Название | Hopfenbitter |
---|---|
Автор произведения | Alexander Bálly |
Жанр | Языкознание |
Серия | Allgäu Krimi |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783960416319 |
Bisher war Wimmer nie groß nach außen hin als Detektiv aufgetreten. Zumindest in den letzten Jahren nicht mehr. Vor einer kleinen Ewigkeit war es anders gewesen: Er war zehn, als er mit zwei inzwischen längst verstorbenen Kameraden eine Lausbubendetektei gegründet hatte. »Scherlock Pinkerton & Co – Wolnzach« hatten sie sich genannt, und einen kurzen Sommer lang hatten sie Detektiv gespielt. Sogar einen richtigen Kunden hatten sie gehabt. Ein Nachbar hatte sie schmunzelnd beauftragt, im Garten einen Silberschatz zu suchen, der da im Krieg vergraben worden sein sollte. Den hatte es aber nie gegeben. So hatten sie ihm das Gemüsebeet umgegraben und danach die Geschäfte unter beißendem Spott ihrer Schulkameraden eingestellt.
Jahrzehntelang hatten die materiellen Reste des Detektivspielens in einer Blechdose auf dem Speicher geruht. Erst als vor ein paar Jahren unversehens ein Toter am Maibaum gebaumelt und dieser Mord die Marktgemeinde erschüttert hatte, hatte Wimmer wieder Lust auf das Detektivspielen bekommen. Eigentlich hatte er sich nur ein wenig umhören und der Polizei helfen wollen. Dieses Umhören hatte jedoch bald eine gewisse Eigendynamik entwickelt, und ehe er sich versehen hatte, hatte er zusammen mit Anna »Scherlock Pinkerton & Co – Wolnzach« wieder zum Leben erweckt. Am Ende hatten sie sogar noch vor der Polizei den Mörder ermittelt.
Anna hatte sich für ihn bei inzwischen vier Mordermittlungen als sehr nützliche Assistentin erwiesen. Wimmer war bauernschlau, geduldig und einfallsreich, doch auf einem Gebiet war der alte Metzger beinahe unbeleckt – Computer. Anna dagegen war ein Kind des digitalen Zeitalters. Inzwischen betreute die Fünfzehnjährige für ihre Mutter die Website der Metzgerei und hatte ihr vor ein paar Wochen den kleinen feinen Webshop »Oma Wimmers Wurstspezialitäten im Glas« eingerichtet.
Für ihren Opa recherchierte sie als Assistenzdetektivin im Netz und fand dort Informationen, von denen Wimmer nie geahnt hatte, dass man sie überhaupt suchen konnte. Doch auch Anna konnte erfolgreich den lokalen Klatsch ablauschen, besonders natürlich bei Schülern und jungen Leuten. Da sie ähnlich scharfsinnig war wie ihr Opa, bildeten sie ein glänzendes Team.
Doch das wusste so gut wie niemand. Sie erwähnten nie ihr Detektiv-Dasein nach außen. Anna und ihr Opa waren einfach nur Leute wie andere auch: ortsbekannt, vertrauenswürdig und a bisserl neugierig. Dass sie dabei sehr zielgerichtet neugierig waren und im kriminalistischen Sinne auch höchst erfolgreich, behielten sie für sich.
Doch nun hatte ein Herr Dirk Biss angerufen und nach dem Privatdetektiv Wimmer gefragt. Der alte Metzger fand das sehr merkwürdig. Diese nebulöse Bitte um kollegiale Hilfe hielt ihn lange wach.
Auch Karola trieb der Anruf lange um. Sie fand ihn sehr beunruhigend. Wenn es nur um Wimmer gegangen wäre, hätte sie es noch hingenommen. Er war erwachsen und für sich selbst verantwortlich. Doch dass er Anna mit der Detektivspielerei angesteckt hatte, das machte ihr große Sorgen. Einmal war sie schon mit einer Pistole bedroht worden, und auch beim letzten Mal wäre sie beinahe in Lebensgefahr geraten. Natürlich hatte Wimmer alles getan, dies zu vermeiden. Es war nicht so, dass er unsinnige Risiken eingegangen wäre, doch das Jagen von Mördern war nun mal etwas, was schnell aus dem Ruder laufen konnte.
Und dann noch diese alte rote Motorradkombi. Da hatte sie sich sauber ausmanövrieren lassen. Die rote Kombi! Sie lächelte, als sie an die Touren dachte, die sie darin gemacht hatte. Und an die paar handverlesenen Burschen, die sie damals aus dem Leder pellen durften. Die Kombi war ihr Tor zur Freiheit gewesen. Aber Anna? Das waren doch seinerzeit ganz andere Zeiten gewesen. Das konnte man doch nicht vergleichen. Detektive und Motorräder! Ach, wieso konnte ihre kleine Familie nicht sein wie andere auch und normalen Hobbys nachgehen?
