Klaudia die Flirtkanone. Marie Louise Fischer

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Название Klaudia die Flirtkanone
Автор произведения Marie Louise Fischer
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9788711719336



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      Jetzt lachte Dr. May laut heraus.

      „Daran ist gar nichts komisch“, fauchte Klaudia, „das ist eine ganz altmodische Art von Erziehung, daß ihr es nur wißt. Längst überholt. Gehört in die Mottenkiste.“

      „Die Eltern von Gerda halten einen Lesezirkel“, erklärte Sylvie, „da sind sämtliche Illustrierten drin, und in denen steht das.“

      „Ich lese Zeitungen, um mich zu bilden“, behauptete Klaudia mit Würde, „das ist doch nicht etwa ein Verbrechen?!“

      „Hat niemand gesagt“, bestätigte Dr. May und wischte sich die Augen trocken.

      Klaudia lehnte sich zurück, schlug die Arme übereinander und schaukelte mit den Hinterbeinen ihres Stuhls. „Da nun also feststeht, daß ihr die Entscheidung über unsere Köpfe hinweg getroffen habt … “

      „Du hast doch wohl nicht etwa erwartet, daß wir euch um Erlaubnis bitten?“ rief ihre Mutter dazwischen.

      „Was ich erwartet habe, spielt keine Rolle“, sagte Klaudia, „ich stelle hier lediglich die Tatsachen fest … “

      „Aber die kennen wir genausogut wie du!“ sagte Dr. May.

      „Würdet ihr bitte so gut sein und mich einmal aussprechen lassen?“ fragte Klaudia mit einem hoheitsvollen Lächeln. „Da die Entscheidung nun einmal gefallen ist … “

      Dr. May stieß einen tiefen Seufzer aus.

      „ … hat es ja gar keinen Zweck, wenn wir Einwände erheben“, fuhr Klaudia fort, „wir kämen damit ja doch zu spät. Also bleibt uns nichts anderes übrig, als nachträglich unser Einverständnis zu erklären.“

      „Du hast recht wie immer“, sagte die Schwester friedfertig, „wenn ich mir aber noch eine Frage erlauben darf …“

      Der Vater blickte auf seine Armbanduhr. „Nur zu! Wenn es sein muß, haben wir Zeit bis morgen früh.“

      „Aber so lange will ich dich doch gar nicht aufhalten, Vati! Ich weiß doch, du kannst es nicht vertragen, wenn man dich nicht in Ruhe deine olle Tagesschau ansehn läßt. Ich möchte nur wissen: wie wird denn das nun mit der Schule?“

      „Du kommst in Rosenberg in die Grundschule und Klaudia wieder ins Realgymnasium.“ Dr. May räusperte sich. „Allerdings ist das eine gemischte Schule.“

      „Was?“ fragte Klaudia dumm.

      „Da du so belesen bist, wirst du doch wohl wissen, daß man von einer gemischten Schule spricht, wenn Mädchen und Jungen in eine Klasse gehen.“ Sehr deutlich sagte er: „Koedukation … Gemeinschaftserziehung.“

      „Was soll denn dabei sein“, sagte Sylvie, „die haben wir auf der Grundschule ja auch.“

      „Stimmt. Aber auf den Höheren Schulen sind Jungen und Mädchen meist getrennt.“

      „Warum?“

      „Damit sie sich gegenseitig nicht stören.“

      Frau May fiel auf, daß Klaudia ganz still geworden war. „Was ist los mit dir?“ fragte sie. „Warum sagst du denn kein Wort?“ Sie stieß ihre Älteste an.

      Klaudia schrak zusammen, als erwache sie aus einem tiefen Traum. Beinahe hätte sie das Gleichgewicht verloren und wäre mitsamt ihrem Stuhl nach hinten gekippt. Aber im letzten Augenblick fing sie sich noch.

      „Was erwartet ihr denn von mir?“ rief sie. „Daß ich in Jubelrufe ausbreche? Ich werde mich ins Unvermeidliche schicken, und ich finde, das ist schon eine ganze Menge.“ Aber ihre blauen Augen glitzerten vor Unternehmungslust.

