Ein Licht in der Dunkelheit. Bo R. Holmberg

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Название Ein Licht in der Dunkelheit
Автор произведения Bo R. Holmberg
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9788711461488



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flüsterte seinen Namen mehrere Male, aber er schlief einfach weiter. Er war doch hoffentlich nicht tot? Wenn er nun auch starb ...

      „Martin!“, rief sie, so laut sie konnte.

      Sein Kopf ruckte zur Seite, und er sah sich erstaunt um. Als er seine Schwester in der Türöffnung entdeckte, bückte er sich, kriegte einen seiner Reeboks zu packen und warf damit nach ihr.

      „Raus!“, schrie er.

      „Es hat geschneit“, sagte Agnes und schlug die Tür hinter sich zu.

      An der Haustür klingelte es.

      Das war Mirjam.

      An diesem Tag wurde alles weiß. Es war, als ob jemand eine Decke über all das Braune gebreitet hätte. Es war, als ob alles plötzlich viel heller wurde, wie wenn man die Augen fest schließt und sie dann wieder ein bisschen öffnet. Wenn die Sterne im Kopf verschwunden sind. So weiß wurde es. Auf Straßen und Wegen blieb der Schnee auch liegen, jedenfalls für eine Weile. Einige Flocken blieben an den Bäumen hängen. Und auf den blauen Containern beim Supermarkt lag der Schnee wie dünner Puder.

      Auf dem Heimweg von der Schule sah Agnes die Container mit dem Schnee. Sie hielt Abstand von ihnen. Sie wollte sie nicht sehen. Aber sie guckte doch hin. Zu den kleinen schwarzen Öffnungen mit dem schwarzen Gummi.

      Sie fühlte es im ganzen Körper. Sie wollte schnell weg von hier, aber heute musste sie es wieder tun. Sie hatte vergessen, dass sie diesen Weg eigentlich nicht gehen wollte, sondern hinterm Supermarkt vorbei und dann den Hügel hinauf. Dann hätte sie die Container nicht gesehen. Aber jetzt musste sie trotzdem hin.

      Den schweren Deckel konnte sie nicht öffnen. Aber sie ging zu den schwarzen Löchern, stellte die Einkaufstüte ab, stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte das schwarze Gummi mit zitternden Fingern ein. Dann rief sie: „Ist da jemand?“

      Sie reckte sich, sosehr sie konnte, und versuchte hineinzuspähen, aber da lagen nur Zeitungen in einem einzigen Durcheinander. Sicherheitshalber rief sie noch einmal, aber es kam keine Antwort.

      Dasselbe machte sie bei dem anderen Container, dem mit Pappe und Cornflakes-Kartons.

      Aber sie bekam keine Antwort.

      Sie hob die Einkaufstüte auf den Arm und ging weg. Erst als sie sich ein Stück entfernt hatte, atmete sie ruhiger.

      Sogar auf dem Friedhof war der Schnee liegen geblieben. Die Grabsteine sahen aus, als ob sie Mützen hätten.

      Heute Abend schreibt Papa in sein Buch, dass der erste Schnee gefallen ist!

      Agnes und Douglas

      Jm Speisesaal saß Agnes neben Douglas.

      Hier durfte Douglas seine Mütze nicht aufbehalten und auch nicht im Klassenzimmer. Er setzte sich drauf, damit sie ihm niemand klaute. Aber sonst hatte er sie ständig auf dem Kopf. Wenn die Stunde vorbei war, zerrte er die Mütze hervor und platzierte sie auf seinem Schädel. Fast alle Jungen hatten Mützen, auf denen Namen von Eishockey-Mannschaften standen. Auf Douglas’ Mütze stand „Foppas Club, Colorado, Avalanche“.

      „Das liegt in Denver, USA“, pflegte er zu sagen.

      Er hatte immer noch fünf Autogramme von Peter Forsberg. Die hatte er sich im Sommer besorgt, als Foppa in der Stadt gewesen war. Die Clubmitglieder hatten auf der Treppe zur Arche gestanden und die halbe Stadt hatte sich dort versammelt. Douglas hatte seine Mutter, seinen Vater und seine Tanten hingeschickt und war selbst dreimal hingegangen. Dabei hatte er acht Autogramme ergattert. Zwei hatte er an Kevin und Oskar verkauft.

      Und eins hatte Agnes bekommen.

      Sie hatte es mit einer Heftzwecke ganz oben an der Pinnwand in ihrem Zimmer befestigt, wo es gut zu sehen war. Das Papier war ein wenig zerknüllt, aber sie hatte es mit dem Bügeleisen geglättet. Gleich daneben hing ein gelbes Bonbonpapier von Rollo, das sie auch von Douglas bekommen hatte.

