Im Schwindeln eine Eins. Marie Louise Fischer

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Название Im Schwindeln eine Eins
Автор произведения Marie Louise Fischer
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9788711719442



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über den großen blauen Augen und dem hellgeschminkten Mund wie einem Modejournal entsprungen.

      „Kommt pünktlich nach Hause, ihr beiden!“ mahnte Frau Tobruck. „Heute mittag gibťs was Gutes!“

      Sieben weiße Elefanten

      Tessie hatte Glück im Unglück. Der Aufzug kam sofort hera if, als sie auf den Knopf drückte, sie verließ das Haus im Laufschritt und konnte noch im letzten Moment auf die Straßenbahn springen.

      Als sie über den Schulhof rannte, klingelte gerade die Glocke. Sie wußte nicht, ob es das erste oder das zweite Mal war. Sie hoffte inbrünstig, daß Dr. Hiltermann noch nicht in der Klasse war.

      Als sie über den Gang rannte, standen noch verschiedene Klassentüren offen, aber ausgerechnet die Tür mit der Aufschrift: „II a“ war geschlossen. Sollte Dr. Hiltermann schon drin sein? Oder hatten die Klassenkameradinnen wieder mal was zu besprechen? Tessie überlegte nicht lange, sie riß die Tür auf und wollte auf ihren Platz stürzen – sie stockte mitten im Lauf. Dr. Hiltermann stand beim Katheder und blickte sie verblüfft an. Tessie begriff auch später nicht, wie es geschehen war. Bei ihrem plötzlichen Halt im vollen Lauf löste sich ihr rechter Schuh und flog in hohem Bogen gegen die Wandtafel.

      Eine Sekunde lang war die Klasse ganz starr, dann brachen alle in ein tosendes Gelächter aus. Tessie stand mit rotem Kopf und gesenkten Augen. Auch das noch!

      „Ruhe!“ brüllte Dr. Hiltermann und klopfte mit dem Lineal auf das Katheder. „Theresia Tobruck, es ist unglaublich! Möchtest du mir vielleicht erklären …“

      „Entschuldigen Sie bitte, Herr Doktor“, murmelte Tessie, „ ich … ich habe es bestimmt nicht mit Absicht getan. “

      „Nicht? Leider kenne ich dich zu gut, um dir das zu glauben.“

      „Bestimmt nicht, Herr Doktor! Ich …“

      „Setz dich, Theresa.“ Dr. Hiltermann öffnete das Klassenbuch und schrieb etwas hinein.

      Tessie seufzte innerlich. Bestimmt hatte ihr Klassenlehrer einen Tadel eingetragen, sie würde wieder eine schlechte Note in Betragen bekommen, und das Fahrrad, das Vater ihr versprochen hatte, würde auch dieses Jahr unerreichbar bleiben.

      Sie raffte allen Mut zusammen und hob den Finger.

      Es dauerte eine ganze Weile, bis Dr. Hiltermann aufsah. „Was gibt’s?“ fragte er dann.

      Tessie sprang auf. „Ich wollte nur sagen, Herr Doktor … ich kann wirklich nichts dafür, daß ich zu spät gekommen bin … wirklich nicht!“

      „Das hatte ich auch nicht anders erwartet“, sagte Dr. Hiltermann spöttisch. „Wann hättest du je etwas dafür gekonnt?“

      „Bitte, iassen Sie mich doch erklären …“

      „Na, dann los! Ich gebe zu, daß deine Erklärungen nie ohne Reiz sind.“ Dr. Hiltermann lehnte sich im Stuhl zurück und schlug die Arme übereinander.

      Tessie zermarterte ihr Gehirn, um eine einleuchtende Entschuldigung zu finden. Plötzlich fiel ihr ein, daß sie im Vorbeifahren große Plakate gesehen hatte, auf denen die Eröffnung des „Zirkus Busch“ für morgen angekündigt war.

      „Herr Doktor …“, begann sie erleichtert.

