Название | ... oder einfach so! |
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Автор произведения | Kathy Sdao |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783954642144 |
Mein spiritueller Sinneswandel führte jedoch zu einem Dilemma: Wie konnte ich einerseits aufhören, alle kontrollieren zu wollen, und andererseits weiter als Tiertrainerin und Verhaltensberaterin arbeiten? „Bedingungslose Liebe“ ist kein Trainingsplan.
Ein wichtiger Schritt zur Lösung dieses Dilemmas besteht darin, im Training auf den Einsatz von Einschüchterung und physische oder seelische Schmerzen zu verzichten. Seit einigen Jahrzehnten arbeiten auf der ganzen Welt mehr und mehr Trainer auf der Basis positiver Verstärkung. Diese weniger auf Zwang beruhenden Ansätze (zum Beispiel Clickertraining, Locken mit Futter, Desensibilisierung und Gegenkonditionierung) stellen einen Quantensprung in Trainingsraffinesse und Menschlichkeit dar und stehen im Gegensatz zu altmodischen, militärischen und strafbasierten Techniken. Als ehemalige Meeressäuger-Trainerin fiel es mir leicht, zwangsfreie Methoden anzuwenden und an meine zwei- und vierbeinigen Schüler weiterzugeben. Schließlich wurde im Training wilder Tiere – im Gegensatz zum Hundetraining – bereits früher kaum oder keine Zeit darauf vergeudet, über Starkzwang versus Verstärkung zu streiten.
Als mein spirituelles Wachstum fortschritt, ertappte ich mich jedoch immer wieder dabei, an einem Lehrsatz zu zweifeln, der in der Philosophie der positiven Verstärkung (und auch anderen Trainingsmethoden) allgegenwärtig ist: die Idee, dass es im Leben nichts umsonst gäbe und nicht nur wir, sondern auch unsere Hunde sich jedes noch so kleine Privileg erst erarbeiten müssten. Dieser Lehrsatz steht im Gegensatz zu dem Wunder, welches den Kern meines Glaubens bildet, nämlich dass ich von unzähligen unverdienten Geschenken eines bedingungslos liebenden Gottes umgeben bin. Eine der beiden Überzeugungen – „Im Leben gibt es nichts umsonst; auch nicht für Hunde!“ oder „Gnade ist für alle Geschöpfe reichlich vorhanden!“ – musste weichen. Allerdings musste ich erst Nick adoptieren, um dies zu erkennen.
Eine Verkettung unglücklicher Umstände führte dazu, dass ich einen bisherigen Grundsatz meines Trainingsprogramms – den Lehrsatz, dass Hunde nichts ohne Gegenleistung erhalten dürften – überdachte. Das erste und bedeutendste dieser Ereignisse? Nick, mein Hund, biss zwei Freundinnen.
Nick, ein mittelgroßer Hütehundmischling, war unerwartet bei mir eingezogen. Bevor wir einander kennenlernten, hatte er einen Mann gebissen (ohne diesen zu verletzen), weshalb er aus der Assistenzhundeschule entlassen wurde. Er hatte den Wesenstest eindeutig nicht bestanden! Der Leiterin des Assistenzhundeprogramms bat mich, Nicks Verhalten zu evaluieren, um festzustellen, ob er vermittelt werden könne, ohne eine Gefahr für seine potenziell neuen Besitzer darzustellen.
Zum ersten Mal begegnete ich Nick in seinem bisherigen, sehr eingeschränkten Zuhause (einem nahegelegenen Frauengefängnis)1. Es war offensichtlich, wie sehr er sich fürchtete. Immer wieder schnappte er nach mir und versuchte, mich anzuspringen. Ich konnte ihm nicht nahe genug kommen, um ihn zu berühren.
Obwohl einer der Gefängnisaufseher bemerkte, dass Nick „der psychopathischste Hund sei, der ihm je begegnet war“, bat ich die Leiterin, Nick im Freien sehen zu dürfen. Die einzige Gelegenheit hierzu ergab sich später in derselben Woche, um 10:30 Uhr morgens, auf einer großen Wiese zwischen dem Gefängnis und der Tierklinik, in welcher Nick um 11:00 Uhr eingeschläfert werden sollte.
