MACHETE - Der Passat-Killer von Hawaii. Robert W. Walker

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Название MACHETE - Der Passat-Killer von Hawaii
Автор произведения Robert W. Walker
Жанр Языкознание
Серия Die Fälle der Jessica Coran
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783958354456



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Gehirn blicken, mit einem Laser schneiden, seine entfernte Kopfhaut über die Augen ziehen. Die Augen sind die einer gigantischen Kelia. Größer als der Diamond Head, größer als die Insel selbst, durchbohren sie ihn und holen alles aus seinem Geist, aus seiner Erinnerung. Sie hat es immer gewusst.

      Er muss Kelia finden … muss sie vernichten.

      Kapitel 5

       Gleichmütigen Schritts pocht der fahle Tod an die Tür der ärmlichen Hütte

       wie an die Paläste der Könige. Horaz. Oden

      Paul Zanek rief sie aus Quantico an und sagte ihr mit Nachdruck, sie solle auf Oahu bleiben, umfassend mit Parry kooperieren, und ihn selbst und das psychologische Profiling-Team in Virginia informiert und auf dem neuesten Stand halten. Sie würden aus der Ferne alles in ihrer Macht Stehende tun, um den mutmaßlichen Killer zu schnappen.

      »Ich sollte es hier eigentlich langsam angehen lassen, Urlaub machen, wissen Sie, wie buchstabiert man das gleich, R-u-h-e?«

      »Sorry, Jess, aber Parry hat ziemlich Not am Mann, da sein Pathologe ausgefallen ist. Glauben Sie mir, niemand hat das geplant.«

      »Sicher, Chief. Ich bin nur ein wenig erschöpft und bade in Selbstmitleid.«

      »Denken Sie dran, wir unterstützten Sie auf jede erdenkliche Weise, Jess.«

      »Kein Grund, sich schon in den nächsten Flieger zu setzen. Bisher habe ich noch nichts gefunden, was überhaupt belegt, dass wir es hier mit einem Serienkiller zu tun haben.«

      »Parry ist ein erfahrener Stationschef, Jess, und ich …«

      »Diesmal könnte er allerdings danebenliegen. Genaueres weiß ich morgen, Chief. Ich lasse es Sie wissen. Gruß an J.T. und das Team.«

      »Thorpe ist in Detroit.«

      »Wieso das denn?«

      »Da geht was Schlimmes vor sich. Eine Serie von Morden in den Slums, größtenteils Obdachlose.«

      »Na ja, wenn Sie was von ihm hören, sagen Sie ihm einen schönen Gruß.«

      Nachdem sie aufgelegt hatte, dachte sie einen Moment an John Thorpe, ihren Stellvertreter im Kriminallabor in Quantico in Sektor IV. Er hatte kürzlich eine komplizierte Operation über sich ergehen lassen müssen, und das auch noch zusätzlich zu einer harten Scheidung, die ihn von seinen Kindern getrennt hatte. Es schien, als sei J.T. ein Mann, der tat, was er sagte, und sich in seiner Arbeit vergrub.

      Sie konnte jetzt entweder duschen gehen, den Zimmerservice anrufen, um sich das Dinner bringen zu lassen, oder die neun Aktenordner durchgehen, die sie vom Tisch auf der anderen Seite des Zimmers anstarrten. Am liebsten würde sie ins Bett gehen, aber ihre Gedanken wanderten zurück nach New York und zu Alan Rychman, dem sie immer noch nicht vergeben hatte, dass er sie hatte sitzen lassen. Er hatte ihr monatelang versprochen, dass er mit ihr nach Hawaii fliegen würde und alles schon vorbereitet war, aber jetzt, wo er sich um den Posten des Commissioners bemühte, hatte er nicht wirklich mehr viel Einfluss auf seinen eigenen Zeitplan oder sein Leben, wie es schien. Also hatten sie sich wieder gestritten. Wie es jetzt aussah, war es wohl am besten, dass Alan seinen Flug verpasst hatte, so wie die Dinge sich hier entwickelten. Bestimmt wäre er ziemlich wütend gewesen, wenn er mitbekommen hätte, wie sie in diesen Fall auf der Insel verwickelt wurde. Wäre er bei ihr gewesen, als das alles passierte, hätte er sich genauso darüber aufgeregt wie sie sich im Moment über ihn.

      Vielleicht sollte sie Alan anrufen, da er keine Ahnung hatte, wo sie mittlerweile steckte. Wenn er versuchte anzurufen, würde er sie auf Maui vermuten. Wahrscheinlich hatte er eine Nachricht im dortigen Hotel hinterlassen. