Название | Gehirn, Kultur und Motivation |
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Автор произведения | Verena Kienzle |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783947104789 |
Im Duden wird Kultur als die „Gesamtheit der geistigen, künstlerischen, gestaltenden Leistungen einer Gemeinschaft, als Ausdruck menschlicher Höherentwicklung“ und als „Gesamtheit der von einer bestimmten Gemeinschaft auf einem bestimmten Gebiet während einer bestimmten Epoche geschaffenen, charakteristischen geistigen, künstlerischen, gestaltenden Leistungen“ beschrieben.
Das Cambridge English Dictionary hingegen schreibt, Kultur sei: „the way of life, especially the general customs and beliefs, of a particular group of people at a particular time. “ Schon hier gibt es fundamentale Deutungsunterschiede.
Ersteres betont die Leistungen und Errungenschaften, letzteres die Lebenseinstellung, und dies sind nur zwei der möglichen Definition von Kultur. Der US-amerikanische Anthropologe und Kulturrelativist Alfred Kroeber und der US-amerikanische Ethnologe und Soziologe Clyde Kluckhohn haben sogar eine Liste mit nicht weniger als 200 verschiedenen Definitionen zusammengetragen.
Im Rahmen dieses Buches wird besonders eine Perspektive beleuchtet, nämlich die, die Kultur als gemeinsames Regelwerk für eine Gruppe von Menschen beschreibt: Alles, was eine Gruppe von Menschen zu gemeinsamem Handeln bewegt und dadurch diese Gruppe von Menschen von anderen Gruppen von Menschen unterscheidet, ist Kultur.
Nun können wir uns der Fragestellung widmen, ob Motivation und Kultur etwas miteinander zu tun haben, und wenn ja, wo das besonders sichtbar wird.
Abb. 3: Brain made of human hands
2. Motivation aus neurowissenschaftlicher Sicht
Motivation bedeutet Bewegung. Bewegung hin zu etwas oder weg von etwas, aber immer Bewegung und nicht Stillstand. Dieser Bewegungsdrang ist das Ergebnis komplexer zerebraler Prozesse, um die es im Folgenden gehen wird. Die Bewegung hin zu etwas wird Annäherungsmotivation oder Appetenz genannt, die Bewegung weg von etwas Vermeidungsmotivation oder Aversion.
Im Falle der Annäherungsmotivation sind wir motiviert eine Handlung auszuführen, um einen angenehmen Reiz oder eine Belohnung zu erhalten. Im Falle der Vermeidungsmotivation sind wir motiviert zu handeln, um einem unangenehmen Reiz oder einer Bestrafung zu entgehen. Während diese Prozesse für alle Menschen gleich sind, kann die Wahrnehmung von Belohnung respektive Bestrafung individuell sehr unterschiedlich sein und sich zudem mit Alter und Erfahrung ändern. Das bedeutet, dass auch die antreibenden Faktoren oder Motive einzelner Menschen sich stark unterscheiden können.
Damit Motivation entstehen kann, müssen wir also wissen, was gut und schlecht ist, was erstrebenswert ist und was wir vermeiden sollten. Das können wir entweder bewusst wissen und aus diesem Wissen heraus eine Handlung planen und ausführen, oder aber wir fühlen es. Meist im Bauch, als sogenanntes Bauchgefühl, oder im Herzen, wenn wir spüren, dass sich unser Herzschlag ändert vor Freude oder aus Angst.
Auch wenn wir durch diese Wahrnehmungen vielleicht glauben, unseren Gefühlen sozusagen einen Wohnort in unserem Körper zuweisen zu können, handelt es sich dabei nicht um den Entstehungsort des Gefühls, allenfalls um seine Wirkungsstätte. Entstanden ist das Gefühl bereits vorher, im limbischen System unseres Gehirns, das im folgenden Kapitel genauer beschrieben wird. Zunächst jedoch noch einige begriffliche Erläuterungen.
2.1 Motive
Als Motiv bezeichnet man unbewusste, intuitive oder auch bewusste Beweggründe für alle Bewegungen und Handlungen, die nicht automatisiert ablaufen, wenn wir sie einmal gelernt haben, wie z.B. Greifbewegungen, Schwimmen oder Radfahren.
Motive brauchen wir, wenn wir etwas erreichen wollen, was eine gewisse Anstrengung erfordert, körperlich oder geistig. Wir brauchen sie, um den „inneren Schweinehund“ zu besiegen oder um ganz allgemein in einen Zustand zu gelangen, der besser, angenehmer, schöner ist als der, in dem wir uns gerade befinden. Dazu können wir uns, wie bereits gesagt, weg von etwas oder hin zu etwas bewegen.
