Einfach nur Fußball spielen. Michael Stilson

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Название Einfach nur Fußball spielen
Автор произведения Michael Stilson
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783038801412



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bemerken, dass sie nicht von Adidas waren.

      »Fredrik. Was ist denn das für eine beschissene Einstellung? Natürlich wirst du im Finale den Verteidigern davonlaufen.«

      Er riss mir die Schuhe aus den Händen, packte sie in den Karton und stopfte diesen zurück in die Tüte.

      »Genug von den Schuhen. Lass mal deine Ballannahme sehen.«

      Vater hob den Ball leicht an, dann schoss er ihn hoch in die Luft, mit so viel Power, dass der Ball nicht einmal rotierte, sondern gerade nach oben schnellte. Sogar mit Sandalen traf er ihn perfekt.

      »Stopp ihn!«, rief er mir zu.

      Ich lief dorthin, wo der Ball jeden Moment herunterkommen würde, und versuchte, ihn zu stoppen. Und meine Ballannahme war perfekt. In dem Moment, in dem der Ball meinen Fuß berührte, zog ich ihn mit einer schnellen Bewegung ganz leicht nach hinten weg. Reglos blieb der Ball vor mir in der Asche liegen.

      »Gut. Her mit dem Ball, gleich noch mal!«, rief er, spitzelte den Ball erneut mit dem Fuß hoch und haute ihn in die Luft, mit einem perfekten Schuss, während ich wieder dorthin lief, wo der Ball aufkommen würde. Und noch einmal, und noch einmal, und noch einmal, und fast jeder Ball blieb reglos vor meinen Füßen liegen.

      »Krass, Fredrik. Deine Ballkontrolle ist fabelhaft. Das sitzt ja jedes Mal, verdammt! Genau das meine ich, dein Ballgefühl und deine Geschwindigkeit musst du im Spiel zeigen. Dann bist du nicht aufzuhalten«, sagte er.

      Ich konnte ihm ansehen, dass er es wirklich so meinte, und ich versuchte, mir ein Lächeln zu unterdrücken und stattdessen nur bestätigend zu nicken, als wäre mir seine Meinung total egal. Als wäre es selbstverständlich. Doch tatsächlich war es das erste Mal, dass er mich lobte, ohne dass ein Aber folgte.

      »Kommst du eigentlich zum Finale?«

      Eigentlich wollte ich ihn nicht fragen. Wollte ihm nicht zeigen, dass ich es mir wünschte.

      »Ob ich komme? Mal sehen. Du weißt doch, dass ich nicht so gern ins Stadion gehe, Fredrik. Ich bin seit zehn Jahren nicht dort gewesen, glaube ich.«

      Er sah mich nicht an. Ging einfach nur zum Ball, hob ihn auf den Spann und lupfte ihn in seine Hände.

      »Schon klar«, sagte ich.

      Aber eigentlich war nichts klar. Ich trat in die Asche, scharrte mit der Schuhspitze ein kleines Loch, während ich das sagte. Schon okay, dass er nicht so gut auf Rosenborg zu sprechen war, nach dem, was zwischen ihm und dem Verein vorgefallen war, aber das war inzwischen über zehn Jahre her. Wo war das Problem, ein Spiel der U 16 mit seinem Sohn im Lerkendal-Stadion anzusehen? Ich hatte Lust, ihn das zu fragen, aber ich kannte ihn nicht gut genug.

      Ich trat in das Loch und versuchte, die Enttäuschung zu verbergen, und verstand gar nicht, warum ich überhaupt so enttäuscht war. Er hatte kaum eines meiner Spiele komplett gesehen. Ich hatte doch schon vor vielen Jahren beschlossen, dass es mir egal war. Vielleicht, weil es das Finale war. Weil es das wichtigste Spiel meiner Karriere sein würde. Immerhin hatte er mir Schuhe gekauft, damit ich im Endspiel Erfolg hätte, und dann wollte er nicht mal zuschauen?

      Ich schwieg etwas zu lange und er kapierte, dass ich enttäuscht war.

      »Es ist ja nicht so, dass ich das Finale nicht sehen will, Fredrik. Es liegt nur an diesem beschissenen Stadion und an denselben Leuten, die da immer noch rumhängen. Du weißt doch, wie das ist, oder? Darum geht es mir, aber wir werden sehen. Ich wollte dir nach dem Länderspiel noch etwas anderes sagen, aber das Timing war schlecht.«

      »Okay?«

      Vater stand direkt vor mir, ließ den Ball aus den Händen auf seinen Sandalenfuß fallen, wo er samtweich landete. Ich hatte keine Ahnung, was jetzt wohl kommen würde, aber in Anbetracht der neuen Schuhe und des Lobs ging ich davon aus, dass er sich entschuldigen wollte. Ich spürte, dass er endlich kapiert hatte, wie enttäuscht ich war, dass er sich nie wirklich für mich und den Fußball interessiert hatte, oder eigentlich nur nicht für mich. Jetzt würde er alles wiedergutmachen.

