Die Rettung des grauen Ponys. Örjan Persson

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Название Die Rettung des grauen Ponys
Автор произведения Örjan Persson
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9788711444795



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morgens abwechselnd sehr früh auf. Sie fuhren mit dem Fahrrad zum Stall oder gingen zu Fuß, wenn Winter war und sich keiner der Eltern erbarmte und sie hinbrachte. Sie versorgten die Pferde und brachten sie hinaus auf ihre Weideplätze, außer im strengen Winter.

      Elofsson war mit dieser Abmachung zufrieden, und die Mädchen waren froh.

      Malin hatte sich im Stall herumgetrieben, seit sie elf war und nach Hälledal gezogen war. Anfangs hatte sie nur manchmal zusammen mit den älteren Mädchen reiten dürfen, meistens hatte sie die Pferde geputzt und die Boxen ausgemistet. Eine ganze Woche war sie Tag für Tag im Stall gewesen und hatte auf den glücklichen Moment gewartet, wenn Amie plötzlich ohne Reiterin dastand, weil ihre Besitzerin krank geworden oder aus einem anderen Grund ausgeblieben war. Dann eilte Malin in die Sattelkammer, holte Sattel und Zaumzeug und stand mit der fertig gesattelten Amie auf der Stallgasse bereit, ehe die anderen überhaupt mit ihren Sachen herausgekommen waren.

      Mit der Zeit war sie zur Pferdepflegerin mit Verantwortung aufgestiegen. Jeden Dienstagmorgen hatte sie Stalldienst, das ganze Jahr über, und manchmal noch öfter, ausgenommen einige Wochen im Sommer, wenn der Stall leer war, weil alle Pferde draußen auf der Weide waren.

      Malin wuchs schnell; sie war die Größte unter den Mädchen in der Achten und wurde allmählich zu groß für das Pony Amie. Bald ritt sie dann Sara, aber Amie blieb Malins Liebling im Stall, auch nachdem sie über die kleine graue Ponystute hinausgewachsen war.

      Malin hatte immer von einem eigenen Pferd geträumt. Sie wußte aber nach jahrelangen Diskussionen zu Hause, daß sie dafür in absehbarer Zukunft keine Chance hatte. Nicht mal Reitstunden in der Reitschule in der Stadt konnte die Familie sich leisten. Aber niemand konnte Malin daran hindern, so zu tun, als ob Amie ihr eigenes Pferd sei. Nach und nach waren die anderen Mädchen davon überzeugt, daß Malin die Hauptverantwortung für Amie hatte. Wenn Amie eine kleine Wunde am Bein hatte, wenn sie mal nicht fraß oder jemand fand, das Pony lahmte oder hatte Husten, dann sprach man mit Malin, die sich sofort um die Sache kümmerte.

      Malin dachte an Amie, wenn sie hinaus zu ihrem Ahorn schaute. Vor genau zwei Wochen hatte sie Amie geritten, nur zum Spaß, um zu fühlen, wie das war. Eins der kleinen Mädchen, das sich nachmittags immer im Stall aufhielt, hatte Amie geputzt und sie sogar gesattelt und aufgetrenst, so daß Malin nur aufzusteigen und loszureiten brauchte. Die kleine Grauschimmelstute wirkte steif und klamm, und Malins erster Gedanke war, daß Amie einfach alt geworden war. Sie war sechzehn Jahre alt und hatte elf Fohlen gehabt, und natürlich war sie nicht mehr so geschmeidig und belastbar wie ein Jungpferd.

      Fünfzig Meter vom Stall entfernt begann der Wald und mit ihm der „Galopp-Pfad“, eine Schleife von ungefähr einem Kilometer entlang der Forstwege im Tannenwald. Am Waldrand sprang Malin ab, ließ die Zügel auf dem Widerrist liegen und begann, das graue Pony zu untersuchen. Mit den Vorderbeinen fing sie an, sorgfältig tastete sie mit der Hand am linken Röhrbein entlang. Alles schien wie immer zu sein. Aber schon am Karpalgelenk reagierte Amie, indem sie das Bein zurückriß. Malin ließ sofort los, während die kleine Stute irritiert versuchte, sich von den neugierigen Mädchenhänden zu befreien: Sie schlug aus.

      Malin richtete sich auf, und Amie stellte den Fuß wieder auf den Boden. Die Untersuchung des rechten Beins brachte das gleiche Resultat. Irgend etwas mußte mit Amie passiert sein! Obwohl ... wenn Malin genau nachdachte, hatte sie sich schon länger nicht mehr mit Amie beschäftigt. Sie war eine Woche erkältet gewesen, und außerdem hatten einige der jüngeren Mädchen die Pflege des Ponys übernommen, auch wenn Malin im Stall war.

      Verflixte Mädchen! Daß sie nichts sagten! Wenigstens die Kleine, die sich eben noch um Amie gekümmert hatte, hätte merken müssen, daß etwas nicht in Ordnung war.

