Frankfurter Fake News. Robert Maier

Читать онлайн.
Название Frankfurter Fake News
Автор произведения Robert Maier
Жанр Языкознание
Серия Virus Cop
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783947612987



Скачать книгу

mit Schutzgelderpressung zu tun haben.«

      »Vielleicht veröffentlicht die Polizei diese Theorie nur deshalb, weil die meisten sie im Falle eines Deutschtürken plausibel finden«, sagte Olaf sarkastisch.

      »Ich weiß«, kam es von Gottfried zurück. »Und diese Partei Deutsche für Deutschland sorgt mit ihrer Hetze dafür, dass immer mehr Leute so denken.«

      »Leider. Und wie es scheint, ist diese Art Propaganda völlig legal.« Olaf betrachtete die hüpfenden Kohlensäurebläschen in seinem Glas und trank es in einem Zug leer. Er unterdrückte einen Rülpser. »Okay, wir schließen die Organisierte Kriminalität nicht aus. Bandenmäßiger Kindesmissbrauch fällt allerdings in diese Kategorie.«

      »Bisher hast du von diesen Ungeheuerlichkeiten bloß in der Kneipe gehört und von einem Passanten auf der Straße. Das ist erst mal Klatsch und Tratsch.«

      »Oder üble Nachrede«, stimmte Olaf zu.

      »Es gibt aber eine weitere Möglichkeit, die wir nicht ausschließen dürfen«, sagte Gottfried. »Der Mord an Yousef könnte ein politischer sein.«

      »Richtig. Yousef war ja Kurde.«

      »Auf jeden Fall denkbar. Es könnte womöglich sogar der türkische Geheimdienst dahinterstecken.«

      Olaf setzte sein Glas an und entlockte ihm einen allerletzten Tropfen. Er brauchte mehr Wasser. »Das klingt nach einer Menge Arbeit«, sagte er schließlich.

      »Eine herausfordernde Arbeit«, erwiderte Gottfried unternehmungslustig. »Laut Doktor Scharschmidt werde ich vermutlich am Montag entlassen, und ich werde mich zu Hause auf keinen Fall ins Bett legen.«

      Wenn Gottfried so redete, schrillten bei Olaf die Alarmsirenen. Der würde es fertigbringen, von den USA aus Recherchen zum Fall anzustellen, oder in Timbuktu.

      »Gottfried, du musst dich schonen, sonst wird das nichts mit deiner fifty-fifty-Heilungschance.«

      »Ich bin körperlich angeschlagen, kann aber im Internet recherchieren. Du kannst im echten Leben ermitteln. Ich schlage vor, du triffst dich mit der Frau unseres Opfers. Dann wissen wir mehr über Yousef und sein Umfeld.«

      »Ich bin noch unsicher, wie ich das einfädle. Ich muss mir etwas einfallen lassen, damit sie überhaupt mit mir spricht.«

      »Die Nachbarn verbreiten, ihr Mann wäre ein Kinderschänder gewesen, und die Zeitungen, er wäre in die Organisierte Kriminalität verwickelt. Es ist in ihrem Interesse, mit den Medien zu reden, um die Verdächtigungen zu entkräften. Versuch es bei ihr als Journalist.«

      »Gottfried, du bist eine Nervensäge, aber deine Ideen sind super.« Olaf seufzte. »Schade, dass wir nicht den Virus nutzen, dann würden wir alle Details zum Fall kennen.«

      »Auch wenn es uns helfen würde: Finger weg von dem Virus! Wir werden den Fall konventionell lösen.«

      »Wir? Ich werde den Fall lösen. Du ruhst dich schön im Krankenhaus aus und löst allenfalls Kreuzworträtsel.«

      Obwohl der Alkohol durch seinen Kopf kreiselte, ging Olaf nicht ins Bett. Sein Denkapparat arbeitete hinreichend genug, um Recherchen im Internet zu erledigen. Vielleicht bekäme er morgen die Gelegenheit, mit Yousefs Frau zu sprechen. Dann sollte er sich möglichst viel Hintergrund angeeignet haben, damit er die richtigen Fragen stellen könnte.

      Missbrauch von Kindern, die Organisierte Kriminalität, der türkische Geheimdienst: ein weites Feld an Themen, die er dafür beackern müsste.

      Zur Option Missbrauch gab es bislang bloß Gerüchte. Er würde Sabine Yousef damit konfrontieren.

      Er füllte sich Mineralwasser nach. Als er ins Arbeitszimmer kam, schwankte er und stieß gegen den Türrahmen. Dieser verdammte Alkohol! Er sollte nicht so viel trinken. Nun war Wasser verschüttet, und die Schulter schmerzte. Wenigstens funktionierte das Hirn noch. Er ließ sich auf den Stuhl am Schreibtisch fallen und startete den Laptop.

