Название | Wild soul |
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Автор произведения | Alexia Meyer-Kahlen |
Жанр | Книги для детей: прочее |
Серия | |
Издательство | Книги для детей: прочее |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783649633730 |
Doch als Alli hinter ihr hertrotten wollte, schwankte sie plötzlich, als sei sie betrunken. Als könne sie ihre Gliedmaßen nicht mehr koordinieren.
„Scheiße!“, stieß Sam hervor. Sie fühlte Panik in sich aufsteigen. Alles sagte ihr, dass das hier etwas ziemlich Ernstes war. Sie mussten sofort einen Tierarzt verständigen. Kati, wo war nur Kati?
Sam fühlte sich plötzlich total allein.
„Du schaffst das, mein Schöne. Halte durch“, beschwor sie Alli. „Wir gehen jetzt ganz langsam in deine Box zurück, und dann rufe ich jemanden, der dir hilft. Alles wird gut. Du wirst sehen.“
Doch ganz tief drinnen spürte Sam, dass das eine Lüge war.
Der herbeigerufene Tierarzt Dr. Sälzer ließ sich Alli zunächst im Schritt vorführen und bat Sam dann, sie, so gut es ging, aus dem Schritt und Trab abrupt abzustoppen. Jedes Mal knickten Allis Hinterbeine ein, manchmal schien es fast, als würde sie hinten komplett zusammenbrechen. Dann sollte Sam die Stute eng um die eigene Achse drehen. Bei dieser Bewegung schien sich Allis Gesicht vor Schmerz wieder ganz fest zusammenzuziehen. Außerdem pendelte ihr Bein beim Anhalten auf eine bizarre Weise nach außen.
„Ich habe genug gesehen“, nickte der Tierarzt schließlich. „Ihr könnt sie zurück in die Box bringen.“
„Und?“, fragte Bea Gerst nervös nach. Sie war zeitgleich mit dem Tierarzt am Hof eingetroffen.
„Ich habe leider keine gute Nachricht. Ich halte es für eine spinale Ataxie, eine Störung im Bewegungsapparat“, meinte Dr. Sälzer. „Das schwankende Laufen, die tappende Fußung beim Auftreten, das Einknicken der Hinterhand, alles deutet darauf hin. Wir können das natürlich noch mal röntgenologisch überprüfen, aber ich bin mir ziemlich sicher.“
„Was heißt das genau?“, hakte Bea Gerst nach.
„Das hängt vom Schweregrad und vor allem von der Ursache der Ataxie ab. Sie kann zum Beispiel von einem Trauma herrühren. Ist die Stute vielleicht kürzlich auf der Weide gestürzt oder hat sich überschlagen?“
„Nein, also … ich weiß es nicht“, stotterte Sam.
„Heute Morgen ist sie noch ganz normal gelaufen!“, warf Kati verzweifelt ein.
Die Freundinnen hielten sich vor lauter Angst um Alli so fest an den Händen, dass es schon fast wehtat. Von ihrem Streit war nichts mehr zu spüren.
Dr. Sälzer zuckte mitleidig mit den Schultern. „Irgendwann treten die Symptome der Ataxie einfach auf. Ein Sturz oder Ähnliches kann zu einer kleinen Verschiebung von zwei Wirbelkörpern der Halswirbelsäule führen. Die Nervenstränge, die für die Bewegungskoordination des Pferdes zuständig sind, liegen an der Oberfläche des Halsmarks. Entsteht durch die verschobenen Wirbelkörper ein Druck aufs Halsmark, gibt es eine Entzündung, es kommt zu Flüssigkeitsansammlungen, die noch mehr Druck erzeugen, und irgendwann zeigen sich die typischen Bewegungsstörungen der Ataxie.“
Er blickte in die entsetzten Gesichter der Mädchen und fügte hinzu: „Das ist der beste Fall.“
„Und was ist der schlimmste?“ Auch die Stimme von Bea Gerst zitterte nun.
„Eine Arthrose der Halswirbelsäule.“ Dr. Sälzer machte eine Pause, dann sprach er weiter. „Alegría ist ja noch ziemlich jung. Doch grobe Trainingsfehler, schlecht sitzende Sättel, Blockaden und massive Muskelverspannungen, falsche Hufbearbeitung – all das kann dazu führen, dass Bänder und Bandscheiben der Wirbelsäule verschleißen. Auch schon bei einem jungen Pferd. In weiterer Folge werden die verschlissenen elastischen Strukturen durch knöcherne Zubildungen ersetzt. Dann haben wir eine arthritische Veränderung der Wirbelsäule, also eine Wirbelgelenksarthrose, die ebenfalls zu einem Druck auf das Halsmark und zu den entsprechenden Bewegungsstörungen führen kann.“
Sam und Kati war jetzt der blanke Horror ins Gesicht geschrieben.
