Pferdeferien oder die Reise nach Kopenhagen. Örjan Persson

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Название Pferdeferien oder die Reise nach Kopenhagen
Автор произведения Örjan Persson
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9788711442043



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sagte. Er war groß und sah vornehm aus, kerzengerade stand er da und strich sich ständig eine graue Locke, die ihm über das linke Auge fiel, zurück. Als ich ihn so ansah, dachte ich, daß er vor vielen Jahren sicher ein fescher Mann war.

      Seine Frau, die uns in der Halle begrüßte, sah auch sehr gut aus. In einem seidenen Kleid und mit Diamanten an den Handgelenken und um den Hals schien sie sich gerade für ein größeres Fest zurechtgemacht zu haben.

      Ich fühlte mich wie ein Trampel, als ich in meinen alten Jeans und dem verschwitzten T-Shirt in die Halle stolperte. Was sie wohl von uns hielten?

      Von der Halle mit den Portraits der Ahnen und einigen Jagdtrophäen kamen wir in einen Salon, in dem der Teetisch gedeckt war, mit Tellern und Tassen und einem großen Tablett mit köstlichen, belegten Broten!

      Gräfin Olsson bediente uns.

      „Heutzutage ist es schwierig mit Personal. Man muß alles selber tun“, sagte sie und schenkte uns ein.

      Wir nahmen uns von den Schnitten. Ich begann mit einem Käsebrot. Der Belag sah zwar nicht ganz frisch aus, aber ich war hungrig und biß kräftig hinein. Aber es war vergeblich, ich kam nicht durch. Das Ganze war steinhart! Offensichtlich waren alle Schnitten so, denn ich sah, daß sich auch die anderen ungläubig anstarrten. Das zweite Brot, das vor mir lag, war mit Leberpastete bestrichen, und ich sah, daß sie an einer Seite schimmelig war.

      „So ein hartes Brot!“ sagte Oskar, der rechts neben mir saß.

      „Still, du Idiot!“ fauchte ich und trat ihm auf den Fuß.

      „Oh, sind sie hart geworden?“ klagte die Gräfin. „Das ist mir sehr unangenehm. Ich habe sie rechtzeitig vorbereitet, damit bestimmt alles fertig ist, wenn ihr kommt.“

      „Wann denn?“ fragte der freche kleine Oskar.

      „Gestern morgen, wenn ich mich nicht irre“, antwortete die unglückliche Gastgeberin.

      „Hm, ich glaube sogar, es war vorgestern“, berichtigte ihr Mann und strich sich die Locke aus der Stirn. „Ich habe doch gesagt, das ist ein bißchen früh.“

      „Vielleicht kann man das Brot eintunken“, schlug die Gräfin vor und zupfte nervös an ihrem Seidenkleid.

      Ich würgte die Käseschnitte herunter, aufgeweicht in lauwarmem, dünnem Tee, das Stück mit der Pastete ließ ich liegen.

      „Ich glaube, die Kinder sind müde“, sagte Cilla. „Wo können wir schlafen?“

      „Im Ostflügel“, antwortete der Graf. „Wir haben ein paar Betten aufgestellt, sonst gibt es da nicht sehr viel Mobiliar. Der Trakt hat viele Jahre leergestanden. Ihr könnt dort einziehen und euch einrichten, wie ihr wollt. Ich bringe euch hin.“

      Wir gingen hinaus, vorbei an den blutrünstigen Löwen, überquerten den knirschenden Kiesplatz und betraten den Ostflügel. Der Graf öffnete eine quietschende, schwere Tür, und wir standen in einem stockdunklen Gang.

      „Mit Licht sieht es hier schlecht aus“, sagte der alte Herr. „In die Schlafzimmer habe ich aber Lampen gestellt. Und wenn ihr nachts auf die Toilette geht, müßt ihr die Taschenlampe mitnehmen.“

      „Wo ist die Toilette?“ fragte Cilla.

      „Im oberen Stock. Da ist auch eine Dusche. Man geht die Treppe neben der Küche, die am Ende des Flügels ist, hinauf, dann am Billardtisch und an drei hintereinanderliegenden Zimmern vorbei. Auf der Toilette gibt es ein Licht. Nur der Weg dorthin ist dunkel. Die elektrischen Leitungen sind nicht mehr in Ordnung.“

      „Wunderbar“, sagte Cilla, „daß auf der Toilette Licht ist!“

      Ich hörte die Ironie in ihrer Stimme, aber der Graf merkte offenbar nichts. Ich beschloß jedenfalls, in der Dunkelheit möglichst nicht pinkeln zu müssen.

      „Deine Idee mit Gotland war vielleicht gar nicht so dumm“, flüsterte ich Kerstin zu.

