Frost & Payne - Die mechanischen Kinder Die komplette erste Staffel. Luzia Pfyl

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Название Frost & Payne - Die mechanischen Kinder Die komplette erste Staffel
Автор произведения Luzia Pfyl
Жанр Языкознание
Серия Frost & Payne - Die gesamte Staffel
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783958344112



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      Und dann war da noch die Sache mit dem Türschloss. Nachdenklich betrachtete Frost ihre rechte Hand. Normalerweise konnte sie jedes mechanische Schloss aus Metall öffnen. Noch nie hatte sich eines gewehrt. Sie hatte deutlich gesehen, dass es nicht aus Holz gewesen war, sondern aus gewöhnlichem Metall. Oder?

      Frost ächzte genervt auf und schwang die Beine vom Tisch. Sie musste sich beschäftigen. Alles Grübeln half ihr nicht weiter, wenn ihre Gedanken in einer Sackgasse steckten.

      Kurz entschlossen ging sie in die Küche, wo sie sofort von einer Dampfwolke eingenebelt wurde. »Helen?«, rief sie und wedelte mit der Hand vor dem Gesicht. Es roch nach Kernseife und Rosenwasser.

      »Ich bin hier, Miss«, kam es aus dem hinteren Teil des Raumes.

      Frost umrundete den Arbeitstisch. »Ich dachte, ich helfe dir mit der Wäsche.« Es war Waschtag, und Helen war bereits den ganzen Morgen damit beschäftigt, Frosts Kleider in einem riesigen Zeuber heißen Wassers zu schrubben. »Ich muss meine Hände beschäftigen.«

      »Das ist nicht nötig, Miss, ich komme schon zurecht.« Helen lächelte unbeholfen, die Arme bis zum Ellbogen im Wasser. Ihre blonden Locken klebten nass an ihrem Gesicht, ihre Wangen waren gerötet, und vom vielen Wasserdampf war ihre Kleidung klamm.

      »Keine falsche Bescheidenheit. Sag mir, was ich tun soll.«

      Helen richtete sich auf und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. Sie schaute Frost prüfend an, dann lächelte sie wieder. »Also gut. Die Wäsche dort drüben ist fertig gewaschen, aber sie muss noch ausgewrungen und aufgehängt werden.«

      Frost nickte und zog einen zweiten Holzzuber zu sich heran. Über dem Zuber hing eine Winde mit zwei Holzwalzen. Dann ging sie zum Wäscheberg und zog wahllos ein Kleidungsstück daraus hervor. Sie hatte noch nie selbst Wäsche auswringen müssen, denn bei Madame Yueh gab es für alles ein Dienstmädchen. Na, das konnte wohl nicht so schwer sein.

      Eine halbe Stunde später glühte ihr Gesicht, und die Haare klebten an ihrer Stirn. »Warum, zur Hölle, hat man nicht ein Gerät entwickelt, dass das alles von selbst macht?«, murmelte sie fluchend vor sich hin. »Ständig stehen neue Erfindungen in der Zeitung, Aether-Transmitter, Aether-Kommunikatoren, neue Antriebe für Luftschiffe und was weiß ich noch, aber keiner erfindet eine Maschine, die Wäsche wäscht.«

      »Die Männer machen die Erfindungen, Miss«, kam es schüchtern, aber mit fester Stimme von Helen, die soeben ein Fläschchen Rosenwasser in den Zuber leerte. »Männer wissen nicht, wie man Wäsche wäscht. Das ist Frauenarbeit.«

      Frost schaute auf und hielt verwundert inne. Sie sah Helen zu, wie sie eines von Frosts Nachthemden auf dem Waschbrett schrubbte. Ihre Hände waren rot und aufgeweicht. Eine Welle aus Zuneigung überkam sie. »Danke, Helen«, sagte sie.

      »Wofür, Miss?«

      »Dass meine Nachthemden immer nach einem Potpourri riechen.«

      Helen hörte auf zu schrubben und sah Frost irritiert an. Dann registrierte sie Frosts Grinsen und fing an zu lachen.

      Nachdem endlich alle Wäsche auf den Leinen in der Küche hing – draußen im Hinterhof wären ihre Kleider innerhalb von Minuten eingefroren –, setzte sich Frost zurück an den Schreibtisch. Die harte Arbeit hatte ihre Lebensgeister geweckt.

      Sie wollte gerade den Folianten aufschlagen, um ihn sich genauer anzusehen, als sie eine vertraute Gestalt über die Straße kommen sah.

      »Scheiße«, brummte sie. Michael. Ein Teil von ihr freute sich zwar, ihn zu sehen, der andere, bei Weitem dominantere Teil jedoch riet ihr, das Buch zu verstecken. Was sie auch tat. Hastig wickelte sie es in ein paar Lappen und legte es gerade in eine der Schubladen des Schreibtischs, als das Glöckchen über der Tür klingelte und mit Michael ein Schwall eisiger Luft ins Büro strömte.

