Perry Rhodan 152: Die Raum-Zeit-Ingenieure (Silberband). Detlev G. Winter

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Название Perry Rhodan 152: Die Raum-Zeit-Ingenieure (Silberband)
Автор произведения Detlev G. Winter
Жанр Языкознание
Серия Perry Rhodan-Silberband
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783845351155



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Myzelhinn selbst.

      Das Porträt war dreidimensional, doch kein Holo. Es war stofflich-materiell, aber keine Materieprojektion. Es zeigte eine Sekunde aus dem Leben einer Intelligenz, deren Dasein schon Milliarden Jahre währte – eine Sekunde, aus dem Zeitstrom herausgeschnitten und in einem Rahmen aus Vitalenergie konserviert.

      Porträt und Porträtierter waren identisch. Zwei Ausgaben ein und derselben Person, vom Abgrund der Zeit getrennt, aber durch eine Technik vereint, die viele Naturgesetze zu ihren Werkzeugen gemacht hatte.

      Myzelhinn konzentrierte sich auf das Bild, und wie so oft vorher erfüllte es seine Bitte um ein Zwiegespräch. Das Porträt erwachte übergangslos aus tausendjährigem Schlaf. Der Schädel drehte sich, die dunklen Augen glänzten, und die schmalen Lippen öffneten sich.

      »Myzelhinn!«, sagte das Porträt mit seiner hohen, fast piepsend klingenden Stimme. »Bist du es wirklich? Ich habe geträumt ... Viele Träume ... Wie lange, Myzelhinn? Wie viele Tiefenjahre sind seit deinem letzten Besuch verstrichen?«

      »Fast tausend Jahre«, antwortete er.

      Tausend Jahre, Jahre, Jahre, wisperte das Echo, bis es sich in der Weite des Gewölbes verlor.

      »Tausend!« Das Porträt sah nach rechts und links, nach oben und unten. Es blickte zur gegenüberliegenden Wand, zu den goldgefassten leeren Rahmen, die sich lückenlos aneinanderreihten, vom Boden bis hinauf zur hohen Decke, von der äußersten rechten bis zur äußersten linken Seite. Nur Rahmen, keine Bilder.

      »Nildefin!«, schrie das Zeit-Porträt verzweifelt. »Wo ist das Bildnis Nildefins? Wo? Bei deinem letzten Besuch hing es noch dort, mir genau gegenüber ... Und Jhaam! Jhaams Porträt ist auch verschwunden! Außerdem Foolgal, Douburlen, Laschiin ... Alle sind fort! Was ist seit deinem letzten Besuch geschehen?«

      »Tausend Tiefenjahre sind eine lange Zeit«, sagte Myzelhinn leise. »Schon bei unserem letzten Gespräch gab es nicht einmal mehr vierzig von uns. Dann, vor elf Tiefenjahren, geschah das Unglück. Wir entdeckten, dass die psionischen Siegel des Tores am Berg der Schöpfung schwächer geworden waren. Nildefin, Jhaam, Foolgal, Douburlen, Laschiin und fünfundzwanzig andere zogen zum Berg, brachen die Siegel und öffneten das Tor – gerade weit genug, um eine Nachricht ins Hochland zu senden, einen Hilferuf an die Kosmokraten. Aber das Tor wurde instabil, und als die dreißig versuchten, die Verbindung aufrechtzuerhalten, da atmete die Tiefe sie ein. Wir konnten ihnen nicht helfen, wir kamen zu spät.«

      »Also sind auch sie den grauen Weg gegangen«, stellte das Porträt bekümmert fest. »War es tatsächlich ein Unglück, oder ...?«

      »Es war eine Falle der Lords«, antwortete Myzelhinn. »Sie haben irgendwie von unserem Vorhaben erfahren und versucht, den Ruf an die Kosmokraten zu verhindern. Als ihnen das nur unvollständig gelang, zerrten sie die dreißig in die Tiefe.«

      »Und der Hilferuf?«, fragte das Porträt. »Wurde er beantwortet? Haben die Kosmokraten Hilfe geschickt?«

      Myzelhinn presste die Lippen zusammen. Die alte Bitterkeit schnürte ihm sekundenlang die Kehle zu.

      »Hilfe ... Ja, sie haben Hilfe geschickt, die Hohen Mächte jenseits der Materiequellen. Wir haben sie um die sofortige Entsendung einer Streitmacht gebeten, mächtig wie die Heerscharen Ordobans. Wir haben sie angefleht, schnellstens Hilfe zu schicken. Wir haben eingestanden, dass wir die Kontrolle über das Tiefenland verloren haben und dass es ohne Unterstützung von außen zur Katastrophe kommen muss. Wir haben erklärt, dass es nicht um uns geht, sondern um die Rettung der Tiefenvölker. Wir haben die Situation schonungslos dargelegt ...« Myzelhinns Stimme überschlug sich vor Erregung. Er zwang sich zur Ruhe, sprach gepresst weiter. »Für diesen Hilferuf mussten dreißig von uns den grauen Weg gehen. Wir, die wir übrig blieben, trösteten uns mit der Hoffnung, dass uns die Kosmokraten nicht im Stich lassen würden. Also warteten wir. Auf eine Armee oder auf Beauftragte der Kosmokraten vom Rang der Sieben Mächtigen, ausgerüstet mit den notwendigen Mitteln, die es ermöglichten, die Verbindung von der Tiefe zum Hochland wiederherzustellen, die Macht der Lords zu brechen und den Graueinfluss zu besiegen.«

