Название | STARS AND STRIPES (Black Stiletto 3) |
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Автор произведения | Raymond Benson |
Жанр | Языкознание |
Серия | Black Stiletto |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783958354470 |
Jetzt, einen Monat später, ist der Job eben, was er ist. Ich bearbeite Steuererklärungen für ganz normale Leute. Früher war ich mal Wirtschaftsprüfer. Ich arbeitete im Chicago Loop und verdiente ziemlich gutes Geld. Jetzt erkläre ich Mr. Whatzenblatt und Mrs. Whozenstein, was sie absetzen können und was nicht. Es ist eine langweilige, eintönige Arbeit, aber ich verdiene Geld. Und die Arbeitszeiten sind ziemlich flexibel. Sam hat Verständnis für die Sache mit meiner Mom. Ein Pluspunkt ist, dass das Büro in Deerfield ganz in der Nähe von Riverwoods liegt, wo sich das Pflegeheim befindet. So kann ich auf meinem Heimweg nach Buffalo Grove dort immer mal einen Zwischenstopp für einen Besuch einlegen.
Zumindest das Arbeitsproblem meiner Krise konnte damit aus der Welt geschafft werden.
Die anderen Dinge – der Überfall auf meine Tochter, der Erpressungsversuch, meine Mutter – sich um sie zu kümmern und das verfluchte Problem der Black Stiletto – diese Dinge lasteten nach wie vor schwer auf mir. Wenn ich doch nur Gina davon erzählen könnte. Sie würde es verstehen. Sie würde es wahrscheinlich sogar ziemlich cool finden, dass ihre Großmutter mal eine sagenumwobene Verbrechensbekämpferin gewesen war. Doch ich fürchte, dass sie das Geheimnis nicht für sich behalten könnte.
Ob ich Maggie reinen Wein einschenken sollte? Gott, sie fragt sich sicher schon, was für Leichen ich im Keller habe. Auf jeden Fall spürt sie, dass irgendetwas nicht stimmt. Ich meine, sie ist immerhin ein Doktor. Dr. Margaret McDaniel. Junge-Junge, die Dinge haben sich zwischen ganz schön verändert, seit ich sie das erste Mal gesehen habe.
Sie ist Ärztin und arbeitet im Woodlands, wo meine Mutter seit einigen Jahren lebt. Zuerst konnte ich die Frau nicht ausstehen. Ich dachte, sie hätte einen Stock im Arsch oder so. Sie war immer sehr ernst und geschäftsmäßig und ihr Umgang mit den Patienten regelrecht abstoßend. Okay, ich hielt sie für eine … Sie wissen schon. Am allerwenigsten konnte ich ihre Fragen über all die Narben und uralten Wunden auf dem dreiundsiebzigjährigen Körper meiner Mutter leiden. Ich zog es vor, nicht zu verraten, woher sie stammten. Ich gab vor, es nicht zu wissen. Es war ausgeschlossen, Maggie zu erzählen, dass meine Mutter die Black Stiletto war.
Wenn Sie mir also vor zwei Monaten gesagt hätten, dass ich mit der Ärztin meiner Mutter aus deren Pflegeheim ausgehen würde, hätte ich Ihnen erklärt, dass Sie höchstwahrscheinlich nicht alle Latten am Zaun haben. Aber es stimmt und lässt sich gar nicht mal so schlecht an.
Und das, obwohl wir uns beide zuerst auf dem falschen Fuß erwischt haben, aber hey, zumindest war ich von Anfang an der Meinung, dass sie gut aussieht. Sehr gut sogar. Helle blaue Augen. Wahnsinns-Fahrgestell, zumindest, soweit man das unter ihrem weißen Arztkittel beurteilen kann. Und nur ein paar Jahre jünger als ich.
Nach meiner Rückkehr aus New York nahm ich irgendwann meinen Mut zusammen und fragte sie, ob sie mit mir ausgehen würde. Unser erstes Date – auf einen Kaffee – war furchtbar. Ich war nervös. Ich hatte mich seit meiner Scheidung nicht mehr mit anderen Frauen getroffen. Es fühlte sich sehr, sehr seltsam an, wieder im Rennen zu sein. Ich denke, Maggie erging es da ganz ähnlich. Sie erzählte mir, dass sie nie geheiratet hatte, was ich überraschend fand. Ich war davon ausgegangen, dass sie ebenfalls geschieden wäre. Wir unterhielten uns hauptsächlich über meine Mutter. Also keine Überraschungen, was das anging.
Unser zweites Treffen war besser. Es fiel uns beiden leichter, uns zu unterhalten. Der Wein zum Essen half dabei enorm. Gegen Ende des Abends lachten wir bereits und hatten unseren Spaß.
Beim dritten Date küssten wir uns. Ich hatte beinahe vergessen, wie man das macht.
Keine Ahnung, was aus der Sache noch wird, aber ich bin bereit, es zu versuchen.