      Malin führte Amie zurück zum Stall. Nachdem sie der zerknirschten Zehnjährigen, die Amie versorgt hatte, die Leviten gelesen hatte, ging sie über den Hofplatz zum Wohnhaus, in dem Gustav Elofsson wohnte.

      Es dauerte eine Weile, ehe Elofsson herauskam, und als er in der Türöffnung stand, groß und dick, mit buschigen blonden Augenbrauen unter einem kahlen Schädel, roch Malin einen Hauch Essensdünste aus dem Haus. Elofsson wirkte gereizt, und Malin begriff, daß sie ihn beim Mittagessen gestört hatte.

      „Amie lahmt auf einem Hinterbein“, sagte sie hastig. „Haben Sie mal Zeit, nach ihr zu sehen?“

      Elofsson grunzte etwas Unverständliches und ging wieder ins Haus. Der Hofbesitzer war unverheiratet; er lebte allein und war kein besonders zuvorkommender Mann. Die kleineren Kinder fürchteten sich vor ihm. Die jüngeren Mädchen im Stall verzogen sich hinter Strohballen oder einen schützenden warmen Pferdekörper, wenn er sich im Stall zeigte. Er trainierte seine Traber nicht einmal selbst. Das machte ein junger Mann für ihn.

      Nach einer Weile kam Elofsson heraus und tastete Amies Beine ab. „Es scheint im Röhrbein zu sitzen“, sagte er. „Das Gelenk ist geschwollen. Ist sie in den letzten Tagen viel gelaufen?“

      „Nicht daß ich wüßte“, sagte Malin.

      „Eva hat an mehreren Tagen viele Stunden lang Springen mit ihr geübt“, sagte eine dünne Stimme aus der Gruppe von Pferdemädchen, die sich vor Amies Box versammelt hatten.

      „Eva, wer ist das?“ Elofsson starrte die Mädchen empört an.

      „Eva Andersson, eben war sie noch da.“

      Malin wußte, wer Eva war. Sie war das Mädchen, das Amie an diesem Tag versorgt hatte.

      „Stimmt das?“ Elofsson sah Malin drohend an.

      „Ich ... weiß nicht“, sagte Malin. „Ich bin nicht so oft hier gewesen. Ich war nämlich krank.“

      „Eva ist furchtbar viel geritten“, sagte ein kleines Mädchen in hellgrauen Reithosen mit hoher Stimme. „Deswegen durfte ich fast überhaupt nicht reiten.“

      „So geht das nicht“, brummte Elofsson mit seiner rauhen Stimme. „Die Stute ist überanstrengt!“

      Das Mädchen, das zuletzt gesprochen hatte, versteckte sich erschrocken hinter den anderen.

      Elofsson drehte sich zu Malin um. „Und ich hab gedacht, du kümmerst dich darum, wer Amie und Sara reitet“, sagte er. „Und du merkst, wenn mit den Pferden etwas nicht stimmt.“

      „Ich?“ sagte Malin verdutzt. „Ich wußte gar nicht, daß ich dafür verantwortlich bin. Natürlich achte ich darauf ...“

      „Man sollte doch meinen, daß du ein bißchen Verantwortung übernehmen kannst, nachdem du hier so viele Jahre reiten durftest“, sagte Elofsson. „Ich habe mich auf dich verlassen. Aber ich hätte mich wohl ein bißchen mehr darum kümmern müssen, wer sich hier rumtreibt. Schließlich hast du nichts fürs Reiten bezahlen müssen, oder? Da hättest du dich wirklich mehr einsetzen können! Außerdem dachte ich, daß du die Stute magst!“

      Malin war so überrascht, daß sie einen Schritt rückwärts machte und eine Schaufel umriß, die gegen die Boxwand gelehnt stand. Rasch hob sie das Gerät wieder auf, und im gleichen Augenblick drängte sich Elofsson zwischen den versammelten Mädchen hindurch und ging zur Tür.

      „Was ist denn nun mit Amie?“ rief Malin ihm nach. „Was sollen wir tun?“

      „Gelenkschwellung“, antwortete Elofsson, ohne sich umzudrehen oder stehenzubleiben. „Sie muß absolute Ruhe haben. Und achte drauf, daß sie ordentlich frißt. Ich komme gleich zurück und mache ihr einen Umschlag.“

      Malin hob Striegel und Hufkratzer auf, und auch die anderen wandten sich wieder ihren Beschäftigungen zu. Sie wischte sich eine Träne mit dem Jackenärmel ab und drehte dem Ausgang den Rücken zu, um den anderen nicht zu zeigen, wie traurig sie war. Blöder alter Kerl! Hätte er ihr nicht ein Wort sagen können! Noch nie hatte er geäußert, daß Malin die Verantwortung für Sara und Amie und alle Mädchen hatte, die seine Pferde hier ritten! Klar, sie hatte einen Großteil der Verantwortung übernommen, ohne daß sie jemand darum gebeten hatte, aber jetzt war sie schließlich krank gewesen! Wenn sie diese verflixte Eva erwischte! Die hätte unbedingt fragen müssen, bevor sie die arme Amie so hart rannahm! Das durfte sie gar