James Bond 18: Eisbrecher. John Gardner

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Название James Bond 18: Eisbrecher
Автор произведения John Gardner
Жанр Языкознание
Серия James Bond
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783864254659



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zu sein schien. Sein Haar war grau und sehr kurz, sodass es geradeso seine Kopfhaut bedeckte, und Bond stellte erfreut fest, dass auf der linken Seite des ungewöhnlich kleinen Mundes des Mannes der Hauch eines blauen Flecks und eine kleine Platzwunde prangten.

      Tirpitz hob träge eine Hand zu einer Art Gruß. »Hi«, schnaubte er. Seine Stimme war rau, als hätte er eine Menge Zeit damit verbracht, sich den Akzent der harten Kerle aus den Filmen anzutrainieren. »Willkommen im Club, Jim.«

      Bond konnte an dem Mann weder Freundlichkeit noch Freude erkennen.

      »Freut mich, Sie kennenzulernen, Mr Tirpitz.« Bond betonte das Mister.

      »Brad«, gab Tirpitz knurrend zurück. Dieses Mal zuckte um seine Mundwinkel herum die Andeutung eines Lächelns. Bond nickte.

      »Wissen Sie, worum es hier geht?«, Kolja Mosolow klang fast ein wenig entschuldigend.

      »Nur in Ansätzen …«

      Rivke mischte sich ein und schenkte Bond ein Lächeln. »James hat mir erzählt, dass er sehr kurzfristig hergeschickt wurde. Er hat von seinen Leuten keine Unterweisung erhalten.«

      Mosolow zuckte mit den Schultern, nahm Platz und deutete auf einen der anderen Stühle. Rivke ließ sich aufs Bett sinken und faltete die Beine unter ihrem Körper zusammen, als würde sie es sich bequem machen.

      Bond setzte sich auf den angebotenen Stuhl und schob ihn bis an die Wand zurück, damit er sich in einer Position befand, aus der er die anderen drei sehen konnte. Außerdem hatte er auf diese Weise einen guten Blick auf das Fenster und den Balkon.

      Mosolow holte tief Luft. »Wir haben nicht viel Zeit«, begann er. »Wir müssen innerhalb von achtundvierzig Stunden von hier verschwinden und wieder im Operationsbereich sein.«

      Bond deutete auf den Raum. »Ist es sicher, hier drinnen zu reden?«

      Tirpitz gab ein raues Lachen von sich. »Keine Sorge. Wir haben alles überprüft. Mein Zimmer ist nebenan, dieses hier befindet sich an der Ecke des Gebäudes, und ich suche es ständig ab.«

      Bond wandte sich wieder Mosolow zu, der während dieser kleinen Unterbrechung geduldig, fast unterwürfig gewartet hatte. Der Russe wartete noch einen Augenblick länger, bevor er wieder sprach. »Finden Sie das seltsam? Dass die CIA, der Mossad, meine Leute und Ihre Leute hier alle zusammenarbeiten?«

      »Anfangs schon.« Bond schien sich zu entspannen. Dies war der Moment, vor dem M ihn gewarnt hatte. Es bestand die Möglichkeit, dass Mosolow gewisse Dinge für sich behalten würde. Wenn das der Fall war, musste er besonders vorsichtig sein. »Anfangs fand ich es seltsam, aber nachdem ich darüber nachgedacht habe … Nun ja, wir sind alle in derselben Branche. Wir haben möglicherweise unterschiedliche Auffassungen, aber es gibt keinen Grund, warum wir nicht für das Allgemeinwohl zusammenarbeiten sollten.«

      »Korrekt«, sagte Mosolow knapp. »Dann werde ich Ihnen nun eine Kurzfassung aller Informationen geben.« Er hielt inne, schaute sich um und gab ein glaubhaftes Abbild eines kurzsichtigen und irgendwie zurückhaltenden Akademikers ab. »Rivke, Brad, bitte fügen Sie jegliche Punkte hinzu, die ich Ihrer Meinung nach ausgelassen habe.«

      Rivke nickte, und Tirpitz lachte unangenehm.

      »Also gut.« Wieder erfolgte der Verwandlungstrick: Kolja veränderte sich, und aus dem langsamen Professor wurde ein aufgeweckter Leiter, der Entschlossenheit und Kontrolle ausstrahlte. Es machte Spaß, ihm zuzusehen, fand Bond. »Also gut. Ich werde es kurz und schmerzlos machen. Wie Sie sicher schon wissen, Mr Bond, geht es um die Nationalsozialistische Aktionsarmee: eine erwiesene Bedrohung für mein Land und auch für Ihre Länder. Faschisten der alten Schule.«

      Tirpitz ließ wieder sein unangenehmes Lachen vernehmen. »Olle Faschisten.«

      Mosolow ignorierte ihn. Es schien die einzige Methode zu sein, mit Brad Tirpitz’ Sprüchen umzugehen. »Ich bin kein Fanatiker.« Mosolow senkte die Stimme. »Und ich bin auch nicht von der NSAA besessen. Allerdings glaube ich genau wie unsere Regierungen, dass diese Organisation groß ist und jeden Tag weiter wächst. Sie ist eine Bedrohung …«

