Название | Die Worte des Windes |
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Автор произведения | Mechthild Glaser |
Жанр | Книги для детей: прочее |
Серия | |
Издательство | Книги для детей: прочее |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783732014545 |
Ich ließ meine Stimme über Sand und Meer tanzen, schickte meinen Freund in wirbelnden Kreisen über das Wasser und hatte das Gefühl, mit ihm davonzuschweben. Meine Magie, die ich gestern lediglich in Panik und nur für einen Augenblick heraufbeschworen hatte, durchfloss mich nun vollkommen. Mein Brustkorb schien sich zu weiten, in meinen Adern pulsierte die uralte Macht über Gezeiten, Wolken und Winde. Und zum ersten Mal seit meiner Flucht war ich wieder wirklich und wahrhaftig eins mit dem Ozean, spürte sein Atmen in jeder Welle, die meine Knöchel liebkoste.
Ich wusste, ich durfte keine Hexe mehr sein. Und ich hatte es ehrlich versucht, hatte meine Herkunft verleugnet und mich selbst bestraft.
Aber hier und jetzt konnte ich nicht anders.
Denn ich war noch immer, wozu ich geboren worden war.
Ich war und blieb eine Hexe.
Eine Hexe, um die sich seit ihrer Geburt die Legenden gerankt hatten. Das war mein Schicksal, ob es mir gefiel oder nicht. Und ehrlich gesagt, gefiel es mir eigentlich schon, oder? Ja, es gefiel mir sogar sehr.
Mein Ruf verband sich mühelos mit Aarons, als dieser nun endlich wieder den Mund frei bekam. Unsere Winde trafen mitten auf dem Wasser zusammen, verflochten sich zu einem unsichtbaren Netz und umfingen den Köder schon im nächsten Augenblick. Mit einem Ruck befreite sich Aaron endgültig aus seinen Fängen, dann schleuderten wir die Monstrosität gemeinsam auf die See hinaus. Mitten hinein in den Anderen am Horizont und weit darüber hinaus.
Wir befahlen den Winden, das Ding in den tiefsten Tiefen zu versenken, und beobachteten schließlich, wie die bedrohlichen Gewitterwolken sich verzogen, um dem Köder dorthin zu folgen.
Wenige Minuten später war der Strand wieder so ruhig, als wäre gar nichts geschehen. Die Brandung hatte den Abdruck, den Tang und Knochen im Schlick hinterlassen hatten, bereits fortgewaschen.
Aaron wischte sich die letzten Spuren der Blutstropfen von den Wangen. Dann sah er mich an. Auf eine neue Art, die … mir nicht unangenehm war.
»Du bist gut«, sagte er.
»Ja«, murmelte ich und zuckte mit den Achseln. »Manchmal zumindest.«
Er öffnete den Mund, als wollte er etwas erwidern, doch da erklärte uns Damian: »Also, ich habe Hunger wie ein Hai. Gehen wir etwas essen?«
Das Café lag am Rande der Fußgängerzone und war voller Menschen, die sich den regnerischen Nachmittag mit einer Tasse heißer Schokolade oder einem Stück des saftigen Bananenbrots versüßten, das man hier verkaufte. Ich hatte mich allerdings, genau wie Damian, für eines der überbackenen Panini entschieden und genoss nun die Kombination aus geschmolzenem Käse, Tomaten und Pesto. Es war seltsam, wie rasch einen das gemeinsame Bekämpfen von Blutmagie dazu brachte, mit wildfremden Jungs essen zu gehen. Wie sehr allein die Tatsache, dass wir alle drei aus derselben Welt stammten, uns miteinander verband.
Auf gefährliche Weise.
Denn natürlich bedeutete es vor allem, dass ich umso wachsamer sein musste. Das hier war riskant, ein Spiel mit dem Feuer. Doch leider steckte irgendwo in meinem Innern wohl noch immer die Kriegerprinzessin von früher, die sich vor Begeisterung über die Aussicht auf ein magisches Abenteuer förmlich überschlug.
Ich nahm einen Schluck von meiner Saftschorle, um mich zu beruhigen. Dann beobachtete ich fasziniert (und auch ein bisschen angewidert), wie Aaron plötzlich eine Karotte aus seinem Salat in die Kaffeetasse vor sich tunkte und anschließend genüsslich verspeiste.
»Sein Geschmack ist etwas gewöhnungsbedürftig«, erklärte Damian, der meinem Blick gefolgt war. »Ich nehme an, in den Ostmeeren steht ihr ebenfalls eher auf andere, äh, Kombinationen?«
»Hm«, machte ich. »Allerdings.«
»Über Geschmack lässt sich nicht streiten«, brummte Aaron mit vollem Mund und in einem Tonfall, der mir klarmachte, dass die beiden diese Diskussion wohl nicht zum ersten Mal führten.