Während dieser zweiten Evaluierung unter freiem Himmel stellte ich fest, dass Nick zwar noch nervös und ängstlich war, aber doch ein gesunder, normaler Hund in ihm steckte. Er war im wahrsten Sinne des Wortes dem Tod von der Schippe gesprungen. Meine raffinierte Kollegin stellte fest: „Das sind tolle Neuigkeiten! Jetzt brauchen wir eine erfahrene Pflegestelle für ihn. Wie finden wir die?“ Nachdem mir keine Alternative einfiel, erklärte ich mich bereit, Nick selbst zu übernehmen – für zwei Monate. Sechzig Tage und kein bisschen länger. „Ich markiere mir den letzten Tag in meinem Kalender“, warnte ich sie. „Bis dahin müssen Sie ein dauerhaftes Zuhause für ihn gefunden haben. Können Sie garantieren, dass Sie einen Platz für ihn finden, wenn ich ein paar Wochen mit ihm arbeite?“ Sie versprach, Nick ein neues Zuhause zu suchen.
Ich konnte Nick von Anfang an nicht leiden. Erst drei Wochen zuvor war mein Seelenhund, ein unglaublich süßer, fledermausohriger alter Terrier namens Gnat, in meinen Armen an Herzversagen gestorben. Gnat war mein Ein und Alles, und ich war noch nicht bereit, einen neuen Hund in meine Familie aufzunehmen – nicht einmal auf Zeit. Abgesehen davon war mir Nick ganz einfach unsympathisch. Er pinkelte ins Haus, zerbiss meine Bücher und duckte sich und schnappte, wann immer ein Mann auf ihn zuging. Sein Fell war glanzlos und er verlor büschelweise Haare. Auch an Kuscheleinheiten hatte er kein Interesse – ich konnte ihn nicht einmal streicheln. Das Schlimmste war, dass er seine Spielzeuge und die Futterschüssel verteidigte. Er knurrte, wann immer sich jemand in die Nähe seiner Schätze wagte. Nick begann auch, mich zu verteidigen: Er bellte und knurrte, wenn sich meine Hündin Effie auf mich zubewegte.
Als Nick im Januar bei mir einzog, begann ich sogleich, am offensichtlichsten Auslöser seiner Aggression zu arbeiten: Männerbegegnungen. Ich sah die Aufgabe als wissenschaftliches Projekt. Nick und ich suchten öffentliche Orte auf, an denen in einigem Abstand Männer vorbeiliefen. Außerdem bat ich eine Reihe von Freunden, mir bei Nicks Desensibilisierung zu helfen. Ich genoss es, zu sehen, wie sich sein Verhalten nach und nach besserte und hatte entgegen meinen Erwartungen Spaß am Training.
Noch mehr überraschte ich mich nach etwa sechs gemeinsamen Wochen selbst mit der Entscheidung, Nick zu behalten. Ich traf diese Entscheidung auf einem Oxytocin-High: In der Nacht zuvor war ich zu faul gewesen, um Nicks Boxentür zu schließen. Am nächsten Morgen weckte er mich, indem er meine Nasenspitze abschleckte – ein einziges Mal, ganz bewusst und sanft. Dann sah er mir in die Augen. Seine sanften braunen Augen brachten mein Herz zum Schmelzen, und Nick wurde von einem Trainingsprojekt zu einem Für-immer-Hund.
Nach einigen Monaten kam ich sogar zu dem Schluss, dass Nick bereit war, während meiner Trainingsgruppen als Demohund zu arbeiten. Ich passte natürlich gut auf, nutze aber auch die zahlreichen Gelegenheiten, während der Kurse an Nicks Gegenkonditionierung zu arbeiten. Das zusätzliche Training zeichnete sich in seinem Verhalten ab: Sechs Monate später geriet er jedes Mal, wenn ein Mann auf ihn zukam, dermaßen aus dem Häuschen, dass seine Begrüßungsrituale überschwänglich und albern wurden. Er wedelte mit dem gesamten Körper und drehte sich dabei immer wieder nach mir um, während er sich einem Mann näherte und erwartete, dass es Steak regnen würde wie bereits Hunderte Male zuvor. Nun musste ich zwar seine überschwänglichen Begrüßungen in Zaum halten; dies war jedoch eindeutig ein großer Fortschritt gegenüber seinem früheren Anspringen und Schnappen.
Aggressionsrückfälle
Nick ist bis heute – viele Jahre später – mein Hund. Ich liebe ihn auf eine Art und Weise, die ich weder vollständig verstehe noch in Frage stelle. Nick war einer meiner besten Lehrer. Bevor wir einander begegneten, hatte ich mit etwa hundert Klienten und ihren aggressiven Hunden gearbeitet. Ich wusste, wie man einen Plan zur Verhaltensmodifikation aufstellt und gab regelmäßig Ratschläge und Tipps zu Training und Kontrolle aggressiver Hunde. Das unvergleichlich beschämende Gefühl, welches einen erfüllt, wenn der eigene Hund jemanden beißt – eine Mischung aus Scham, Traurigkeit, Schrecken und Wut –, war mir jedoch