      Sie antwortete nicht.

      Wir bekamen vier Zimmer, vier riesige, entsetzlich hallende Räume mit ein oder zwei Betten in der einen Ecke und einer Kommode oder einigen Stühlen in der anderen.

      „Wie gefällt es euch?“ fragte der Graf.

      „Ausgezeichnet“, stieß Papa mühsam hervor. „Wir werden hier ja nur schlafen. Was meinst du Cilla?“

      „Ja, natürlich.“ Cilla seufzte. „Aber ich meine, wir sollten alle in zwei Zimmer zusammenziehen. Wir brauchen keine vier.“

      „Zieht ihr zusammen, ich will jedenfalls allein schlafen“, sagte ich entschlossen.

      Papa schaute mich etwas erstaunt an.

      „Ist es nicht besser, wenn die Kinder in einem und wir Erwachsene in einem anderen Zimmer schlafen?“

      „Nein danke, ich möchte gerne ein eigenes Zimmer“, sagte ich eigensinnig.

      „Ich will nicht allein mit Kerstin schlafen“, sagte Oskar. Das Schloß war ihm nicht geheuer. Er war nicht mehr so übermütig wie neulich, als wir zu Hause in der warmen Küche saßen.

      „Ich hatte gedacht“, sagte Papa etwas enttäuscht, „daß Cilla und ich ein bißchen für uns sein könnten, wenn wir schon mal Ferien haben ...“

      „Ja“, sagte ich und zuckte mit den Schultern, „wie das gehen soll, weiß ich zwar nicht, aber ihr werdet schon eine Lösung finden. Ich möchte jedenfalls mein eigenes Zimmer haben!“

      Papa wirkte nicht besonders fröhlich, er war aber zu müde, um zu protestieren. Und ich fand, wenn er und Cilla zu Hause ihr gemeinsames Zimmer haben, so können sie sich in den Ferien um die Kinder kümmern und nicht nur an sich denken. Und ich wollte ein eigenes Zimmer haben. Unbedingt.

      Obwohl ich es ein bißchen bereute, als ich in das kalte, harte Bett kroch. Es war wirklich unheimlich hier. Die hohe Decke war durchzogen von Rissen. Hoffentlich fällt nicht der Putz herunter, dachte ich. Spinnen gab es sicher auch da oben. Und die Tür zum Gang schloß nicht richtig, abschließen ging also nicht. Ich hatte einen Stuhl davorgestellt; sollte sich jemand hereinschleichen wollen, würde der Stuhl umkippen, ein Geräusch, das man sicher im ganzen Ostflügel hörte und das die übrige Familie wecken würde.

      Neben meinem Bett stand eine alte, wackelige Stehlampe mit einem Messingfuß voller Grünspan und einem verknitterten Schirm. Die Lampe hatte keinen Schalter, man mußte, um sie auszumachen, den Stecker herausziehen. Ich entdeckte aber, daß die Lampe auch ausging, wenn ich gegen den Messingfuß stieß, offenbar war da ein Wackelkontakt.

      Ich dachte jedoch nicht daran, die Lampe auszumachen. Ich ließ sie brennen für den Fall, daß sich Spinnen von der Decke zu mir abseilten. Dann konnte ich sie sehen und gnadenlos vernichten.

      Da lag ich nun, stocksteif und alle Nerven bis zum Zerreißen gespannt. Lange lag ich so. Draußen in den Bäumen rauschte es, endlich kam das erste Licht des Morgens, und die Vögel fingen zögernd an zu zwitschern. Plötzlich hörte ich Schritte auf dem Kieshof. Langsam und schleppend kamen sie näher, bis zu meinem Fenster, da verstummten sie. Mein Herz klopfte. Ich hörte auf zu atmen und starrte hinüber zum Fenster in der Erwartung, daß gleich ein Gesicht in dem Spalt zwischen Fenstersims und Gardine auftauchte.

      Aber es tauchte kein Gesicht auf, zum Glück, denn das hätte ich nicht überlebt. Die Schritte auf dem Kies waren erneut zu hören, aber nach einigen Minuten war dann alles still.

      Ich fing wieder zu atmen an, mein Herz klopfte weiter wie wild. Dann bin ich vermutlich eingeschlafen und erwachte wie vorausgesehen von dem Stuhl an der Tür, der umfiel.

      „Hilfe!“ schrie ich gellend.

      Schließlich begriff ich, daß es Papa war, der da stand und den Stuhl aufstellte, um hereinkommen zu können.

      „Was ist denn mit dir los?“ fragte er beunruhigt.

      „Ich ... ich habe wahrscheinlich geträumt“, stieß ich hervor.

      „Hast