Anna schlief zwar, aber auch sie wälzte sich von einer Seite auf die andere. Im Traum hatte sich die rote Lederkombi verdreifacht. Als drei rote Lederschwestern standen sie da: Karola, Katharina und sie in der Mitte. Sie ließen sich von jungen Männern auf bulligen Motorrädern bewundern. Und dann kam einer, reichte ihr die Hand und bot ihr den Platz auf dem Soziussitz an. Er war unglaublich männlich, stark und kühn und trug die Züge von Sammi aus der zwölften Klasse. Seltsamerweise roch er aber wie das Rasierwasser von Opa.
2
19. September – Donnerstag
»Jetzt, Herr Biss, müssen S’ mir bitte erst mal erzählen, wie Sie auf mich gekommen sind. Dass i ab und zu als Detektiv arbeit – oder sagen wir lieber: a bisserl an Kriminalfällen herumstöber, des weiß eigentlich keiner. Es war immer inoffiziell. Es ist ja ned so, dass i Visitenkarterl verteilen daat.«
Wimmer saß auf seinem blauen Kanapee in seinem Zimmer unter dem Dach der Metzgerei. Seinen Gast hatte er in einen der beiden bequemen Lehnstühle gesetzt und musterte ihn nun. Sein Gegenüber war Ende vierzig, hatte einen deutlichen Bauchansatz, eine Halbglatze und dicke Tränensäcke. Er war unauffällig gekleidet – beige Bundfaltenhose, ein einst weißes, nun aber sehr, sehr hellgraues Polohemd und ein beiges Sakko. Alles in allem hätte er ein Beamter sein können oder ein Lehrer. Wenn man genauer hinsah, wirkte er ein wenig angeschmuddelt. Das an den Ellbogen ausgebeulte Jackett mit der vom Sitzen zerknautschten Rückseite hatte schon bessere Zeiten gesehen, die Schuhe waren abgeschabt, und auch das Polohemd hatte fadenscheinige Stellen am Kragen.
»Herr Wimmer, Sie unterschätzen wohl Ihre Mitbürger und deren Neugier. Ihre Heldentaten schweigen sich sozusagen herum. Man weiß, dass Sie an Verbrechen nicht nur interessiert sind, sondern schon mehrfach an der Lösung derselben beteiligt waren. Da gab es doch den toten Apotheker, den Sie entdeckt haben. Haben Sie da nicht auch den Täter identifiziert? Und die beiden Leichen in Eichstätt, auch das hat man nicht übersehen und ebenso wenig, wie Sie da der Polizei geholfen haben.«
»Und wer hat Ihnen den Tipp gegeben?«, wollte Wimmer wissen. »Wer genau?«
»Sagen wir so … Ich hab einen Freund aus früheren Tagen in der Polizeiinspektion Geisenfeld.«
Die Polizei … ja, die wusste natürlich von Wimmers privaten Ermittlungen oder von seinem »penetranten Herumgeschnüffel«, wie man es auch schon genannt hatte.
»Und Sie san also a Detektiv. A echter Privatdetektiv?« Wimmer lenkte das Gespräch zurück auf den Anlass.
»Genau! Eingetragenes Mitglied im Berufsverband der bayerischen Detektive.«
»Aha.« Wimmer zeigte sich weniger beeindruckt, als er es war. »Und Sie wünschen sich jetzt von mir ›kollegialen Beistand‹? Um was geht es denn überhaupt, und wie stellen Sie sich das vor?«
»Sie werden verstehen, dass ich nicht zu sehr ins Detail gehen kann. Diskretion gegenüber meinem Mandanten, ja? Aber so viel kann ich Ihnen sagen: Ich soll ein Haus finden. Er hat aber nur eine Fotografie und die Information ›Wolnzach‹.«
»A Haus sollen S’ finden? Warum? Ich mein, wieso will er denn dieses Haus finden? Wenn ich da am End an Einbruch vorzubereiten helf, dann …«
»Nein, es ist sicherlich nichts Illegales. Warum genau mein Mandant dieses Haus finden will, weiß ich nicht, aber es scheint ihm sehr wichtig zu sein. Aber schauen Sie, das Bild ist schon älter. Soweit ich weiß, ist es über fünfzig Jahre alt. Wolnzach hat sich verändert. Ich vermute, dass dieses Gebäude heute anders aussieht. Ich habe es nicht finden können. Aber mit Ihrer Hilfe … Ich meine, Sie kennen Wolnzach auch, wie es früher war und wie es sich entwickelt hat. Oder Sie kennen die richtigen Leut, die man fragen muss. Mit Ihnen habe ich eine echte Chance, das Haus zu finden. Ich biete Ihnen dreihundert Euro pro Tag.«
Wimmer zögerte.
»Das Geld gibt es erfolgsunabhängig! Ich bezahl Sie in jedem Fall, ob wir das Haus finden oder nicht.«
Wimmer seufzte und wollte gerade antworten.
»Und fünfhundert Euro extra, wenn wir es finden.«
»Herr Biss. Ich muss mir das erst noch überlegen. Ob ich Ihnen zusag oder nicht, hat dann aa nix mit der Bezahlung zu tun. Die ist schon in Ordnung. Kann ich Sie heut am Abend anrufen?«
Der Detektiv gab Wimmer seine Visitenkarte. Wimmer legte sie auf seinen Schreibtisch, dann brachte