»Außer, dass deiner echt verboten sein sollte«, warf Damian ein. »Zumindest in der Öffentlichkeit.«
»Jetzt übertreibst du aber.« Aaron schnappte sich eine weitere Kaffeekarotte.
Damian seufzte theatralisch.
Mehr noch als Meister und Lehrling schienen die beiden Hexer Freunde zu sein. Kampfgefährten, die gegenüber dem anderen kein Blatt vor den Mund nahmen. Normalerweise bestanden die erfahreneren Sturmjäger in unserer Welt auf Anreden wie »ehrwürdiger Meister«. Dass Aaron so etwas offenbar nicht nötig hatte, gefiel mir irgendwie. Und dass er darüber hinaus ausgerechnet einem magisch unbegabten Jungen eine Chance gab, den Drachenkampf zu erlernen … Er war anscheinend alles andere als ein gewöhnlicher Vertreter seines Berufsstandes, dessen Mitglieder meist von einer schier grenzenlosen Gier nach Ruhm und Anerkennung angetrieben wurden.
»Du findest es doch genauso eklig, oder, Robin? Ich meine, wenn es wenigstens bei den Karotten bliebe … Wir können jedenfalls froh sein, dass sie hier weder Pommes noch Sprühsahne verkaufen«, fuhr Damian fort und nickte, als ich das Gesicht verzog. »Richtig.« Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Siehst du, Aaron, Robin hält das auch für unnormal. Und sie lebt schon eine ganze Weile bei den Menschen.«
Statt zu antworten, zuckte Aaron bloß mit den Achseln, als wären wir verrückt und nicht er.
Erstaunlicherweise schien nach wie vor keiner der beiden auch nur im Geringsten an meiner falschen Identität zu zweifeln. Sie nannten mich Robin. Sie wollten meine Hilfe. Und niemand hatte bisher versucht, mich zu töten, weil ich unser Volk verraten hatte … Trotzdem, sollte es brenzlig werden, wäre ich von hier aus in wenigen Minuten am Bahnhof.
Während ich mir sicherheitshalber noch einmal den Fahrplan ins Gedächtnis rief, schob Aaron sich die nächste arme Kaffeekarotte in den Mund. Dieses Exemplar hatte er zudem mit einer Prise Zucker und dem Joghurtdressing des Salats verfeinert. Schon allein vom Zusehen bekam ich eine Gänsehaut.
»Vielleicht haben wir Glück und mit der Zeit lernt er, sich an die Speisekarten der Oberfläche zu halten«, überlegte derweil Damian. »Eine Weile werden wir sowieso noch hierbleiben müssen. Solange wir unsere Lieferung nicht zurückhaben, können wir uns auf keinen Fall in den Tiefen blicken lassen.«
Aarons Miene verfinsterte sich. »97 gestohlene Blitzklingen! Das ist eine Katastrophe«, brummte er und kippte den Rest seines Kaffees mitten auf den Salatteller.
Doch seine Marotten rückten für mich schlagartig in den Hintergrund. Hatte ich gerade richtig gehört? »Eure gesamte Lieferung wurde geklaut?«, erkundigte ich mich. »Was ist denn passiert?«
Er schnaubte. »Na, was wohl? Wir jagen die Drachen nicht aus reiner Menschenliebe, sondern weil Dinge verschwinden, Robin! Wolken, Blitze, Regenschauer – im Grunde ist unsere gesamte Beute der letzten Wochen vorgestern aus den Vorratskammern des alten Leuchtturms entwendet worden.«
»Und wir glauben, dass die Anderen etwas damit zu tun haben«, ergänzte Damian.
Wie bitte? »Äh«, machte ich und hob die Brauen. »Tut mir leid, das verstehe ich nicht. Andere zerstören und töten. Aber sie sind doch keine Diebe! Schon gar nicht, wenn es um Blitzklingen geht. Sie bestehen aus Blitzen.« Allein die Vorstellung, ein Donnerdrache würde irgendwo einbrechen und – nein, also, das war so was von absurd!
»Ich weiß! Trotzdem sind wir gestern in einen Hinterhalt geraten, als wir den Spuren unserer Lieferung folgten«, sagte Aaron ernst. »Jeden Blitz, den ich einfange, markiere ich mit meinem Siegel, um mein Eigentum zu schützen und es notfalls wiederfinden zu können. Die Händler heutzutage sind schließlich alles andere als vertrauenswürdig.« Er raufte sich das dunkle Haar. »Jedenfalls würde ich dieses Siegel überall wiedererkennen. Selbst mit einem Betonklotz auf der Brust, glaub mir. Und auch wenn es noch so unwahrscheinlich klingen mag, das in den Bäuchen der Donnerdrachen auf dem Schulhof, das waren meine Blitze, Robin!«
»Unsere«, verbesserte ihn Damian. »Unsere.«
»Vielleicht