      Ohne Mütze war sein Gesicht größer. In einem Ohr trug er einen Ring und sein Haar war ganz kurz geschnitten. Es war hell und fast nicht zu sehen. Seine Oberlippe hing in der Mitte ein wenig herunter, das sah aus wie eine kleine Wiege.

      Es gab Fisch und Douglas hatte sich nur Milch und fünf Scheiben Knäckebrot und genauso viele Päckchen Margarine genommen. Ganz außen auf Agnes’ Teller lagen eine Kartoffel und ein winziges Stück Dorsch.

      Douglas öffnete das erste Margarinepäckchen und quetschte die Margarine auf sein Knäckebrot. Dann fing er an zu knabbern. Mit einem Platsch landete eine Kartoffel an seiner Stirn. Er guckte sich um. Die Lehrerin saß da, als ob sie eingeschlafen wäre.

      „Das war Oskar“, zischte Agnes Douglas zu. „Das kriegt er in der Pause zurück.“

      Douglas steckte sich ein Päckchen Margarine in die Hemdentasche, ohne dass es die Lehrerin bemerkte.

      Schlief sie wirklich?

      Jedenfalls waren ihre Augen geschlossen und der Mund halb offen.

      Agnes starrte sie fasziniert an. Bald würde sie über dem Tisch zusammensacken.

      Alle waren still geworden, alle starrten Elna an. Ihr Kopf pendelte hin und her.

      Jetzt, dachte Agnes.

      Sie guckte Douglas an. Im selben Augenblick wandte er sich ihr zu und ihre Nasen stießen zusammen.

      „Hoppla“, sagte Douglas.

      In Agnes’ Nase brannte es, aber es war ein schönes Brenngefühl.

      „Jetzt fällt sie gleich mit dem Gesicht in den Fisch“, flüsterte Agnes.

      Alle glotzten. Elnas Kopf pendelte in immer größeren Kreisen. Agnes hielt den Atem an.

      Plötzlich ging ein Zucken durch Elna und sie schlug die Augen auf. Es war, als ob jemand eine Tür aufgerissen hätte.

      Die Lehrerin sah sich mit weit offenen Augen um.

      „Also“, sagte sie, „seid ihr jetzt fertig?“

      Agnes und Douglas standen gleichzeitig auf, und als sie die Stühle unter den Tisch schoben, berührten sich ihre Hände.

      Douglas lief davon. Agnes überlegte, ob sie ihm nachlaufen sollte. Sie entschied sich, nur schnell zu gehen. Als sie in die Halle kam, stand Oskar da und sein Gesicht war voller Margarine. Aber er lachte nur. Douglas war nicht zu sehen.

      Agnes entdeckte Douglas’ Daunenjacke. Sie war dunkelblau. Sie hängte ihre daneben. Dann ließ sie ihre Hand über den Rücken seiner Jacke gleiten, als ob sie sie glatt streichen wollte.

      Der Tanz-Band-Gitarrist

      Papa hatte zwei Autos.

      Das eine war ein Van, der hinten offen war. Dort lagen aufgerollte Teppiche und Maschinen, Messer und Kleber, alles, was Papa brauchte, wenn er arbeitete. Und das tat er fast ständig. Alles lag durcheinander. Das Auto war weiß, aber immer schmutzig. Es sieht aus wie Arvid Anderssons Zähne, dachte Agnes oft.

      Arvid war ein alter Mann, der manchmal, wenn Papa zu Hause war, auf eine Tasse Kaffee hereinschaute. Er goss den Kaffee in die Untertasse und schlürfte ihn dann in sich hinein. Er blinzelte dauernd, und wenn er redete, sah man nichts als Zähne. Und die sahen aus wie Papas Van.

      Das andere Auto war rot, ein alter Golf.

      In dem saßen sie jetzt, Agnes und Stig.

      So hieß er, ihr Papa.

      Stig Lövstrand. Teppichverleger.

      Er war zweiundvierzig Jahre alt.

      Wenn seine Hände auf dem Steuer lagen, konnte Agnes die Kleberreste sehen. Und seine Fingerknöchel waren grauweiß.

      Sie saß nicht vorn. Das durfte sie nicht.

      Papa klopfte mit der einen Hand aufs Steuer, als ob er Musik hörte. Aber das tat er nicht. Agnes hörte Musik. Sie hatte ihren Walkman auf.