      „Na los! Ich warte! Ist etwa eine Straßenbahn entgleist?“

      „Nein, das nicht, Herr Doktor. Aber stehengeblieben ist sie. Ja, sie konnte nicht weiterfahren, denn … weil … wegen der Elefanten!“

      „Ach so, das erklärt alles.“ Dr. Hiltermann nahm seine Brille ab und beugte sich vor. „Was waren denn das für Elefanten?“

      „Vom Zirkus, Herr Doktor. Riesengroße Elefanten, das heißt, der erste war riesengroß und hinterher wurden sie alle immer kleiner, und der zweite hielt den ersten mit dem Rüssel am Schwanz und der dritte den zweiten und immer so weiter, und zum Schluß kam ein ganz kleiner, ein ganz winziger Elefant. Süß waren sie.“

      „Und deshalb konnte die Straßenbahn nicht weiterfahren?“

      „Ja, natürlich!“

      „Waren es etwa weiße Elefanten?“

      „Wahrhaftig. Woher wissen Sie das? Weiße Elefanten waren es, und in ihren Stoßzähnen hatten sie glitzernde Steine, und der vorderste hatte auch einen riesengroßen Stern auf der Stirn, und dahinter kamen …“

      „Danke, es genügt“, sagte Dr. Hiltermann. „Da du so ein auffallendes Interesse für Elefanten hast, Tessie, möchte ich dich bitten, mir für morgen einen Aufsatz zu schreiben über das Thema, na, sagen wir mal … ,Was ich über Elefanten weiß’. Aber bitte nicht unter sieben Seiten und keine Märchenerzählungen, sondern Tatsachen. Ich hoffe, wir haben uns verstanden, ja?“

      Tessie schossen die Tränen in die Augen. „Herr Doktor – es ist wirklich wahr! Die Straßenbahn ist stehengeblieben wegen der Elefanten! Da kann ich doch nichts dafür.“

      „Wer hat denn das gesagt, Tessie? Ich möchte ganz einfach einen Aufsatz von dir haben. Bitte, tu mir den Gefallen.“ Dr. Hiltermann stand auf, trat zur Tafel und nahm ein Stück Kreide in die Hand. „Und nun wollen wir unsere Aufmerksamkeit für den Rest der Stunde vorübergehend auf mathematische Probleme wenden!“ –

      In der kleinen Pause wurde Tessie von allen Seiten bestürmt. „Elefanten?“ – „Ist das wahr?“ – „Hast du sie wirklich gesehen?“ –

      „Ach wo. Tessie hat doch Dr. Hiltermann bestimmt nur einen Bären aufbinden wollen!“

      „Damit bist du aber fein hereingefallen, was, Tessie?“

      Tessie hatte erst einmal in aller Ruhe die Überreste ihrer fehlgeschlagenen Einbindearbeit in den Papierkorb gestopft, jetzt sah sie ihre Freundinnen mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Ich habe die Elefanten gesehen. Ich schwindle doch nicht. Wenn ihr mir nicht glaubt, könnt ihr ja heute nachmittag zum Zirkus hinausfahren. Ihr werdet sehen, daß ich recht habe.“

      „Aber, Tessie!“ sagte die blonde Rita spöttisch. „Weiße Elefanten! So was haťs doch noch nie in einem Zirkus gegeben!“

      „Oder waren sie vielleicht doch nicht ganz weiß?“ versuchte die gutmütige Renate der Freundin eine Brücke zu schlagen.

      „Sie waren weiß, und wenn die Zirkusleute sie inzwischen nicht angestrichen haben, sind sie immer noch weiß“, behauptete Tessie kühn.

      „Wolien wir wetten?“ schlug Rita vor.

      „Um was?“

      „Um ein Wochentaschengeld.“

      Tessie überlegte. „Ich wette überhaupt nicht“, sagte sie dann, „wetten ist unmoralisch!“

      Sie wurde rot, als die anderen lachten.

      Die letzte Stunde an diesem Vormittag war Turnen. Tessie hatte in der Eile vergessen, ihr Turnzeug einzupacken. Als die anderen sich schon umgezogen hatten, fiel ihr nichts Besseres ein, als zu Fräulein Ronzky, der Turnlehrerin, zu hinken.

      Mit Tränen in den Augen sagte sie: „Fräulein Ronzky … mein Fuß tut so furchtbar weh!“

      „Oh je! Hast du ihn dir verletzt?“

      Tessie stand auf einem Bein und massierte sich den Knöchel. „Ja … ich glaube, ja.“

      „Was ist denn passiert?“

      „Ein Elefant ist ihr draufgetreten!“ rief Rita.

      Die Klasse brach in jubelndes Gelächter aus. „Ist das wahr?“ fragte Fräulein Ronzky verblüfft. „Ein Elefant?“

      „Natürlich nicht“, sagte Tessie ärgerlich; plötzlich kam ihr ein Gedanke. „Schauen Sie doch mal im Klassenbuch nach, Fräulein Ronzky, da steht es ja drin!“

      Sie wandte sich an Luise, die Klassenbuchführerin.