Название | Der gute Ton und die feine Sitte |
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Автор произведения | Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788711517598 |
Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem
Der gute Ton und die feine Sitte
Vierte, verbesserte Auflage
Saga
Der gute Ton und die feine Sitte
German
© 1916 Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem
Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen
All rights reserved
ISBN: 9788711517598
1. Ebook-Auflage, 2016
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.
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Vorwort.
Motto:
»Bleibt natürlich!«
Die Legende erzählt, dass der Apostel Johannes, als sein hohes Alter ihm das Lehr- und Predigtamt unmöglich machte, sich dennoch hinaustragen liess unter seine andächtige Gemeinde und inmitten derselben durch unablässige Wiederholung der Worte: »Kindlein, liebt einander« die Grundlehre des Christentums zusammenfasste.
Die Legende fiel mir ein, als ich obiges Motto niederschrieb, denn auch die ganze Lehre vom »Guten Ton und der feinen Sitte« liegt in den wenigen Worten: »Bleibt natürlich!« Nun gibt es ja freilich auch eine Natürlichkeit, die der guten Sitte sehr entbehrt; dass es aber in diesem Sinne nicht gemeint ist, brauche ich wohl nicht besonders zu versichern, wohl aber, dass die feinste Sitte und der beste Ton unerträglich werden, wenn sie angelernt und gekünstelt, nicht aber natürlich sind.
Hierin ist meines Erachtens der wunde Punkt all der bisher erschienenen Werke über dieses Thema zu suchen. Die Literatur über den »guten Ton« ist, seit Knigges „Umgang mit Menschen“ erschien, mehr und mehr angewachsen, und viele dieser Werke sind in ihrer Art meisterhaft, sie gereichen jeder Bibliothek zur Zierde. Aber sie haben fast alle denselben Fehler, dass sie durch zu viel Beiwerk den Lernenden verwirren und dadurch unsicher machen, ihn der Natürlichkeit bei der Anwendung des Gelernten berauben. Denn wir dürfen nie vergessen, dass ein Lehrbuch über den »Guten Ton und die feine Sitte« nicht für die geschrieben ist, denen dieselben schon in der Kinderstube zur zweiten Natur anerzogen, sondern für die bestimmt ist, die sich durch Talent und Fleiss hinaufgerungen haben in die Kreise der Gebildeten und diesen nun auch in bezug auf die feine Sitte ebenbürtig werden wollen.
In diesem Sinne entstand auf Anregung der Verlagshandlung dieses Büchlein, das in der klaren und leichtfasslichen Form des Katechismus eine Anleitung geben will, sich die in den Kreisen der Gebildeten unerlässlichen Formen anzueignen. Möchten unsere Bemühungen, das Werkchen nützlich und praktisch zu gestalten, von Erfolg gekrönt sein, um diesen aber zu erreichen, muss der Lernende uns in die Hand arbeiten, indem er natürlich bleibt, d. h. nicht glaubt, das ihm Fehlende durch geziertes Wesen und geschnörkelte Worte ersetzen oder vertuschen zu können. Denn der gute Ton und die feine Sitte vertragen weit eher einen Verstoss aus Unwissenheit als ein Surrogat, dessen Firnis die Unnatur ist, die allzeit nicht nur abstossend, sondern geradezu lächerlich wirkt. Darum also, ihr, die ihr den guten Ton und die feine Sitte zu besitzen wünscht: bleibt natürlich! Ihr werdet euer Ziel viel eher erreichen, wenn ihr die persönliche Natürlichkeit gewissermassen als das Blatt betrachtet, auf welches ihr das Gesetz des guten Tons in euer Gedächtnis schreibt, denn noch niemals hat sich jemand dem Zauber entziehen können, den die Natürlichkeit verleiht. Ein Künstler, der nicht natürlich ist in der Ausübung seiner Kunst, wird niemals anders als äusserlich wirken können, wie viel mehr muss dann nicht der Künstler des guten Tones bemüht sein, die Natürlichkeit zu bewahren, die ihn erst über die Maschine erhebt und ihn den Kreisen, mit denen er gleichwertig verkehren will, menschlich nahe bringt.
