Im Spukschloss Monbijou. Nataly von Eschstruth

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Название Im Spukschloss Monbijou
Автор произведения Nataly von Eschstruth
Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9788711472941



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      Nataly von Eschstruth

      Im Spukschloß Monbijou

      Roman

      Saga

      Im Spukschloss Monbijou

      German

      © 1921 Nataly von Eschstruth

      Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen

      All rights reserved

      ISBN: 9788711472941

      1. Ebook-Auflage, 2016

      Format: EPUB 3.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com – a part of Egmont, www.egmont.com

      Erstes Kapitel

      „Sechsten Dezember 1913. Speisefolge der Abendtafel. Offizierskasino des zweiten Husarenregiments König Karl Ferdinand.“ Darüber der gekrönte, sehr elegante Namenszug, der in der ganzen Provinz ein Ansehen genoss wie der fürstliche Protektor selbst, dessen Farben lustig an den Lanzen über den flotten Schwadronen flatterten.

      „Sind dies die neuen Menükarten, die Dellien in der Residenz besorgen liess?“

      Leutnant Graf Heitlingen stand an der gedeckten Tafel und hob mit der gepflegten Hand das Kartonpapier näher zu dem Monokel empor.

      „Ganz nett; — ein bisschen langer Sums! Hätte eigentlich genügt, wenn unter dem Namenszug Speisefolge gestanden hätte!“

      Der Angeredete, die brennende Zigarette im Mund, trat langsam näher aus der offenen Nebentür, die in das Rauch- und Lesezimmer führte.

      Er zuckte die Achseln. Ein leicht ironisches Lächeln hob die schmalen Nasenflügel des sehr scharf markierten Gesichts noch höher.

      „Sie unterschätzen Delliens Menschenkenntnis, lieber Conte! Er kennt sich auf den Grundton aus, auf den eine ganze Menge Festteilnehmer gestimmt sind, die sich nachher an diese Tafel setzen sollen!“

      Graf Heitlingen liess die etwas langen, schweren Augenlider verschleiernd über die Augen sinken und blickte über die drei langen, äusserst geschmackvoll und elegant gedeckten Tafeln des Speisesaals.

      Die weissen Damasttücher glänzten wie Seide, Silber und Kristall funkelten, dieses in den verschiedenen Gläsersorten in reizend abgetönten Farben, und das kostbare Porzellan aus Limoges schob seine gold- und blütengezierten Teller dazwischen.

      „Heda — Ordonnanz! — Wagen bereits in Sicht?“

      „Befehl, Herr Graf. — Etliche Herrschaften sind bereits in der Garderobe!“

      „Avanti, Dillfingen! Setzen Sie Ihre Begrüssungsvisage erster Garnitur auf und kommen Sie mit!“

      Der Genannte schritt an Heitlingens Seite nach den Empfangssalons, welche die diensteifrigen Hände der Gallonierten vor ihnen öffneten.

      Die breiten Flügeltüren schlugen zurück, und eine Flut von elektrischem Licht, aus dem geschliffenen Glas der Kronleuchter und Girandolen hervorbrechend, sowie die dezenten Duftwogen vornehm parfümierter Gemächer schlugen ihnen grüssend entgegen.

      Unter den reichen Bronzegehängen eines altvenezianischen Lüsters stand die Gruppe der bereits anwesenden Offiziere, in ihrer Mitte die sehr imposante Gestalt der Kommandeuse.

      „Madame la baronne hat zwei Lämmer im Schlepptau!“ — raunte Dillfingen seinem Kameraden Heitlingen zu, und dieser lächelte nur ein wenig ironisch, drückte das Augenglas noch fester ein und betrachtete ungeniert die Damen, die, nach dem Eingang des Saales gewandt, ihm den Rücken zukehrten.