Es gibt zwei Grundkategorien von Motiven, biogene und soziogene.
2.1.1 Biogene Motive
Biogene oder auch primäre Motive sind uns angeboren und bei allen Menschen gleichermaßen vorhanden. Sie dienen dem Selbsterhalt und der Fortpflanzung und erfüllen so eine lebenserhaltende Funktion. Biogene Motive sind Hunger, Durst, Schlafbedürfnis und Sexualität. Biogene Motive sind universell und kulturell unabhängig.
2.1.2 Soziogene Motive
Im Gegensatz zu den biogenen Motiven werden soziogene oder sekundäre Motive erlernt. Sie beziehen sich auf unser Verhältnis zu unserem sozialen Umfeld und umfassen z.B. Anschluss, Intimität, Macht, Dominanz oder Leistung. Besonders die Einflüsse während der ersten Lebensjahre entscheiden über die spätere individuelle Ausprägung. (vgl. Roth 2016: 296-318)
Abb. 4: Stammbaum
3. Wo und wie Motivation entsteht
Wenn uns unsere biogenen Motive angeboren sind und sie unserem Lebenserhalt dienen, müssen sie bereits vorgeburtlich angelegt sein. So bildet sich unser Motivationssystem auch schon in den ersten Wochen der Schwangerschaft in einer funktionalen Einheit unseres Gehirns, in der körperliche Bedürfnisse wie Flüssigkeits- und Nahrungsbedarf oder Schlafbedürfnis entstehen, sich ein Mangel durch Affekte und Gefühle körperlich bemerkbar macht und Mechanismen zur Regulation eventueller Ungleichgewichte gesteuert werden. All dies geschieht unbewusst, da kognitive Hirnbereiche und -systeme zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorhanden sind.
Diese funktionelle Einheit im Gehirn wird limbisches System genannt, sie ist hauptsächlich in emotionale Kontrollprozesse eingebunden ist und versetzt den Organismus in die Lage, seine durch Emotionen angezeigten Bedürfnisse mit seiner Umwelt in Einklang zu bringen. Esch beschreibt es als das hirneigene Motivations- und Belohnungssystem, als emotionales Gehirn und Sitz des Unbewussten (vgl. Esch 2012: 93).
3.1 Das limbische System
Im limbischen System entstehen Affekte und Emotionen, Motive und Ziele, Einfühlungsvermögen, Moral und Ethik. (vgl. Roth/Strüber 2015: 64). Es besteht aus mehreren evolutionär gesehen alten Hirnbereichen, die in ringförmiger Anordnung um Basalganglien und Thalamus liegen und umfasst u.a. Hippocampus, Cingulum, Nucleus Accumbens, Amygdala, Hypothalamus, Ventrales Tegmentales Areal und zentrales Höhlengrau (vgl. Jäncke 2013: 50).
Das limbische System lässt sich in drei Ebenen unterteilen. Die unterste Funktionsebene, zu der Hypothalamus, Zentralkern der Amygdala, Ventrales Tegmentales Areal und zentrales Höhlengrau gehören, steuert die vegetativen Zentren unseres Hirnstamms und damit unsere vegetativen Körperfunktionen wie Hunger, Durst, Schlafbedürfnis und Schmerz. Diese Funktionen dienen unserem Überleben, müssen nicht erlernt werden und sind von uns willentlich kaum zu kontrollieren. Darüber hinaus steuert die unterste limbische Ebene unser elementares affektives Verhalten, z.B. Sexualität, Aggressivität, Verteidigungs- und Fluchtverhalten, Lust und Stressverhalten. Diese Hirnzentren sind schon früh im Gehirn vorhanden, Amygdala und Hypothalamus beispielsweise entwickeln sich bereits um die fünfte und sechste Schwangerschaftswoche. (vgl. Roth/Strüber 2015: 63ff; Roth 2016: 83).
Abb. 5: Das limbische System
Auch die mittlere limbische Ebene ist Teil unseres unbewussten Selbst. Auf ihr vollziehen sich emotionale Prägung und Konditionierung, entstehen Belohnungsmechanismen, Bewertung und Motivation, sie bildet die Ebene unserer Gefühle. Zu ihr gehört die basolaterale Amygdala, in der sich unsere emotionale Konditionierung vollzieht, sie ist wichtig für die Regulation von Emotionen, steuert