliche Wunder des Schöpferischen im Menschen bleibt in der Romantik erhalten. Darüber hinaus ist Wackenroders Stellung von seinem Urerlebnis der Göttlichkeit aller