Hilf mir, Mathilda! : eine Geschichte vom Glück im Unglück. Annika Holm

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Название Hilf mir, Mathilda! : eine Geschichte vom Glück im Unglück
Автор произведения Annika Holm
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9788711501252



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überquert, und man sieht ihnen immer mehr an, wie viel Spaß sie miteinander haben.

      3.

      Doch, Fußball ist wichtig! Und macht Spaß!

      Nach dem Training sitzt Mathilda im Umkleideraum und fühlt in sich hinein. Ihr Körper ist warm und feucht, müde und schwer. Sie schafft keinen Schritt mehr, nicht in die Dusche, nicht zum Kleiderhaken. Sie sitzt bloß da. Und fühlt sich gut, so gut.

      Und sie ist auch gut. Das merkt sie selber. Sie passt in die Mannschaft, lernt jedes Mal mehr Technik, begreift immer mehr vom Spiel und wie es angelegt ist. Es ist, als ob sie manchmal die Gedanken anderer Spieler lesen könnte, und deswegen ist sie so oft im richtigen Augenblick am richtigen Platz.

      Anna, ihre neue Trainerin, sagt das auch. »Du denkst beim Spielen. Prima!«

      Sie hat die Spieler in den Aufenthaltsraum gerufen und geht noch mal mit ihnen durch, was ihr eben auf dem Platz aufgefallen ist. Sie scheint genauso guter Laune wie Mathilda zu sein und verteilt viel Lob. Monica, Millan, alle haben gut gespielt. Zuletzt wendet sie sich an Mathilda.

      »Du bist jetzt reif für den Platz. Im letzten Pokalspiel werde ich dich auf dem Mittelfeld einsetzen.«

      Das ist nicht wahr! Das ist nicht wahr! Anna redet weiter, Mirjam und Monica mimen fröhliche Glückwünsche in Mathildas Richtung.

      Nicht am nächsten Montag und auch nicht am übernächsten, aber am über-übernächsten Montag ist es so weit. Dann darf sie ihr erstes richtiges Spiel mitmachen. Und da geht es nicht um ein kleines Heimspiel auf dem gewohnten alten Platz. Es ist ein auswärtsspiel. Sie müssen richtig weit fahren, um dahin zu kommen. Weit müssen sie reisen: durch die ganze Stadt, auf die andere Seite von Stockholm und noch ein Stück weiter. Es dauert mindestens zwei Stunden, meint Anna. Und damit sie genügend Zeit zum Aufwärmen haben, müssen sie sich nachmittags von der Schule freinehmen.

      Sobald sie zu Hause ankommt, stürzt Mathilda zum Telefon. Noch bevor sie es Papa und Mama erzählt, ruft sie Marie an.

      »Prima«, sagt die. Aber das ist auch das Einzige, was sie sagt. Sie ist in einer anderen Welt, das ist sogar durch die Telefonleitung zu hören.

      »Ist was mit Sunniva?«, fragt Mathilda besorgt. »Geht es ihr nicht gut?«

      Aber nein, Marie versichert, dass es ihr keinesfalls schlecht geht, doch ja, aber jedenfalls nicht schlechter als sonst. Sie soll am Herzen operiert werden, aber erst in einigen Monaten. Wenn im Krankenhaus ein Bett frei wird.

      Bis dahin muss sie sich ganz ruhig verhalten, hat der Arzt gesagt. Das gefällt Sunniva natürlich überhaupt nicht, aber sie hat keine andere Wahl. Sie soll sich so viel wie möglich ausruhen, hat der Arzt gesagt. Keinen Stress, nichts tragen, gar nichts.

      »Wie soll das denn gehen?«, unterbricht Mathilda Marie. »Kaufst du jetzt ein und kochst und machst alles?«

      »Das ist doch kein Kunststück! Aber Mama findet, es geht nicht. Deswegen kommt meine Großmutter, die Mutter von meinem Papa.«

      Eine Großmutter? Marie hat eine Großmutter? Von der hat Mathilda noch nie was gehört. Doch, hat sie, wenn sie genau nachdenkt. Sie hat die Großmutter sogar mal getroffen, aber das ist schon lange her.

      »Soll sie bei euch wohnen? Deine Großmutter?«

      Schon morgen kommt sie, bestätigt Marie, aber dann redet sie nicht mehr davon. Sie redet überhaupt nicht, sagt aber auch nicht, dass sie auflegen will.

      »Warum sagst du nichts?«, fragt Mathilda nach einer Weile.

      Marie antwortet nicht. Erst als Mathilda ein zweites Mal fragt, kommt eine Antwort, die eigentlich keine ist:

      »Es ist nämlich so«, fängt Marie an, aber dann bricht sie ab und fährt in einem anderen Ton fort: »Ach, darüber können wir morgen reden.«

      »Worüber?«

      »Morgen«, wiederholt Marie, aber Mathilda lässt nicht locker.