Also, bleibt natürlich, dann kann auch ich froh auf den Erfolg dieses Büchleins vertrauen.
Eufemia von Adlersfeld,
geb. Gräfin Ballestrem.
I. Allgemeines.
1. Was versteht man unter gutem Ton und feinen Sitten?
Man versteht darunter den Anstandsbegriff der zivilisierten Welt, der, wenn auch vielleicht bei den verschiedenen Nationen in manchen Dingen abweichend, sich in demselben Grundgedanken begegnet und damit ein unverkennbares Bindeglied zwischen den Gebildeten ist, gleichviel, welche Sprache dieselben reden.
2. Ist es unbedingt notwendig, sich die Kenntnis des guten Tons und der feinen Sitte anzueignen?
Gewiss. Diese Kenntnis ist sogar ganz unerlässlich, wenn man in den Kreisen der Gebildeten nicht nur geduldet, sondern als einer der ihrigen aufgenommen sein will.
3. Hängt denn die Wertschätzung des Menschen von seiner Kenntnis der äusseren Formen ab?
In gewissem Sinne, ja. Denn der innerlich rohe Mensch ohne Bildung wird seine Natur auch nach aussen hin durch ein rohes Benehmen verraten, während ein sonst Ungebildeter, aber vornehm und gütig Denkender wohl rauh und ungeschickt sich benehmen kann, kaum aber verletzend für das feinere Gefühl anderer.
4. Gleicht die Kenntnis des guten Tones diese Gegensätze aus?
Äusserlich und oberflächlich — vielleicht. Innerlich schon schwerer, da die äussere Form nur dann wirksam sein kann, wenn sie mit der inneren Veredlung Schritt hält.
5. Liegt zwischen der Beantwortung dieser und der vorigen Frage nicht ein Widerspruch?
Ein Widerspruch wohl kaum, aber ein Vergleich, der sich am klarsten durch das Gleichnis vom echten und vom unechten Schmucke verständlich macht: das unechte Geschmeide ist nur vergoldet und nutzt sich bei der ersten Gelegenheit ab; das echte Gold aber wird nur poliert, um seinen Wert auch äusserlich zu zeigen. Dieses Buch ist in dem redlichen Bestreben verfasst, durch seinen Inhalt nicht nur äusserlich zu vergolden, sondern das von seinen Schlacken befreite Gold zu polieren.
6. Wie erlangt man am sichersten und schnellsten die Kenntnis des guten Tons?
Jedenfalls im engeren Verkehr mit Menschen von Erziehung. Wo aber die Verbindungen dazu fehlen, sollte man sich durch die aufmerksame Lektüre der darauf bezüglichen Bücher das Fehlende zu erwerben suchen, ehe man sich in die Kreise des guten Tons und der feinen Sitte begibt.
7. Warum vorher?
Weil nicht alle geneigt sind, die in diesem Falle gebotene Nachsicht walten zu lassen, und sich der Neuling in diesen Kreisen unnötig bitteren Demütigungen aussetzen würde.
8. Ist diese Nachsichtslosigkeit ein Zeichen des guten Tons?
Durchaus nicht, denn zum guten Tone gehört auch das feine Verständnis für die Lage des Neulings und die Bereitwilligkeit, ihm, statt ihn zu demütigen, über die Schwierigkeiten hinwegzuhelfen. Die Entschuldigung der Nachsichtslosen, sie hätten zu verlangen, dass ein Mensch nicht ohne die Kenntnis der Form, die den Gebildeten kennzeichnet, in ihre Kreise käme, entbehrt indes, wenn auch der Nächstenliebe, so doch nicht ganz der Berechtigung. Die mangelhafte Form in manchen Dingen (bei Tisch z. B.) ist für die Zusehenden oft eine unerträgliche Qual, und darum kann nur der gute Rat, sich vor dem Eintritt in die feingebildeten Kreise deren Formen anzueignen, dringend wiederholt werden.
9. Darf sich kein Mensch ungestraft über die leere äussere Form hinwegsetzen?
Gewiss