      »Das können Sie laut sagen.« Brad Tirpitz kramte eine Schachtel Camels hervor, klopfte die Öffnung gegen seinen Daumen, zog eine Zigarette heraus und zündete sie mithilfe eines Streichholzheftchens an. »Kommen Sie zum Punkt Kolja. Die Nationalsozialistische Aktionsarmee jagt euch Sowjets eine Scheißangst ein.«

      »Sie ist eine Bedrohung«, fuhr Kolja fort, »für die Welt. Nicht nur für das sowjetische Russland und den Ostblock.«

      »Sie sind deren Hauptziel«, schnaubte Tirpitz.

      »Und wir sind in die Sache verwickelt, Brad, wie Sie sehr wohl wissen. Aus diesem Grund hat sich meine Regierung an Ihre Leute gewandt. Und an Rivkes und Mr Bonds Regierungen.« Er wandte sich wieder an Bond. »Wie Sie vielleicht wissen oder auch nicht, stammen alle Waffen, die bei den von der NSAA durchgeführten Operationen verwendet wurden, aus einer sowjetischen Quelle. Das Zentralkomitee wurde erst nach dem fünften Zwischenfall darüber informiert. Andere Regierungen und Agenturen hegten den Verdacht, wir würden irgendeine Organisation – möglicherweise eine aus dem Nahen Osten – mit Waffen versorgen, die sie daraufhin weiterleitete. Das war nicht der Fall. Diese Information löste ein Problem für uns.«

      »Jemand hatte seine Finger in der Kasse«, warf Brad Tirpitz ein.

      »Stimmt«, schnauzte Mosolow. »Im vergangenen Frühjahr entdeckte ein leitender Offizier der Roten Armee während einer Stichprobenüberprüfung der Lagerbestände – der ersten seit zwei Jahren – eine gewaltige Abweichung: einen unerklärlichen Schwund an Waffen. Sie stammten alle aus einer einzigen Quelle.« Er stand auf, ging durchs Zimmer zu einem Aktenkoffer und nahm eine große Karte heraus, die er auf dem Teppichboden ausbreitete.

      »Hier.« Er deutete auf das Papier. »Hier, in der Nähe von Alakurtii, haben wir ein großes Waffenlager …«

      Alakurtii lag etwa sechzig Kilometer östlich der finnischen Grenze, weit oben am Polarkreis – gut zweihundert Kilometer nordöstlich von Rovaniemi, wo Bond selbst während seiner kürzlichen Expedition stationiert gewesen war.

      Kolja fuhr fort: »Im vergangenen Winter wurde ebendieses Waffenlager geplündert. Wir waren in der Lage, sämtliche Seriennummern der Waffen, die die NSAA benutzte, zu identifizieren. Die stammten eindeutig aus Alakurtii.«

      Bond fragte, was fehle.

      Koljas Gesicht wurde ausdruckslos, während er die Liste herunterratterte: »Kalaschnikows, RPKs, AKs, AKMs, Makarow- und Stetschkin-Pistolen, RDG-5- und RG-43-Granaten … Eine große Anzahl samt Munition.«

      »Keine größeren Geschütze?« Bond ließ die Frage beiläufig klingen, wie eine spontane Reaktion.

      Mosolow schüttelte den Kopf. »Das genügt. Sie wurden in großen Mengen entwendet.«

      Zuerst kamen sie auf den Schwarzmarkt, dachte Bond. Er wusste bereits von M – der seine eigenen Quellen hatte –, dass Kolja Mosolow die bedeutendsten Waffen ausgelassen hatte: eine beträchtliche Anzahl von RPG-7V-Panzerabwehrwaffen einschließlich Raketen, die mit mehreren unterschiedlichen Sprengköpfen ausgestattet waren – konventionellen, chemischen und taktischen Atomsprengköpfen. Sie waren groß genug, um eine kleine Stadt in Schutt und Asche zu legen und alles in einem Radius von achtzig Kilometern rund um die Einschlagstelle zu verwüsten.

      »Diese Ausrüstung verschwand während des Winters. Zu dieser Zeit haben wir eine kleine Garnison an der Basis Blue Hare stationiert, wie wir das Lager nennen. Der Oberst, der die Entdeckung machte, benutzte seinen gesunden Menschenverstand. Er erzählte es niemandem in Blue Hare, sondern erstattete umgehend der GRU Bericht.«

      Bond nickte. Das ergab Sinn: Die Glawnoje Raswedywatelnoje Uprawlenije – der sowjetische Militärgeheimdienst, eine Organisation, die enge Verbindungen zum KBG hatte – würde natürlich die Behörde sein, die es in einem solchen Fall zu informieren galt.

      »Die GRU schickte zwei Mönche los – so nennen sie gern die verdeckt ermittelnden Männer, die in Regierungsbüros oder Militäreinheiten