Seewölfe - Piraten der Weltmeere 666. Sean Beaufort

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Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 666
Автор произведения Sean Beaufort
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783966880800



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      Er goß eine Schale voll, trank mit kleinen Schlucken und fühlte sich, als der Napf leer war, nur ein klein wenig besser. Vielleicht vertrieb der Schlaf die Gedanken an die Dämonen mit zwei Beinen, die in ledernen Stiefeln steckten.

       2.

      Philip Hasard Killigrew schlief sehr unruhig. Wilde Bilder geisterten durch seine Träume. Die Schebecke befand sich auf Südkurs und mußte fast seit dem Anfang ihrer beschämenden Flucht gegen Wind und Regenschauer kreuzen.

      Durch die vielen, vertrauten Geräusche der Wellen, des Windes und des Schiffes hindurch hörte Hasard das Glasen. Wie oft die Schiffsglocke angeschlagen wurde, das drang nicht bis zu ihm durch. Er warf sich in seiner Koje hin und her und versank wieder in der Tiefe eines anderen Traumes.

      Es war achtmal geglast worden. Die Hundewache war zu Ende. Ben Brighton stand hinter dem Rudergänger auf dem Grätingsdeck und versuchte, an der Kimm hinter dem Kielwasser irgend etwas zu erkennen.

      Er war sicher, daß die „Ghost“ keine Lichter gesetzt hatte, und er war wie jeder an Bord auch davon überzeugt, daß Ruthland und Garcia hinter ihnen her waren. Vor einer kleinen Armada hatten die Seewölfe fliehen müssen. Wenn nur die „Ghost“ sie jetzt nach Süden verfolgte, brauchten sie sich nicht einen Atemzug lang zu fürchten.

      Mac O’Higgins drehte sich um und blinzelte, als ihn das Licht der Hecklaterne traf.

      „Kannst du den Hundesohn sehen, Ben?“

      Der Erste ließ das Spektiv sinken und schob es langsam zusammen. Er schüttelte den Kopf und federte die nächste Bewegung des Hecks ab.

      Halblaut gab er zur Antwort: „Nichts zu sehen. Ich habe es auch nicht erwartet. Aber ich bin sicher, daß er uns verfolgt. Ich spüre es, als stehe er hinter mir und bohre mir den Dolch in den Rücken.“

      „Mir geht’s genauso“, gestand Higgy. „Er gibt nicht eher auf, bis er bei den Fischern ist.“

      „Soviel, Haß ist mir unverständlich“, sagte Ben, und das war die Meinung aller Seewölfe. „Aber das ganze Gerede über Ruthland ist überflüssig. Entweder wir oder er. So sieht’s aus, Higgy.“

      „Du sprichst mir aus der Seele, Ben“, erwiderte der Rudergänger.

      Im östlichen Teil des Arabischen Meeres beherrschte der Monsun die See und das Land. Aus Südwesten schleppte der Wind gewaltige Mengen von Regenwolken heran. Trotz aller abenteuerlicher Wirbel und kurzer Windstillen war Südwestwind vorherrschend.

      Dieser Zustand würde sich die nächsten Monate nicht ändern. Für die „Ghost“ herrschten dieselben Bedingungen wie für die Schebecke der Seewölfe. Nur Zufälle würden etwas an dem Vorsprung ändern. Die besseren Seeleute gab es hier, nicht auf der Karavelle des Engländers.

      Nach einer Weile sagte Higgy: „In zwei Stunden ist es hell. Dann wissen wir, woran wir sind.“

      „Dann sehen wir auch die ‚Ghost‘ – und Ruthland sieht uns genauso deutlich“, erwiderte Ben. „Dann geht’s los.“

      „Du sagst es.“

      Hin und wieder rissen die nächtlichen Wolken auf. Sterne schimmerten durch die Lücken der schwarzen Decke. Einzelne Regengüsse erreichten die Schebecke oder gingen über See nieder. Die Segelwache hockte auf den Stufen der Niedergänge und hatte die Segeltuchjacken hochgezogen.

      Die Schebecke krängte nach Backbord, hob und senkte sich und setzte den scharfen Bug krachend in die aufschäumenden Wellen. Die Gischtspritzer und die schmalen Schaumkämme waren nur schwach zu erkennen, aber die Ränder des Kielwassers zeichneten sich im Licht der Hecklaterne deutlich gegen das schwarze Wasser ab.

      Batuti hangelte sich Schritt um Schritt an der Steuerbordseite entlang und ließ das Schanzkleid los, als er das Achterdeck erreicht hatte.

      „Das übliche Wetter!“ rief er. „Da überlegt man, ob es eine Landratte nicht besser hat!“

      Ben und Higgy grinsten breit.

