Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper

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Название Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper
Автор произведения James Fenimore Cooper
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9788027209774



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unerwarteten Besuch merklich gemindert; aber nach einer kurzen Pause, als man in dem lächelnden Gesichte der jungen Dame ihre freundliche Teilnahme gewahrte, kehrte die Freimütigkeit des Morgens wieder zurück, obschon alle sich in der Gegenwart eines solchen Zuschauers mit mehr Anstand und weniger Ungestüm benahmen.

      »Aus dem Weg, ihr Jungen!« rief der Holzfäller, als er auf den Schießstand trat, »aus dem Wege, ihr jungen Spitzbuben, oder ich schieße Euch durch und durch. Nun, Brom, nehmt Abschied von Eurem Truthahn.«

      »Halt!« rief der junge Jäger, »ich bin gleichfalls ein Bewerber. Hier ist mein Schilling, Brom, ich wünsche, auch einen Schuß zu haben.«

      »Das mögt Ihr immerhin«, rief Kirby, »aber wie dann, wenn ich nur eine Feder des Puters streife? Habt Ihr soviel Geld in Eurer Ledertasche, daß Ihr für einen Schuß Zahlung leistet, der nie an Euch kommen wird?«

      »Was kümmert’s Euch, wieviel Geld ich in der Tasche habe?« entgegnete der Jüngling stolz. »Hier ist mein Schilling, Brom, ich mache mein Recht auf einen Schuß geltend.«

      »Nur nicht gleich oben hinaus, Junge«, sagte der andere, indem er ruhig seinen Flintenstein befestigte. »Man sagt, Ihr hättet ein Loch in Eurer linken Schulter; ich denke daher, Brom könnte Euch den Schuß zum halben Preise ablassen. Ich kann Euch sagen, Junge, es ist keine Kleinigkeit, den Vogel da zu treffen – selbst wenn ich Euch an die Reihe kommen ließe, was ich jedoch keineswegs im Sinn habe.«

      »Tut nicht so dick, Billy Kirby«, sagte Natty, indem er den Schaft seiner Büchse auf den Schnee stieß und sich an den Lauf derselben lehnte. »Ihr dürft nur einmal auf den Vogel schießen, und wenn der Junge auch sein Ziel verfehlt, was mich um seines steifen und kranken Armes willen nicht wundernehmen sollte, so kommt doch noch ein gutes Gewehr und ein altes Auge nach Euch. Mag sein, daß mein Schuß nicht mehr so sicher ist wie vordem; aber hundert Ellen sind eine kurze Entfernung für eine lange Büchse.«

      »Was, alter Lederstrumpf, Ihr seid auch schon auf den Beinen?« rief sein leichtfertiger Gegner. »Nun, ich lobe mir ein ehrlich Spiel. Ich habe die Vorhand vor Euch, alter Knabe; es handelt sich also um einen guten Braten oder ums Leerschlucken.«

      Die Züge des Negers drückten nicht nur die sein pekuniäres Interesse ins Auge fassende Teilnahme, sondern auch die gleiche Aufregung aus, die in den Gesichtern aller Zuschauer zu lesen war, – nur mit ganz verschiedenen Wünschen für das Ergebnis. Während der Holzfäller langsam und mit sicherer Hand die Büchse erhob, rief ihm der Eigentümer des Truthahns zu:

      »Ehrlich Spiel, Billy Kirby, – weiter zurück, – macht Platz, Jungen, – ich lasse mich nicht betrügen, – paß auf, Puter! Schüttle den Kopf, du Narr! Siehst du nicht, daß man auf dich zielt?«

      Diese Rufe, welche die Absicht hatten, die Aufmerksamkeit des Schützen auf etwas anderes abzulenken, verfehlten ihren Zweck gänzlich. Die Nerven des Holzfällers waren nicht so leicht zu erschüttern, und er nahm alsbald sein Ziel mit der größten Bedachtsamkeit. Einen Augenblick herrschte die tiefste Stille, und der Schuß fiel. Der Kopf des Truthahns duckte sich auf die eine Seite, und seine Schwingen breiteten sich für einen Augenblick aus, aber dann setzte er sich ruhig wieder in sein Bett von Schnee und sah scheu umher. Mit verhaltenem Atem dauerte das Schweigen noch eine Weile fort, aber dann wurde es durch den Neger unterbrochen, welcher ein Gelächter aufschlug und im Übermaß des Entzückens mit seinem Körper alle nur erdenklichen Verzerrungen vornahm und sich im Schnee wälzte.