      »Störe ich?«, fragte er, ohne Frost zu grüßen, und schaute sie fragend an. Hatte er etwa ihre hastigen Bewegungen bemerkt?

      »Dir auch einen guten Tag«, gab Frost gespielt beleidigt zurück und grinste ihn dann an. »Dich so schnell wieder in meinem Büro zu sehen, hätte ich nicht gedacht. Ist es diesmal ein Freundschaftsbesuch?«

      Michael nahm den Hut ab und setzte sich Frost gegenüber. Er gab sich nonchalant, doch Frost konnte die innere Anspannung, unter der er stand, deutlich sehen. Er konnte ihr kaum etwas verbergen, dafür kannten sie sich schon viel zu lange.

      »Nicht direkt«, antwortete er ihr und kam ohne Vorwarnung zum Punkt. »Konntest du das Buch bereits an dich bringen?«

      Frost blinzelte überrascht. In ihrer Brust brannte ein heißer Knoten, und ihre Hand berührte unbewusst die Ecke der Schublade, in der das Buch lag. Sie hatte es seit zwei Tagen in ihrem Besitz. »Nein, noch nicht. Ich habe noch anderes zu tun, weißt du?« Sie betonte den letzten Satz vorwurfsvoll. Sie hatte Michael noch nie gut anlügen können. »Warum die Eile?«

      Michael zuckte mit den Schultern und gab sich unbekümmert. »Madame Yueh möchte wohl wissen, ob du immer noch so gut bist wie vor einem halben Jahr. Wann hast du geplant, es dir zu holen?«

      »Bald.« Frost runzelte die Stirn. Michael schaute sie lange prüfend an, doch Frost hielt seinem Blick stand. »Ich habe meine Arbeit bisher noch immer zu Madame Yuehs Zufriedenheit ausgeführt. Warum sollte es diesmal anders sein?«

      »Ich führe nur aus, was mir aufgetragen worden ist. Kein Grund, mich anzufahren.«

      Frost verschränkte die Arme. »Sie bekommt das Buch, sobald ich es habe. Eine Frage, Michael: Was ist so wertvoll an diesem Folianten?«

      »Ich habe dir doch gesagt, dass er seit Generationen im Besitz der Yuehs ist«, antwortete Michael ausweichend. »Für Madame Yueh ist das Buch wertvoll, Lydia. Das sollte dir als Antwort reichen.« Er setzte den Hut wieder auf. Als er in der Tür stand, drehte er sich noch einmal um und schaute Frost lange an. Etwas, das Frost nicht klar deuten konnte, hatte sich in seine Augen geschlichen. »Du weißt, wo du mich findest. Und es wäre besser, wenn du das Buch bald lieferst.«

      War das ein gut gemeinter Ratschlag oder eine versteckte Drohung? Als Michael gegangen war, nahm Frost das Buch aus der Schublade und betrachtete es nachdenklich. Eine Idee breitete sich in ihrem Hinterkopf aus. Aber dafür brauchte sie professionelle Hilfe von einem Experten.

      »Helen, ich gehe noch einmal aus«, rief Frost durch die Wohnung und griff nach ihrem Mantel. Das Buch lag gut geschützt in ihrer Umhängetasche. »Sollte wider Erwarten jemand meine Dienste in Anspruch nehmen wollen, sag ihnen, sie sollen morgen wiederkommen.«

      Helen streckte den Kopf aus der Küche. »Und wenn es wichtig ist, Miss?«

      »Dann sollen sie warten, wenn sie warten wollen. Ich bin bald zurück.« Helen nickte, und Frost schloss die Tür hinter sich.

      Sie musste wissen, wie wertvoll dieses Buch wirklich war. Vielleicht war es der Schlüssel dazu, dass sie sich endgültig von Madame Yueh und der Organisation lösen konnte. Sie wusste, wie sehr ihre Ziehmutter Druckmittel verachtete, doch Frost hatte während all der Jahre in der Organisation genug gelernt, um nun etwas gegen die Patriarchin in der Hand zu halten.

      Und Frost wusste genau, wer ihr dabei helfen konnte. Zum Glück war das Britische Museum nicht weit.

      »Miss Frost?«

      Frost hielt inne und drehte sich um. Cecilia Payne kam auf sie zu. »Mrs. Payne, wie geht es Ihnen? Ich hatte Sie nicht erkannt, bitte entschuldigen Sie.« Sie war tatsächlich so in Gedanken gewesen, dass sie an der Frau vorbeigegangen war.

      Mrs. Payne lächelte kurz. »Konnten Sie schon etwas herausfinden?«

      Frost hätte sich beinahe mit der Hand an die Stirn geklatscht. Verdammt, den Pinkerton hatte sie vollkommen vergessen. Den musste sie ja auch noch finden. »Noch nicht, Mrs. Payne«, erwiderte sie. »Aber seien Sie versichert, dass ich mich sofort bei Ihnen melde, sollte ich Ihren Mann finden.« Sie hoffte, dass sie zuversichtlich genug klang.

      Mrs. Payne nickte