      »Und?«, drängte das Zeit-Porträt. »Wie schnell ist die Armee eingetroffen? Ist die Verbindung von der Tiefe zum Hochland bereits wiederhergestellt? Wen haben die Kosmokraten geschickt?«

      »Drei Kundschafter«, sagte Myzelhinn stockend. »Nur drei. Sie tragen die Aura der Kosmokraten und sind Ritter der Tiefe!«

      Myzelhinn und das Zeit-Porträt sahen einander an.

      »Du weißt, was das bedeutet?«, fragte das Porträt.

      Myzelhinn reagierte mit einer bestätigenden Geste. »Das Tiefenland hat für die Pläne der Kosmokraten seine Bedeutung verloren. Sie sind überzeugt, nicht mehr auf unsere Hilfe bei der Reparatur des Moralischen Codes angewiesen zu sein. Die Kosmokraten werden das Tiefenland opfern.«

      »Weil Ordobans Suche nach Äonen erfolgreich war«, sagte das Porträt. »Ordoban hat TRIICLE-9 endlich gefunden! Und ...«, es zögerte, »... die Kosmokraten haben das Kosmonukleotid vielleicht schon für die Rückkehr in die Tiefe präpariert. TRIICLE-9 wird sich endlich wieder in die Doppelhelix einfügen und ... und ...«

      »Und das Tiefenland wird im selben Moment in das Normaluniversum stürzen.« Myzelhinns Stimme klang ausdruckslos; nur seine Augen verrieten etwas von seinen Gefühlen: Verbitterung, Entsetzen, Zorn – und Resignation. »Dann unterliegt das Tiefenland den anderen physikalischen Gesetzen und wird in Myriaden Bruchstücke zerfallen. Die Völker der Tiefe werden dabei sterben.«

      »Ausgeschlossen«, hauchte das Porträt. »So etwas können die Kosmokraten nicht zulassen!«

      »Sie sind allwissend. Ihnen ist bekannt, welche Folgen es haben wird, wenn der Moralische Code beschädigt bleibt. Sie opfern die Tiefenvölker, um sehr viel größere Opfer zu vermeiden. Das ist es, was Allwissenheit bedeutet: der Zwang, grausam zu sein, damit noch schrecklichere Grausamkeiten vermieden werden ...«

      Und alles ist unsere Schuld, dachte Myzelhinn verzweifelt. Wir haben versagt, haben unsere Chance vertan, den Moralischen Code zu reparieren. Den Kosmokraten bleibt deshalb keine andere Wahl, unabhängig davon, welche Folgen dies für uns und das Tiefenland haben wird.

      Er wandte sich ab, ging mit stockenden Schritten davon. Das Gespräch mit dem Zeit-Porträt hatte ihn aufgewühlt, statt seine Gedanken zu klären.

      »Ihr müsst etwas tun!«, rief ihm das Porträt hinterher. »Ihr müsst die Tiefenvölker vor der Katastrophe retten!«

      »Wir versuchen es«, sagte Myzelhinn; er sprach leise, mehr zu sich selbst als zu dem Zeit-Porträt. »Aber wir sind nur noch fünf.«

      »Ihr seid Raum-Zeit-Ingenieure!«, erinnerte das Porträt. »Ihr seid die Einzigen, die es schaffen könnten!«

      2. Auf dem Vagendaplateau

      Bericht Atlan:

      Das Vagenda – 1000 Meter hoch über dem Tiefenland erstreckte sich das Plateau aus rostrotem Material scheinbar endlos vor uns. Endlich waren wir alle oben angekommen. Und nun? Wir befanden uns im Zentrum des Tiefenlands, ebenso weit von der gigantischen Stadt Starsen wie von der sagenumwobenen Lichtebene entfernt. Jeweils sechs Lichtmonate, eine gigantische Distanz. Ihr werdet erkennen müssen, dass dort oben auf dem Plateau nicht das Gelobte Land ist. Was Lordrichter Krart gesagt hatte, spukte mir immer noch durch den Kopf. Er hatte uns davon überzeugen wollen, dass es besser sei, wenn wir die Seiten wechselten. Hinüber zum Grauleben? Das hätte bedeutet, alles zu verraten, für das wir bislang gekämpft hatten. Niemals! Auch wenn wohl nur eine kurze Frist blieb, bis Krart mit seinen Armeen uns nachsetzte.

      »Atlan!« Im Helmfunk meines TIRUNS erklang plötzlich die Stimme der Spielzeugmacherin. »Mein Ritter ist verschwunden«, jammerte sie. »Er antwortet nicht auf meine Funkanrufe.«

      Vor Kurzem war Jen Salik dicht hinter mir gewesen. Ich vermutete, dass er vielleicht ein Stück zurückgeblieben war. Dann hätte ihn durchaus der Schuss eines Verfolgers treffen können. Über den TIRUN registrierte ich keinerlei