      Vielleicht war er deshalb nach Kopenhagen gekommen? Um mich zu sehen und mir das alles zu sagen, doch dann hatte er gemerkt, dass ich noch nicht bereit war, oder so. Oder er war derjenige, der noch nicht bereit war, und dann über sich selbst enttäuscht, dass er mich an dem Abend nicht mehr treffen wollte. Deshalb hatte er bis jetzt auf den perfekten Zeitpunkt gewartet. Eine Woche vor meinem wichtigsten Spiel. Er wollte mir die Schuhe schenken und vielleicht würde er zum Spiel kommen und wir könnten noch mal von vorne anfangen. Er könnte mir auf meinem Weg zum Profi helfen. Wenn er sich nur entschuldigen würde, wäre alles gut. Ich konnte mein Grinsen nicht mehr verbergen, als ich ihn ansah, also biss ich mir auf die Innenseite meiner Wangen, um die Mundwinkel unter Kontrolle zu halten.

      Er rollte den Ball unter seinem Fuß vor und zurück, schaute in die Luft und es wirkte so, als würde er nach den richtigen Worten suchen. Ich ließ ihm die Zeit, die er brauchte.

      »Beim Länderspiel, Fredrik, habe ich etwas beobachtet, was mir gar nicht gefallen hat. Du warst irgendwie nicht du selbst auf dem Platz. Mir ist aufgefallen, dass du diesem Solomon und diesem Mathias die ganze Zeit den Ball überlassen hast. Vielleicht war das auch der Plan? Dass alle anderen den beiden die Bälle zuspielen sollen, weil sie die Besten im Team sind? Kann das sein?«

      Ich hatte falschgelegen. Alles war wie immer, er fand immer irgendeinen Grund zu meckern. Wieso hatte ich geglaubt, dass es diesmal anders sein würde?

      »Ähm, also, Mathias ist der Kreative im Team, sicher, und uns wurde gesagt, ihn so oft wie möglich anzuspielen. Und ich hab ihm den Ball ja ziemlich oft zugepasst und der Trainer war happy mit mir. Ich hab ja auch getroffen!«

      Vater ließ den Ball zur Seite rollen und schoss ihn ins Tor, mit so viel Kraft, dass er seine Sandale verlor.

      »Nicht wahr? Genau das ist ja das verdammte Problem. Die Trainer waren zufrieden«, sagte er mit verstellter Stimme, während er seine Sandale aufsammelte.

      »Glaubst du, Zlatan oder Ronaldo oder Messi spielen, wie die Trainer es wollen, um ihnen einen Gefallen zu tun? Wenn deine ganze Leistung während eines Spiels nur darin besteht, jemanden ins Spiel zu bringen, der besser ist als du – und ich bin mir nicht mal sicher, ob er überhaupt viel besser ist als du –, bestätigst du nur, was alle anderen denken. Denn dann bekommt Mathias den Ball und ist der Star, während du nur der Typ bist, der ihm die Vorlagen gibt. Verstehst du, was ich dir sage?«

      Ich stand einfach nur da und stocherte in demselben Loch in der Asche herum. Biss mir noch fester auf die Innenseiten meiner Wangen. Diesmal war es kein Grinsen, das ich unterdrücken wollte.

      »Verstehst du, was ich dir sagen will, Fredrik?«

      Ich hatte keine Lust mehr, hier mit ihm zu stehen, aber ich konnte auch nicht einfach weglaufen. Das würde ihm nur bestätigen, dass ich ein Feigling war. Ich musste es ertragen, bis er fertig war.

      »Ja«, murmelte ich.

      »Du bist so verdammt loyal, Fredrik. Du überlässt den anderen die ganze Bühne und gibst dich damit zufrieden, nur ein Teil der Mannschaft zu sein. Okay. Vielleicht wirst du mit der Taktik ein mittelmäßiger Zweitligaspieler. Oder du schaffst es mit Ach und Krach in die erste Liga. Aber dann kannst du auch gleich aufhören, denn es ist doch Bullshit, irgendein anonymer Erstligaspieler zu sein, der ein paar einfache Pässe draufhat! Das kann jeder, der genug Ausdauer mitbringt. Verstehst du das?«

      Ich sagte nichts.

      »Verdammt noch mal, Fredrik! Du bist jetzt sechzehn Jahre alt, jetzt steh doch für dich ein. Du bist kein Kind mehr! Du verbringst viel zu viel Zeit mit deiner Mutter. Sie verlangt äußerste Loyalität, stimmt’s? Du machst alles, was sie sagt? Immer pünktlich zu Hause, immer schön das Zimmer aufräumen, Hausaufgaben machen, bla, bla, bla. Du musst selbst denken, Fredrik. Du musst das machen, was sich richtig anfühlt, nicht das, was andere dir sagen. Okay? Fredrik?«

      Vater stand jetzt ziemlich dicht vor mir. Bäumte sich über mir auf und drückte mir mit jedem Wort, das er sagte, seinen Zeigefinger in die Brust. Ich hob den Blick und sah ihm ins