Derzeit war bei Wegel, Stern and Associates nicht allzu viel los. Die Leute brachten ihren Kram erst nach den Feiertagen vorbei. Bis zum 15. April würden es dann aber vier verrückte Monate werden. Sam hatte mich vorgewarnt, dass dann die Hölle los wäre, und ich während dieser Zeit keinen Urlaub nehmen könnte. Ich meinte, dass das kein Problem sei.
Als ich auf Arbeit kam, war Sam nicht da. Ich ging auch nicht davon aus, dass er noch auftauchen würde, denn es schneite. Er nahm sich öfter mal frei oder arbeitete von zuhause aus, wenn das Wetter schlecht war. Also trank ich jede Menge Kaffee und ging mechanisch die Steuererklärung von irgendeinem Kerl durch. Die meiste Zeit über aber saß ich an meinem Schreibtisch und starrte aus dem Fenster auf das Winterwunderland hinaus, das draußen entstand. Typisches Chicagoer Wetter für diese Jahreszeit.
Ich hasste es.
Gina lächelte mich von ihrem Highschool-Abschlussfoto an. Der Bilderrahmen stand gleich neben meinem Eingangskorb, sodass ich es jedes Mal betrachtete, wenn ich nach einer neuen Aufgabe griff. Sie ist so ein schönes Mädchen. Wenn ich daran denke, was ihr widerfahren ist, bricht es mir das Herz und mein Blut gerät in Wallung. Ihr Gesicht war mit blauen Flecken regelrecht übersät und übel zugerichtet gewesen. Sie tat mir so leid. Aber sie hat sich ziemlich gut erholt. Erst kürzlich hat man die Drähte entfernt, sodass sie wieder normale Kost zu sich nehmen kann. Ich bin immer noch begeistert darüber, dass sie darauf bestand, weiterzustudieren. Ihre Mutter und ich schlugen vor, das Semester auszusetzen, um sich zu erholen, aber Gina war schon immer ein willensstarkes Mädchen gewesen. Sie war entschlossen, auf ihrer Schule als Schauspielerin und Tänzerin einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen, und deshalb kam eine Pause für sie nicht infrage.
Der psychische Schaden hingegen war etwas, dass sich noch nicht bemessen ließ. Manchmal können die Nachwirkungen eines Traumes auch erst Wochen oder Monate später urplötzlich hervorbrechen. In der Schule suchte sie regelmäßig einen Berater auf, doch das war alles, was sie ihrer Mutter und mir darüber erzählte. Aber es ist ermutigend, dass Gina jedes Mal, wenn wir uns am Telefon unterhalten, glücklich und voller Energie wirkt. Ich denke, sie wird das alles gut verarbeiten. Fürs Erste müssen wir einfach von einem Tag auf den nächsten hoffen.
Sie hat vor, über die Weihnachtsfeiertage nach Hause zu kommen, und das ist großartig.
Ich machte zeitig Feierabend und fuhr auf dem Weg nach Hause bei Mom vorbei. Als ich dort eintraf, schlief sie gerade. Nachmittagsnickerchen. Sie schlief derzeit wohl sehr viel. Tat ihr Körper das absichtlich, um so dem frustrierenden Nebelschleier zu entkommen, der ihren Wachzustand bestimmte? Wenn ich in ihrer Situation gewesen wäre, würde ich so viel wie nur möglich schlafen wollen. Oder sterben. Ich konnte mir nicht ausmalen, was in Judy Talbots Kopf vor sich ging. Ob dort überhaupt noch irgendetwas vor sich ging. Seit die Krankheit bei ihr mit aller Härte zugeschlagen hatte, war meine Mutter immer schweigsamer und zurückgezogener geworden. Früher einmal war sie voller Energie gewesen und ungemein gesellig. Davon war nichts mehr geblieben.
Maggie war nicht im Pflegeheim, also blieb ich nicht lange. Ich setze mich eine Weile zu meiner Mutter und sah ihr beim Atmen zu. Sie war immer noch eine gut aussehende Frau, obwohl sie zerbrechlich wirkte. Aber ich wusste, dass in diesen dünnen Armen und Beinen noch einiges an Kraft steckte. Wie sie vergangenen Sommer Roberto Ranelli in die Eier getreten hatte, musste man gesehen haben, um es glauben zu können. Hin und wieder erhaschte ich einen kurzen Blick auf die Person, die sie früher einmal gewesen war.
Manchmal sah ich sogar die Black Stiletto in ihr, auch wenn ich den Namen in ihrer Gegenwart nicht mehr erwähnen durfte. Er löste etwas Schmerzhaftes in ihr aus. Selbst wenn ich ihr etwas über ihr Alter Ego zuflüsterte, schien es sie zu quälen.
Es gibt noch so vieles, das ich nicht über sie weiß. Bisher habe ich nur zwei der Tagebücher gelesen, die sie mir vermacht hat. Manch einer würde annehmen, dass ich sie alle in einem Rutsch verschlungen hätte, aber das konnte ich nicht. Ich empfinde den Prozess, mich durch diese Bücher zu arbeiten, als sehr verstörend. Ich kann nicht sagen, wieso das so ist.