      »Brav gehalten, Puter«, rief er, wieder aufspringend und auf den Vogel zueilend, als wollte er ihn umarmen. »Ich sagte ja, du sollest aufpassen und ihn hinters Licht führen. Gebt noch einen Schilling, Billy, und Ihr sollt einen zweiten Schuß haben.«

      »Nein«, sagte der junge Jäger, »die Reihe kommt jetzt an mich. Ihr habt schon mein Geld; tretet daher von der Scheibe weg, damit ich mein Glück versuchen kann.«

      »Ach, es ist hinausgeworfenes Geld«, entgegnete Lederstrumpf

      »Der Kopf und Hals eines Truthahns sind ein gar kleines Ziel für einen lahmen Arm. Es wäre besser, Ihr ließet mich schießen; vielleicht können wir dann wegen des Vogels mit der Dame ein Abfinden treffen.«

      »Der zweite Schuß gehört mir«, entgegnete der junge Jäger. »Macht Platz, daß ich mein Ziel nehmen kann!«

      Der Streit hinsichtlich des letzten Schusses ließ nun nach, da sich herausgestellt hatte, daß der Truthahn notwendig getötet worden wäre, wenn sein Kopf anders gestanden hätte. Die Vorbereitungen des Jünglings veranlaßten keine besondere Aufregung; er nahm hastig sein Ziel und war eben im Begriff abzudrücken, als er von Natty aufgehalten wurde.

      »Eure Hand zittert, Junge«, sagte er, »und Ihr seid allzu eifrig. Kugelwunden sind wohl imstande, die Kraft zu mindern, und nach meinem Dafürhalten werdet Ihr nicht so gut wie sonst schießen. Wenn Ihr feuern wollt, so muß es rasch geschehen, ehe Eure unsichere Hand vom Ziel abgleiten kann.«

      »Ehrlich Spiel!« rief der Besitzer wieder. »Laßt einem Neger ehrlich Spiel! Welches Recht hatte Natty Bumppo, dem jungen Manne Rat zu erteilen? Laßt ihn schießen! Platz gemacht!«

      Der Jüngling feuerte rasch, aber der Truthahn rührte sich nicht, und als man nach dem Einschlag der Kugel spähte, stellte sich’s heraus, daß sie sogar den Baumstumpf verfehlt hatte.

      Elisabeth beobachtete den Wechsel in seinem Gesicht und konnte sich eines Gefühls von Überraschung nicht erwehren, als sie bemerkte, daß ein Mann, der augenscheinlich weit über seinem Gefährten stand, sich so sehr einen unbedeutenden Verlust zu Herzen nahm. Aber nun kam ihr eigener Kämpe an die Reihe.

      Broms Freude über das Fehlen des zweiten Schützen, obgleich sie sich nicht so ungestüm äußerte wie früher, verschwand gänzlich, als Natty auf den Stand trat. Seine Haut bekam große braune Flecken, die sich auf dem Ebenholzglanz der übrigen Partien abscheulich ausnahmen, während sich seine ungeheuren Lippen allmählich an die beiden Elfenbeinreihen andrückten, die bisher wie in Pech gefaßte Perlen aus seinem Gesichte hervorgeleuchtet hatten. Seine Nasenlöcher, bei weitem der hervorragendste Teil seines Gesichtes, dehnten sich aus, bis sie mehr als dessen halbe Breite einnahmen, während seine braunen Knochenhände unwillkürlich in die Schneekruste griffen, so sehr hatte die Aufregung des Augenblicks seinen angeborenen Widerwillen gegen die Kälte besiegt.

      Während der schwarze Eigentümer des Puters auf diese Weise seine Angst kundgab, blieb der Mann, der diese außerordentliche Aufregung veranlaßte, so ruhig und gefaßt, als hätte er auch nicht einen einzigen Zeugen seiner Geschicklichkeit.

      »Ich war – gerade bevor der letzte Krieg ausbrach – drunten in den holländischen Ansiedlungen am Schoharie«, fing Natty an, indem er sorgfältig die Lederkapsel von dem Stahl seines Büchsenschlosses abnahm, »wo die Jungen gleichfalls ein Wettschießen hielten, an dem ich teilnahm. Wie rissen da die Holländer nicht ihre Augen auf, als ich das Pulverhorn, drei Stangen Blei und ein Pfund so gutes Pulver, als nur je eins von der Pfanne aufblitzte, gewann! Es begann ein Fluchen, zu Gottes Erbarmen, und ich erfuhr nachher, daß ein betrunkener Holländer gesagt hatte, er wolle mich kaltmachen, ehe ich wieder an den See zurückkehre. Aber hätte er seine Büchse mit böser Absicht angesetzt, so würde ihn Gott dafür gestraft haben; und wäre dies nicht der Fall gewesen, und hätte er sein Ziel verfehlt, so kenne ich einen, der ihm’s würde so gut und noch besser heimgezahlt haben, als es von ihm gemeint war, wenn anders eine gut geführte Büchse in Rechnung zu bringen ist.«

      Mittlerweile hatte der alte Jäger seine Vorbereitungen beendigt; er stellte den rechten Fuß rückwärts, streckte seinen linken Arm dem Gewehrlauf entlang und erhob denselben gegen den Vogel. Jedes Auge blickte rasch von dem Schützen nach dem Ziel, aber in dem Augenblick, als man den Knall der Büchse zu vernehmen erwartete, ließ sich nichts als das Picken des Steins vernehmen.

      »Abgeschnappt! abgeschnappt!« jauchzte der Neger, indem er aus seiner zusammengekauerten Stellung wie ein Wahnsinniger aufsprang und zu seinem Vogel eilte. »Ein Abschnappen ist so gut wie ein Schuß – Natty Bumppos Gewehr hat geschnappt; Natty Bumppo hat den Hahn nicht getroffen!«

      »Natty Bumppo