„Als ganz junges Pferd hat Alegría alles, was Sie eben aufgezählt haben, erfahren“, flüsterte Bea Gerst heiser. „Wir haben sie aus einem Schulpferdedasein herausgekauft, wo sie schon mit drei Jahren ausgebunden in den Reitstunden gelaufen ist.“
„Wir wollen den Teufel nicht an die Wand malen“, versuchte Dr. Sälzer, sie zu beruhigen. „Um wirklich abzuklären, ob es sich bei Alegrías Ataxie ursächlich um eine Arthrose handelt, müssten wir die Halswirbelsäule röntgen. Da lassen sich arthrotische Veränderungen in der Regel leicht erkennen. In der Regel, sage ich. Denn manchmal muss man, um eine Wirbelgelenksarthrose definitiv auszuschließen, das Pferd in der Klinik in Vollnarkose legen und bei einem maximal abgewinkelten Hals röntgen. Das kann man leider nicht im Stehen tun.“
Bea Gerst schluckte. „Das kann ich so jetzt nicht allein entscheiden. Wir müssen erst mal alles in der Familie besprechen. Da kommen ja auch unüberschaubare Kosten auf uns zu.“
Sam schossen die Tränen in die Augen. Verzweifelt stieß sie aus: „Mama, wir müssen alles tun, um Alli zu retten. Wir können sie jetzt nicht aufgeben, nach allem, was wir schon zusammen durchgemacht haben.“
Auch Kati war kreidebleich geworden.
„Ich mache mal einen Vorschlag“, schaltete sich Dr. Sälzer ein. „Ein Röntgenbild im Stehen könnten wir hier in der Stallgasse machen. Das kostet nicht die Welt. Da sieht man schon mal, ob arthrotische Veränderungen augenfällig sind. Doch auch wenn die Vorgeschichte der Stute durchaus eine Wirbelgelenksarthrose nahelegt, spricht gegen diese Diagnose, dass sich eine Ataxie in der Regel innerhalb von ein paar Wochen bis Monaten entwickelt. Und ihr habt Alegría ja nun schon einige Jahre in guter Haltung, stimmt’s?“
„Wir sind hier jetzt knapp zwei Jahre“, flüsterte Sam.
„Na, siehst du“, antwortete Dr. Sälzer. „Das spricht aus meiner Sicht gegen Arthrose als Ursache für ihre Ataxie.“
Sam fühlte einen winzigen Schimmer Hoffnung in sich aufflackern. Hoffentlich hatte der Tierarzt recht und es war nicht das Allerschlimmste.
„Es gibt auch die Möglichkeit, einfach mal abzuwarten“, fuhr Dr. Sälzer fort. „Wurde die spinale Ataxie bei eurer Stute durch eine einmalige Verletzung des Rückenmarks ausgelöst, können sich die Symptome unter Umständen von selbst verringern. Wir können ihr etwas gegen die Entzündung spritzen, und wenn die sich zurückbildet, werden die Nervenbahnen nicht mehr durch die Flüssigkeitsansammlung zusammengedrückt. Die für die Ataxie typische Bewegungsstörung bildet sich dann automatisch zurück. Die verbleibende Instabilität zwischen den Wirbeln kann man später durch gezielten Muskel- und Koordinationsaufbau ausgleichen.“
„Danke, Dr. Sälzer. Das müssen wir, glaube ich, alle erst mal verdauen.“ Bea Gersts Stimme klang eine Spur leichter.
Nach einem flehenden Blick von Sam fügte ihre Mutter hinzu: „Selbstverständlich können Sie Alli etwas gegen die Entzündung und die Schmerzen spritzen und dann schauen wir weiter.“
Der Tierarzt nickte. „Ich halte das für ein gutes Vorgehen. Stellen Sie sie irgendwo auf die Weide und lassen Sie sie ein paar Monate ganz in Ruhe. Die Entzündung wird sich nach der Spritze schnell zurückbilden und Schmerzen hat sie eigentlich keine. Wenn sie sich bewegen kann, wie sie will, wird sie Biegungen der Halswirbelsäule, die ihr wehtun, vermeiden. Und die Bewegungsstörungen sehen schlimmer aus, als sie für die Stute selbst sind.“
Er zog eine Spritze auf und verabreichte sie Alegría.
„In acht Wochen sehen wir uns wieder. Dann müssten deutliche Verbesserungen eingetreten sein. Ansonsten …“ Er führte seinen Satz nicht zu Ende.
Noch am selben Abend tagte der Familienrat. Auch Kati und ihre Eltern waren dazu gebeten worden und selbst Sophie nahm an dem Krisentreffen teil.
Nachdem Robert Gerst und Katis Eltern Anja und Thomas Hofmann betroffen dem Bericht von Bea gelauscht hatten, legte sich Stille über die Runde.
Schließlich brach Sams Vater das Schweigen. „Also, wenn ich es richtig verstanden habe, ist die Prognose