      Nach was sollte er recherchieren? Er spürte ein Unbehagen bei dem Gedanken an die Organisierte Kriminalität. Ein politisches Motiv erschien ihm reizvoller.

      Yousef stammte aus Kurdistan. Für manche Türken war das Wort Kurde ein rotes Tuch, insbesondere für ihren Präsidenten. Der Mord an Yousef glich einer Exekution. Ein solches Vorgehen war einem Geheimdienst zuzutrauen. Gewiss war kein Agent 007 im Dienste Ihrer Majestät im Spiel. Vielleicht aber ein Agent Ahmed im Dienste seines türkischen Geheimdiensts? Olaf hatte keine Ahnung, ob das eine realistische Option war.

      Hatte ein Deutschkurde den türkischen Geheimdienst zu fürchten? Denkbar. Aber müsste er Angst um sein Leben haben? In Frankfurt?

      Olaf wollte es herausfinden.

      Er googelte nach »Türkischer Geheimdienst in Deutschland«. Die meisten der Links auf der ersten Ergebnisseite führten zu Websites, von denen bekannt war, dass dahinter ernstzunehmende Redaktionen standen.

      Ein unseriöser Link hatte es allerdings auch auf die Liste geschafft: »Faschistische Kanzlerin beleidigt türkischen Präsidenten«. Olaf grinste. Gewiss wäre es lustig gewesen, das zu lesen. Er wollte aber Informationen, nicht Desinformation.

      Als erstes öffnete er einen Artikel der FAZ. Er schmunzelte, als er den Namen des türkischen Geheimdiensts las: MIT. Es war dasselbe Kürzel wie für das renommierte Massachusetts Institute of Technology in Boston. Ob die Uni gelegentlich Post erhielt, die für den türkischen Geheimdienst gedacht war? Er lachte. Er nahm einen Schluck Wasser und las sich durch weitere Artikel.

      Nach einer halben Stunde hatte er sich einen ersten Überblick verschafft: Der türkische Geheimdienst war in Deutschland sehr aktiv. Er spionierte systematisch türkische Staatsbürger aus ebenso wie türkischstämmige Deutsche. Dabei hatte man es vorwiegend auf Anhänger der Gülen-Bewegung abgesehen.

      Zudem gab es in Deutschland eine große Zahl Türken, die sich aus Idealismus als Spione betätigten und gar nicht auf der Gehaltsliste des Geheimdiensts standen. Über Mittelsmänner aber auch über eine Handy-App meldeten sie Fehlverhalten ihrer Landsleute direkt an die türkischen Behörden. Auf diese Weise konnte etwa ein markiger Spruch über den Präsidenten, den jemand im Kollegenkreis machte, bei der nächsten Türkeireise zu einer Festnahme führen.

      Olaf wandte den Blick vom Bildschirm. Er wollte sich noch eine weitere halbe Stunde für Recherchen geben. Was er bereits jetzt über die Bespitzelung von Türken in Deutschland erfahren hatte, war krass. Beinahe ein türkischer Überwachungsstaat auf deutschem Boden.

      Vielleicht war Yousef denunziert worden.

       9

      Es war alles andere als einfach gewesen, die Frau des Ermordeten zu einem Interview zu bewegen. Olaf war am Telefon in die Rolle eines Journalisten geschlüpft, der mehr über den Mord in Erfahrung bringen wollte. Wie von Gottfried vorhergesagt, hatte das Argument, Olaf wolle die Anschuldigungen gegen ihren Mann entkräften, den Ausschlag dafür gegeben, dass Sabine Yousef sich schließlich zu einem Treffen bereiterklärte. Olaf war mit ihr um elf Uhr verabredet. Ihm blieb noch genügend Zeit, am Computer einen möglichst echt wirkenden Presseausweis für einen gewissen Michael Dernhard zu entwerfen. Er mochte diesen Tarnnamen. Er hatte ihn bereits einige Male für Recherchen genutzt.

      Als er gegen elf Uhr das Reisebüro betrat, lächelte ihm eine junge Frau mit Kopftuch entgegen. Kopftuch – so hätte er früher gesagt. Heute, in einer Zeit, in der hysterisch über Burkas, Burkinis und sonstige Utensilien zur Verhüllung von Haut und Haaren diskutiert wurde, wusste Olaf das Kopftuch treffsicher als Hidschab einzuordnen. Die Augen der Frau waren kunstfertig geschminkt, was der Verschleierung den Eindruck eines bewusst gewählten Modeaccessoires verlieh. In professionellem Tonfall fragte sie, was sie für ihn tun könnte. Ihre Stimme war nicht die der Frau, mit der er telefoniert hatte. Auch war schwer vorstellbar, dass sie den urdeutschen Namen Sabine tragen könnte, zudem war sie viel zu jung, um Yousefs Frau zu sein. Wie es schien, leistete man sich eine Angestellte, um das Reisebüro weiterzuführen.