      »Halt mal, sag, was es ist!«

      Es geht um Arne. Es ist nämlich so, dass Arne und Marie jetzt so gut wie zusammen sind. Er hat sie durch Axel fragen lassen, ob er Chancen bei ihr hat, und sie hat Ja gesagt.

      Das ist etwas Großartiges und Besonderes, das ist Maries Stimme anzuhören. Und heute Nachmittag, als Mathilda eine Runde im Wald gelaufen ist, da ist es passiert.

      »Aber ...«, fängt Mathilda an. Sie versteht das nicht richtig und möchte es doch verstehen. Was ist eigentlich passiert? Und was bedeutet das nun? Wenn sie mit Arne zusammen ist, will Marie dann nicht mehr mit ihr, Mathilda, zusammen sein?

      »So ist das nicht«, versucht Marie ihr mit der neuen feierlichen Stimme zu erklären. »Es ist nur so – ach, das weißt du doch! Wir sind zusammen, Arne und ich. Mit dir bin ich wie immer zusammen. Das sind zwei ganz verschiedene Sachen.«

      »Trotzdem«, beharrt Mathilda, »mit wem bist du denn nun richtig zusammen?«

      Marie seufzt laut und übertrieben.

      »Das sagt man doch bloß so, wenn jemand fragt, ob er Chancen bei einem hat. Dann sagt man, dass man zusammen ist. Aber das ändert nichts Besonderes.«

      Und dann seufzt sie noch mal laut. Wahrscheinlich, weil sie Mathilda kindisch findet.

      »Okay.« Jetzt seufzt Mathilda auch. »Sehen wir uns morgen oder nicht?«

      »Himmel, bist du kindisch!«, schreit Marie und knallt den Hörer auf.

      4.

      Die Großmutter kommt also schon am nächsten Tag. Arne, Mathilda und Achim stehen zufällig vor Maries Haustür, als das Auto hält. Es ist ein Mietwagen mit Ladefläche, die mit einer Plane bedeckt ist. Die Großmutter sitzt neben dem Fahrer, unter der Plane sind ihre Sachen: zwei Koffer, drei Beutel und ein Bett.

      Sie umarmt Marie und gibt den anderen die Hand und stellt sich selbst vor:

      »Ich bin Ilse, Maries Großmutter. Es ist nett, dass ihr mir beim Rauftragen helfen wollt.«

      Sie ist groß und – Mathilda überlegt, wie sie es nennen soll – elegant? Ja, elegant ist sie. Die Haare zu einem glänzenden Knoten hoch gesteckt, grüne baumelnde Ohrringe, ein flatternder Schal, und sie riecht so gut. Mathilda schnuppert, als sie mit den schweren Beuteln in den Händen dem Duftgeflatter folgt. Neben ihr schleppt Achim einen noch schwereren Beutel. Ilse und der Fahrer tragen das Bett. Marie ist vorangelaufen und hat die Tür geöffnet.

      »Aber wir haben doch noch ein Bett«, sagt sie erst jetzt. »Im Keller.«

      Ilse balanciert das Bett durch die Tür und lächelt Marie zu. »Ja, ich weiß. Sunniva hat es mir gesagt. Aber mein Rücken, verstehst du. Der muss auf was Festem, Hartem liegen, damit ich mit ihm klarkomme. Wir haben beschlossen, dass ich mein eigenes Bett mitbringe. Das kann im Esszimmer stehen, oder was meinst du?«

      Sie machen die Tür zu Sunnivas Zimmer zu und bauen das Esszimmer um, schieben Tisch und Stühle hin und her, rollen den Teppich beiseite, stellen eine Lampe um und das Bett auf, räumen einen Schrank aus, nehmen die Essensachen aus den Beuteln und schieben die leeren Koffer ganz oben in den Schrank.

      »Ihr könntet eine Umzugsfirma gründen«, lobt Ilse sie und sagt, sie sollen sich setzen und mit ihr Tee trinken. Sie hat schon alles vorbereitet. Tee mit Keksen, Marmelade, und auf dem Tisch liegt eine Tischdecke.

      »Wo kommt die denn her?«, fragt Marie erstaunt und streicht über den grün gestreiften Stoff.

      Großmutter Ilse guckt verlegen.

      »Ich hab von allem ein bisschen eingepackt, ich weiß ja nicht, was ihr so habt, und ... ich weiß auch nicht, wie lange ich hier wohnen werde. Das hängt ja davon ab, wie die Operation ausgeht, und ... ich hab gedacht, ich gewöhn mich leichter daran, woanders zu wohnen, wenn ich ein paar eigene Sachen dabeihabe.«

      »Das ist eine schöne Decke«, sagt Mathilda,