COLD BLACK. Alex Shaw

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Название COLD BLACK
Автор произведения Alex Shaw
Жанр Языкознание
Серия Aidan Snow Thriller
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783958352001



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      »Iss.« Fox klatschte zwei Eier, drei Streifen Bacon und ein Paar Würstchen auf einen Teller. »Denn es könnte kein Morgen für uns geben.«

      Arizona Bar & Grill, Kiew, Ukraine

      Gennadij Dudka freute sich darauf, seinen ältesten Freund Leonid Suchoi wiederzusehen. Er lächelte versonnen in Gedanken an längst vergangene Zeiten. Sie hatten gemeinsam in der Roten Armen gedient, bevor sie als KGB-Grenzwächter ausgesucht worden waren. Als solche hatten sie einen langen Atem bewiesen und sich in der Hierarchie hochgearbeitet, bis Suchoi nach Weißrussland und Dudka in die Ukraine versetzt worden war, beide also in ihre jeweilige Heimat. Im Laufe der Jahre hatten sie sich so regelmäßig getroffen, wie es im Rahmen ihrer Arbeit machbar war, und über ihre beiden KGB-Abteilungen möglichst oft kollaboriert.

      Dann jedoch brach 1991 an, und die mächtige Sowjetunion implodierte. Die zwei Freunde arbeiteten auf einmal für unterschiedliche Staaten: Suchoi war nun beim weißrussischen KGB angestellt, Dudka beim ukrainischen SBU, obwohl sein Land wenig mehr als den Sowjetnamen abgelegt hatte. Im Zuge der Neunziger und jetzt des neuen Jahrtausends war die Ukraine Schritt für Schritt aus dem Schatten des ehemaligen Großreichs getreten und näherte sich – wenn auch nur langsam – dem Westen beziehungsweise der EU an. Weißrussland indes hatte versucht, das Bündnis wiederaufzubauen, und zunächst einen »Unionsstaat Russland und Weißrussland« und dann einen größeren »slawischen Staat« mit Russland, dem damaligen Jugoslawien und der Ukraine schaffen zu wollen. Jugoslawien war im Bürgerkrieg zerfallen, bevor es die Gelegenheit zur Unterzeichnung bekam, und die Ukraine hatte ihre Pforten vor den Nachbarn verschlossen gehalten, weil sie zu beschäftigt damit gewesen war, ihren neuen Besucher zu unterhalten, den Westen. Nun war Weißrussland von fast allem außer der berüchtigten »Achse des Bösen« und Russland isoliert, stand also allein auf weiter Flur und wurde fast gänzlich ignoriert – als Überrest der Sowjetunion, der weder zur Vergangenheit noch in die neue demokratische Zukunft Europas passte.

      Dudka hatte seinen Freund seit – er zählte es an einer Hand ab – knapp drei Jahren nicht gesehen. Er wunderte sich. War es wirklich schon so lange her, dass Leonids Enkeltochter ihren eigenen ehrgeizigen KGB-Beamten aus Minsk geheiratet hatte? Die Jahre waren gerast und beide nunmehr Anfang siebzig, weshalb Dudka allmählich die Einsicht gewonnen hatte, dass weder Leonid noch ihm viel Zeit zum Leben blieb. Er selbst fühlte sich rüstig wie eh und je, doch er bangte um seinen Freund, der zwar größer, aber seit je zarter besaitet gewesen war. Der Kopf des Büros zur Bekämpfung von Korruption und organisiertem Verbrechen beim ukrainischen Geheimdienst fasste den Beschluss, zukünftig engeren Kontakt mit denjenigen zu halten, die ihm etwas bedeuteten.

      Das Restaurant füllte sich an diesem Sonntag allmählich mit den ersten Gästen. Es war erst kurz nach Mittag, und Leonid musste jeden Moment auftauchen. Die Bedienung fragte Dudka erneut, ob er »bereit zum Bestellen« sei, und er erklärte zum zweiten Mal, auf jemanden warten zu müssen, aber Sie könne ihm einfach ein Glas Wasser bringen und die Klimaanlage niedriger stellen. Ihn fröstelte schon draußen trotz des milden Wetters Anfang September, doch hier drin kam es ihm vor wie im tiefsten Winter. Als sein Wasser kam, klirrten Eiswürfel darin – eine Idee der Amerikaner. Er strafte die Frau mit einem säuerlichen Blick ab. Das entging ihr, und sie zog sich wieder zurück, als er bemerkte, dass sein alter Freund das Lokal betrat.

      Dudka strahlte ihn an, streckte ihm beide Hände entgegen und schüttelte Leonids, bevor er ihn umarmte. »Mein lieber Freund, wie gut es tut, dich zu sehen!« Er sprach von Herzen; Leonid bedeutete ihm so viel wie ein Bruder.

      Suchoi lächelte ebenfalls, aber nicht ganz so warmherzig. »Geht mir genauso, altes Haus.«

      Dudka trat einen Schritt zurück, um seinen Gefährten anzuschauen. Leonid hatte zugenommen – Hemd und Jackett schienen ein wenig zu eng zu sein – und fühlte sich augenscheinlich unwohl. Sie setzten sich.