      „Wenn der eine Engel nicht sehr viel Geld hat, so trieb der liebe Herrgott Missbrauch mit dem Worte ‚Weib‘!“ flüsterte er zurück „die Grössere mein’ ich. Entweder ist sie verwachsen oder die Taille sitzt schief. Nichts ist mir widerwärtiger als verwahrlost gekleidete Damen!“

      „Und hilflos dann so einer Tochter aus fremdem Hause gegenüberstehen ... das ist gleichbedeutend mit Selbstmord!“

      „Tochter aus fremdem Hause ist gut! Selbst wenn sie als Ihre Gattin Ihren Namen trägt?“

      „Mensch! Das ist doch nur eine standesamtliche Äusserlichkeit!“

      „Sehr gut!“

      „Oh ... man hat uns gesichtet. — Es hilft nichts. Da sie nun mal die bessere Hälfte vom Oberst ist und bleibt, müssen wir uns zu Füssen legen!“

      Der Husar lachte. „Hannemann, geh du voran, du hast die grössten Stiefel an ...“ — persiflierte er, gab sich mit leichtem Aufstöhnen einen Ruck und glitt auf dem spiegelnden Parkett mehr hofmännisch als militärisch der Gruppe unter dem Kronleuchter zu.

      Eine stumme Verbeugung; beinah sah es aus, als drückte der junge Offizier das Kinn wie in feiner Opposition steif gegen den Uniformkragen zurück.

      Die türkisblaue Samtschleppe der Frau Oberst wogte seitlich.

      Das frischwangig volle Antlitz wandte sich den beiden Husaren zu, was Dillfingen mit dem Ausdruck zu bezeichnen pflegte, „sie lässt die Gnadensonne vom Äquator über uns erstrahlen!“

      Und Frau von Strombeck lächelte auch tatsächlich sehr liebenswürdig und reichte die Handschuhnummer 6½ zum Kuss.

      Ein kalter, beinah feindseliger Blick Heitlingens streift die beiden Nichten der Gnädigsten. Erst die mit der schlecht geschnürten Taille, dann die andre mit der ganz verzwackten Frisur eines Kakadu.

      „Darf ich bitten, gnädigste Frau, mich den Damen bekannt zu machen!“

      Frau von Strombeck lächelt nach wie vor.

      Heitlingen ärgert sich und hört es äusserst gleichgültig, dass die Frau Oberst mit kurzer Handbewegung erst den Namen des Grafen, dann den ihrer beiden Schutzbefohlenen nannte, klar und betont: „Komtesse Plunck, — Fräulein von Waldeck-Wartenfels, meine Nichten.“

      Die Sporen klingen zusammen.

      Wird er um die Tanzkarte bitten?

      Nein, er zieht nur die linke Seite des Gesichts mit leichter Grimasse hoch, um das Augenglas zu balancieren und wendet sich an die junge Gräfin; — die mit der schiefgeschnürten Taille ignoriert er ganz absichtlich. Er kann derartige Toilettenverstösse nicht verzeihen, er kann es nicht.

      „Gnädigste Gräfin wollen den Winter hier tanzen?“

      Sie steht vor ihm wie ein magerer kleiner Spatz, an dem man alle Knochen zählen kann, reckt die spitze Nase recht impertinent in die Höhe und sagt schroff: „In Ermanglung von besserem. Daheim in der Residenz haben wir Hoftrauer bekommen, da bläst man seine Feder halt weiter!“

      Graf Heitlingen hebt den Kopf noch höher als sie den ihren und sieht noch kälter aus als zuvor, es weht wie Gletscherluft zu ihr herüber.

      Verwundert ist er nicht, er kennt auch diese neue Art herber Mädchenblüten, die wie die verkörperten Kampfansagen den Mann durch Grobheit brüskieren.

      „Dieses Wechselspiel zwischen Residenz und Provinz bleibt niemand erspart, Gräfin. Was das vergewaltigende Schicksal aus der Grossstadt heraustreibt, müssen wir als rettender Hafen aufnehmen, ebenfalls in Ermanglung von besserem!“

      „Tanzten Sie schon einen Winter in der Residenz?“ ironisiert sie mit scharfer Stimme.

      Er kneift die Augen zusammen. „Noch nicht!“

      Sie lächelt noch spöttischer. „Hatten Sie keinen Lotsen für den Hafen?“

      Heitlingen versteinert: „Hätte mein Onkel Roderich damals schon die Gardekürassiere als Kommandeur befehligt, würde ich in der angenehmen Lage gewesen