      Die Eitern sahen es nicht, wohl aber Syivie, und bei der nächsten Gelegenheit – das war aber schon viel später, sie hatten der Mutter geholfen, die Küche aufzuräumen, hatten sich gewaschen und schlüpften jetzt in die Betten – fragte sie: „Ich würde was drum geben, wenn ich wüßte, was du vorhin gedacht hast.“

      „Ich habe keine Ahnung, wovon du redest“, behauptete Klaudia unschuldsvoll.

      Aber Sylvie ließ sich nichts vormachen. „Ach, du weißt schon, als Vater erzählt hat, daß du in eine gemischte Klasse kommst.“

      „Was soll ich da schon gedacht haben?“

      „Gerade das möchte ich eben wissen“, bohrte Sylvie hartnäckig weiter.

      „Hm, soll ich es dir wirklich verraten?“

      „Ja, bitte, Klaudia, bitte, bitte!“

      „Na schön, dann will ich mal nicht so sein. Liegst du in den Federn? Gut.“ Klaudia hob ihren Arm und knipste das Licht aus.

      „Ich habe gedacht“, flüsterte sie geheimnisvoll im Dunklen, „das wäre eine gute Gelegenheit, auszuprobieren, ob mein Typ ankommt.“

      Sylvie sagte gar nichts, aber ihr Schweigen wirkte wie ein einziges großes Fragezeichen.

      „Vielleicht bist du ja auch noch zu klein, das zu verstehen“, bemerkte Klaudia von oben herab.

      „Na, erlaube mal!“ protestierte Sylvie. „Ich bin immerhin neun Jahre alt!“

      „Dann solltest du eigentlich schon wissen, wie wichtig es für ein Mädchen ist, Erfolg beim anderen Geschlecht zu haben … bei den Jungen, auf gut deutsch gesagt.“

      „Erfolg … wie?“ fragte Sylvie zurück. „Kann ich mir nichts drunter vorstellen.“

      „Daß sie alle auf einen fliegen … daß sie alle mit einem befreundet sein möchten, verstehst du?“

      „Aber was hast du denn davon? Mit Mädchen spielen ist doch viel schöner! Und außerdem, mit so’ner Riesenschar von Jungen … “

      „Sei doch bloß nicht dämlich! Natürlich will ich mir keine Riesenschar von Jungen anbändigen, sondern nur einen bestimmten.“

      „Wen denn?“

      „Den, der mir am besten gefällt. Aber den will ich mir aussuchen können, und das kann ich nur, wenn alle ganz wild auf mich sind.“

      „Viel Spaß“, sagte Sylvie und gähnte, „das wäre mir zu anstrengend. Und außerdem, finde ich, lohnt es sich nicht.“

      „Für dich nicht, weil du eben noch ein Kind bist. Mit neun Jahren ist man noch ein Kind und denkt wie ein Kind, aber mit dreizehn …“

      Sie wartete auf eine Antwort der Schwester, genauer gesagt auf einen Einspruch.

      Aber da hörte sie ein leises Schnarchen und mußte erkennen, daß Sylvie eingeschlafen war.

      „Typisch!“ sagte sie laut und ärgerte sich, daß sie sich auf dieses Gespräch überhaupt eingelassen hatte.

      Dann drehte sie sich auf den Rücken, verschränkte ihre Arme hinter dem Kopf und träumte mit offenen Augen von den fabelhaften Jungen in ihrer neuen Klasse und wie sie sie, das Mädchen aus der Großstadt, umschwärmen würden.

      Am liebsten wäre sie schon am nächsten Tag nach Rosenberg gefahren.

      Umzug und Start zur Schule

      Aber so rasch, wie Klaudia es sich erträumt hatte, verging die Zeit bis zum Umzug dann doch nicht. Und das war gut so, denn die Umstellung war gewaltig, und der Abschied fiel allen schwer. So sehr Klaudia sich auch auf ihre jungen Verehrer freute, so spürte sie doch, daß sie eine so gute Freundin wie ihre Klassenkameradin Gerda nicht so leicht wieder finden würde. Sie mußte sich mächtig zusammenreißen, um sich nicht anmerken zu lassen, wie traurig sie war.

      Sylvie ging es nicht anders. Auch sie verließ gute Freundinnen, die sie für unersetzlich hielt.

      Die Arzttöchter versprachen zu schreiben, und die Zurückbleibenden schworen, regelmäßig zu antworten. Ellenlange Briefe sollten gewechselt werden. Trotzdem spürten die Mädchen schon jetzt, daß beschriebenes Papier nie