      »Ich hoffe, dein Flug vom Internationalen Flughafen Minsk verlief reibungslos.« Das war scherzhaft gemeint, denn von »international« konnte eigentlich weder in Hinblick auf den Flughafen noch die Fluggesellschaft die Rede sein.

      Suchoi lächelte gezwungen.

      Dudka fragte argwöhnisch: »Was ist denn los?«

      Sie unterbrachen, während die Bedienung mehr Wasser brachte, und bestellten schnell, bevor sie wieder verschwinden konnte.

      Suchoi trank aus seinem Glas und wischte sich dann die Stirn ab. Er schwitzte. »Genna, du bist der einzige Mensch, an den ich mich wenden kann – der einzige, dem ich traue.«

      Da blickte Dudka ernst drein. »Was auch immer in meiner Macht steht, um dir zu helfen, werde ich tun, das weißt du, Leonija.«

      Das Oberhaupt der Dritten Hauptdirektion des weißrussischen KGB nickte. Er befand sich in einer heiklen Lage – so heikel gar, dass er das Land hatte verlassen müssen, in dem er Befehlsgewalt innehatte, und in die Ukraine gereist war, um Beistand zu erbitten. Er schaute sich beklommen im Restaurant um. Er hatte es im Grunde nur willkürlich gewählt, sich aber dann darüber gefreut, dass es sich als bevorzugtes Lokal von Ausländern erwies, also kaum von alten Sowjets.

      »In meiner Regierung walten gewisse Kräfte, die das Land gerne zerstören würden.« Suchoi schlug einen dringlichen Ton an, und seine Worte blieben im Raum stehen, als die Suppe der beiden gebracht wurde. Borschtsch, eines der wenigen ukrainischen Gerichte auf der Karte.

      »Lukaschenko hat bislang gute Arbeit geleistet, weshalb ich ihn weitermachen lassen würde.« Dudka tunkte sein Brötchen in die Schale und biss die durchweichte Seite ab; seine Bemerkung triefte vor Sarkasmus.

      Suchoi fiel auf, dass ein Brösel auf die Krawatte seines Freundes rieselte. Beide wussten, dass sie sich in ihrer schlechten Meinung über den Präsidenten Weißrusslands einig waren. Das Problem dort bestand darin, dass man nur schwerlich Gleichgesinnte fand, was dies betraf. Alle Staatsbürger in ihrem Alter hatten zu viel zu verlieren, und jüngere Generationen waren während Lukaschenkos schon zu langer Regierungszeit gehirngewaschen worden.

      »Etwas Schreckliches ist in Planung – etwas, das sehr wahrscheinlich das Ende der weißrussischen Nation bedeutet.«

      Dudka hielt mit vollem Löffel in der Hand inne, sodass die Suppe zurück in die Schale platschte und seine Krawatte bespritzte. Sein Freund war mehr denn je besorgt. »Was genau soll das sein?«

      Der KGB-Mann schluckte mühselig. Zur Kontaktaufnahme eignete sich das Restaurant durchaus, doch im Folgenden wollte er kein Risiko eingehen. »Können wir irgendwohin ausweichen, wo wir sicher sind?«

      Dudka sah ihn verkniffen an. »Ja. Meinst du das ernst?«

      Suchoi bekräftigte: »Ich brauche Hilfe, Genna.«

      Da wusste sein Freund, dass er nicht weiter zu bohren brauchte. So blieben beide still hocken und löffelten ihre Suppe aus. Der Appetit auf die Hauptspeise war ihnen vergangen.

      Nachdem Dudka gezahlt hatte, brachen sie auf. Er hatte seinen Wolga, einen Regierungswagen, gleich draußen geparkt. Die jüngeren Angestellten des SBU erhielten neue VW Passats, doch er zog sein altes Auto vor. Er nickte dem Wachmann des Restaurants zu, der mit seiner Militärhose im zünftig grau-blauen Flecktarn der Stadt eher wie ein Kommandosoldat als ein besserer Türsteher aussah, und entriegelte den Wagen, der wenige Meter vorm Eingang stand. Der Verkehr donnerte auf dem Nabereschno-Chreschtschatyk-Boulevard entlang, der quer durch Kiew verlaufenden Uferschnellstraße.

      Suchoi sah sich nervös um, als er die Beifahrertür öffnete. Plötzlich stöhnte er, kippte vorwärts und schlug auf die Motorhaube, von der er abrutschte und auf den Asphalt sackte.

      »Leonija!« Dudka lief für einen Mann seines Alters schnell auf die andere Seite des Fahrzeugs. Er hörte ein Prasseln wie von dicken Hagelkörnern und sah Suchois Leib am Boden zucken. Da warf er sich nieder. Jemand feuerte mit einem Schalldämpfer auf sie! Während er flach auf dem Bauch liegen blieb, streckte er einen Arm aus und griff nach Suchois Hand. Er spürte eine Erschütterung und dann einen stechenden Schmerz im Gesicht. Obwohl es wehtat, langte er erneut nach seinem Freund. Dieser hatte keinen Puls mehr. Als Dudka seinen Kopf anhob, sah er einen