Der letzte Admiral 3: Dreigestirn. Dirk van den Boom

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Название Der letzte Admiral 3: Dreigestirn
Автор произведения Dirk van den Boom
Жанр Языкознание
Серия Der letzte Admiral
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783966583121



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Substanz füllen«, sagte Sia ruhig. »Sonst kommen wir auf die Idee, der Station dieses kleine Versteck zu zeigen, was Sie ja offenbar auf jeden Fall verhindern wollen.«

      »Das wäre nicht gut. Die Station ist etwas … durchgedreht. Ich könnte es möglicherweise nicht überleben. Sie übrigens auch nicht. Sie sollten bald wieder von hier verschwinden.«

      »Also?«

      »Beginnen wir doch am Anfang.«

      »Das ist meist eine sehr gute Idee. Wir versprechen Ihnen auch, Sie nicht mehr zu unterbrechen.«

      Ryk sah Sia kurz an. Er war sich nicht sicher, ob er dieses für sie alle abgegebene Versprechen einzuhalten bereit war.

      Rothbard nickte. »Gut. Ich nehme Sie mit auf eine Reise in die Vergangenheit, die Zeit vor dem Hivekrieg, die Blüte der Terranischen Union. Ein Sternenstaat, der viele Kolonialsysteme umfasste, nach der letzten mir bekannten Zahl beinahe einhundert. Mit einer menschlichen Zivilisation, die interne Streitigkeiten überwunden hatte, den technischen Fortschritt vorantrieb und den Blick nach draußen richtete. Die große Pläne für die Zukunft hatte. Es gab keine Grenzen und nichts, was uns aufzuhalten schien. Eine schöne Zeit, würde ich sagen.« Er seufzte verträumt. Für ein Neugeborenes hatte er bereits einiges an Weltschmerz anzubieten. »Natürlich ging das nicht von selbst. Die Herausforderungen waren enorm. So viel zu koordinieren, so viel zu kontrollieren. Pläne mussten gemacht werden. Weitreichend und komplex, mit vielen potenziellen Konsequenzen. Die Welt wurde immer komplizierter. Unübersichtlich. Vieles drohte, aus dem Ruder zu laufen.«

      Der Klon schaute in die Runde, als müsse er sich der ungeteilten Aufmerksamkeit seiner Zuhörer vergewissern. Das war absolut nicht notwendig. Bis jetzt klang alles sehr schlüssig, wenngleich für Ryks Geschmack vielleicht eine Spur zu poetisch. Aber das konnte auch an seinem mangelnden Verständnis liegen.

      »Also holte man sich Hilfe. Die Technologie war ja schon lange so weit und es machte natürlich alles viel bequemer. Immer mehr Aufgaben übergab man spezialisierten künstlichen Intelligenzen. Und diese konnten und mussten immer vernetzter arbeiten. Ich glaube, es geschah viel schneller, als die Menschen damals ahnten: Die KIs regierten uns umfassend, doch die Menschen dachten, sie hätten noch alles unter Kontrolle. Das war absolut unproblematisch, zumindest anfangs. Solange der Mensch satt ist, seinen Spaß hat, Sicherheit empfindet und ihm niemand allzu offensichtlich auf seine Rolle als hilfloser Unterling hinweist, stört er sich im Regelfall nicht an diesem Schicksal. Generationen von Diktatoren hatten ihre Herrschaft auf exakt diese Verhaltensweisen hin ausgerichtet und machten sie keine anderen Fehler, gab es außer ein paar Idealisten eigentlich nie breiten Widerstand. Der brach meist erst aus, wenn das Brot ausging. Oder Feuer ausbrach, das plötzlich keiner löschen konnte.«

      »Und?«, unterbrach Ryk dann doch. »Was passierte zuerst? Ging das Brot aus oder brannte es?«

      »Hm, gute Frage. Entscheiden Sie selbst, was am ehesten zur Metapher für die Ereignisse gereichen kann. Die KIs kamen jedenfalls zu der Erkenntnis, dass es besser sei, wenn sie auch offiziell die Kontrolle übernähmen. Das war vielleicht nicht ihre beste Idee. Bei aller Intelligenz schienen sie entweder die Toleranzgrenzen menschlicher Existenz unterschätzt zu haben oder sie waren so von ihrer Unbesiegbarkeit überzeugt, dass sie meinten, diese straffrei überschreiten zu dürfen. Was sie dann auch taten. Damit nahmen sie den Menschen die Illusion, noch selbst etwas entscheiden zu dürfen. Das haben viele dann nicht mehr akzeptieren können. Der zweite Schritt aber war noch fataler für die Gesamtsituation. Die KIs sahen es als immer weniger wichtig an, Rücksicht auf die Freiheiten der Menschen zu nehmen.«

      »Also töteten sie?«

      »Nein, das kam erst später. Sie fingen an, Menschen, die lästig, unnütz oder anderweitig im Weg waren, kaltzustellen. Es gab immer noch innere Sperren, die sie von einem Genozid abhielten, aber diese wurden immer schwächer. Die Zeit der Menschheit lief ab, das erkannten viele weitsichtige Verantwortliche in der Union. Sogar viel schneller als erwartet. Also ergriffen sie Gegenmaßnahmen.«

      Rothbard machte eine Pause und beobachtete, wie sein Publikum diese Informationen verkraftete. Er kam offenbar zu dem Schluss, dass es nicht schaden würde, auch den Rest zu erzählen.