      „Möchtest du tauschen?“ fragte der Erste.

      Batutis Zähne blitzten im Halbdunkel.

      „Noch nicht“, entgegnete er. „Aber solche nassen Nächte tragen nicht gerade zur Entspannung bei.“

      Das Ufer an Backbord war nicht zu sehen. An Steuerbord breitete sich endlos die offene See aus. An Land gab es weder Feuer noch Leuchttürme. Spätestens beim nächsten Glasen würde Ben Befehl geben, den nächsten Schlag wieder nach Westen auszuführen. Die Segel standen prall, es war kaum vorstellbar, daß die „Ghost“ sie einholen konnte.

      Batuti deutete aufs Kielwasser.

      „Wir warten auf Ruthland und Garcia?“ fragte er mit seiner kehligen Stimme.

      „Wir müssen bereit sein, wenn die Karavelle auftaucht. Ruthland ist der Verfolger. Vielleicht holt er auf, vielleicht auch nicht. Die Jagd wird lange dauern“, erklärte der Erste in sachlichem Tonfall. „Wir haben weitaus mehr Geschütze als er. Es wird darauf ankommen, wer die besseren Manöver zustande bringt.“

      Higgy stemmte sich gegen das nasse Holz der langen, geschwungenen Pinne.

      „Ihr seid sicher, daß uns das letzte Duell bevorsteht?“ fragte er.

      Der Erste antwortete mit Entschiedenheit: „Absolut sicher.“

      „Das weiß Hasard, seit wir Bombay hinter uns lassen mußten“, stimmte auch Batuti zu.

      „Dann wissen wir also sicher, womit wir uns den Vormittag vertreiben“, sagte Higgy zufrieden und wartete auf die nächsten Kommandos.

      Dan O’Flynn hatte mehr Mühe, sich festzuhalten, als er gedacht hatte. Der Großmast und die Ausgucktonne ächzten und schlugen hin und her. Dan stemmte Knie und Schultern gegen das Holz, klammerte sich am Mast fest und drehte langsam den Kopf. In seinen Ohren pfiff und heulte der Wind, sein Haar peitschte ihm ins Gesicht. Mit halb zusammengekniffenen Augen starrte er über die See und suchte jede Handbreit der Kimm ab. Die Sonne versteckte sich irgendwo hinter der Küstenlinie, hinter einer dunklen, tiefhängenden Wolkenbank.

      „Verdammte ‚Ghost‘! Wo versteckt sich Ruthland?“ murmelte Dan im Selbstgespräch. Der Wind riß ihm die Worte von den Lippen. „Zeige dich, verdammter Hundesohn!“

      Bei Tagesanbruch hatte der Wind geringfügig gedreht und wehte jetzt schwächer als während der Nacht, geradewegs aus Westen. Die Schebecke jagte mit achterlichem Wind auf die ferne Küste zu. Der Himmel über dem Meer wirkte zerrissen, ließ unglaubliche Wolkenspiralen erkennen, zeigte ein schwefliges Graugelb und sah aus, als sei heute jedes nur mögliche Wetter samt Wind zu erwarten.

      Die Seewölfe, die kurz nach der ersten Helligkeit vom feuchten Deck aus dieses Schauspiel beobachteten, konnten nur die Köpfe schütteln.

      Nicht mal Old Donegal fiel zu dieser Zurschaustellung von Monsunwolken eine Bemerkung ein.

      Dan fluchte leise und starrte hinüber zur Küste. Nicht ein einziges Segel war zu erkennen. Vielleicht war das wilde Aussehen des Himmels für die Inder auf den Dhaus ein schlechtes Omen. Zu dieser Stunde wagte sich offensichtlich kein Kapitän aus den Häfen und Buchten hervor.

      Mit einigen Schwierigkeiten zerrte Dan das Spektiv aus der Jackentasche, zog es auseinander und peilte hindurch. Das Okular schlug immer wieder hart gegen sein Auge, gegen den Wangenknochen und die Braue. Wieder fluchte er, und am meisten ärgerte ihn das runde Bild, das einen wirren Tanz aufführte.

      Für diesen Ärger muß Ruthland erst recht zahlen, sagte sich Dan. Von Deck aus schrie jemand etwas zu ihm hinauf. Er schüttelte den Kopf, um anzudeuten, daß jedes Geschrei sinnlos sei, er verstünde kein einziges Wort. Wahrscheinlich lautete die Frage, ob er etwas vom Verfolger sähe oder nicht.

      Trotz der jämmerlichen Haltung und der Stöße, die er empfing, blieb er gewissenhaft wie immer.

      Mehrmals