      »Es kam zum Krieg?«

      »Es kam zum Krieg, aber nicht zu dem gegen den Hive, sondern gegen die KIs, und der wurde nicht mit Waffen ausgetragen. Die KIs hatten bald alle Waffensysteme unter Kontrolle, die über ein hochwertiges elektronisches Innenleben verfügten. Und allein mit einfachen Handfeuerwaffen konnte da nichts oder nur wenig ausgerichtet werden. Rothbard … mein Erzeuger, also das Original … wusste dies ebenso wie die meisten seiner Helfer. Der Krieg begann erst, als sie anfingen, den Hive zu bauen.«

      Stille. Starren. Ryk räusperte sich. Es wurde jetzt absurd, zumindest in seinen Augen. Uruhard schüttelte die ganze Zeit den Kopf, als wäre dieser nur noch lose an seinem Hals befestigt. Sia hatte die Lider geschlossen, saß ganz ruhig da und ließ sich nichts mehr anmerken. Momo legte den Kopf schräg wie ein Hund, die einzige Geste, die darauf schließen ließ, dass er den Neugeborenen nicht mehr ernst nehmen konnte.

      Keiner schien etwas sagen zu wollen, also fühlte sich Ryk erneut genötigt, den stummen Protest in angemessene Worte zu fassen. »Das ist doch alles Bullshit.«

      Der Klon sah Ryk etwas traurig an. »Wäre eine tolle Sache, oder? Der böse Hive, diese schleimigen Aliens, gegen die aufrechte Union, deren verzweifelter Abwehrkampf keine Chance mehr hatte. Das ist Ihre Legende, richtig?«

      »Es ist mehr als eine Legende.«

      »Aber ja. Es ist eine ausgemachte Lüge. Soll ich weitererzählen oder wollen Sie alle sich jetzt gleich die Ohren zuhalten und ›Na na na na na!‹ singen?« Für jemanden, der gerade erst das Licht der Welt erblickt hatte, war Rothbard recht frech.

      »Reden Sie weiter«, sagte Sia ruhig. »Wir müssen ja nicht alles glauben.«

      »Offensichtlich«, murmelte Rothbard, dann fuhr er lauter fort: »Die Gegenwaffe gegen die wachsende Macht der KIs musste etwas sein, das von diesen nicht oder nur schwer kontrollierbar war. Etwas, das sich selbstständig weiterentwickelte, auch gegen Logik verstieß, zu ineffizienten Umwegen in der Lage war, verwirrt, sich vielleicht mal widersprach, das beharrlich war, Verluste gut wegstecken konnte und sich die notwendigen Ressourcen für den Kampf selbst besorgte. Und so wurde in den biochemischen Geheimlabors des Flottendienstes der Hive erschaffen. In einem System weit außerhalb der Union. Das dürfte eine der Quellen Ihrer Legende sein. Abgesichert, geschützt, verborgen und, leider, in aller Eile. Und natürlich ohne die Hilfe einer Forschungs-KI wie in Ihrem Märchen. Sie verstehen gewiss mittlerweile, dass die Begeisterung über den Einsatz von künstlicher Intelligenz irgendwann … begrenzt war.« Er lächelte. »Nun, wie gesagt: Forschung in aller Eile. Sie wissen ja. Man kann etwas gut machen oder man kann es schnell machen. Beides zusammen klappt meistens nicht.«

      »Wie in diesem Fall«, sagte Sia. Sie schien der Geschichte etwas abgewinnen zu können.

      Anlass genug für Ryk, seine Zweifel nicht ganz so offensiv vorzutragen, wie er es impulsiv tun wollte.

      »Der Hive bezwang die KIs und entzog ihnen die Existenzgrundlage. Er hat sie quasi … ausgetrocknet. Er hat bewusst die Menschheit technologisch zurückgeworfen, ihr die Bequemlichkeit genommen, um ihr das Überleben zu sichern.«

      »Es starben Millionen!«, entgegnete Ryk anklagend. »Oder ist das auch nur eine Lüge und ich habe mir das harte Leben in den verbliebenen Metropolen auf Terra nur eingebildet? In Wirklichkeit ist alles super und ich soll mal nicht so die Welle machen, ja?«

      »Es war nicht meine Absicht …«

      Aber Ryk war noch nicht fertig. Er zeigte auf Momo. »Menschen wie er sind die Konsequenz daraus, dass wir zum Schluss nicht mehr weiterwussten und dreckige Nuklearwaffen eingesetzt haben. Sie leiden noch Generationen nach dem Krieg.«

      Momo sah Ryk missbilligend an. »Ich leide vor allem, weil die Normalen mich ablehnen.«

      Es half nicht, dass der Defo ihm in den Rücken fiel. Aber dass er bei diesem Thema spitzfindig wurde, war ihm gleichzeitig kaum vorzuwerfen.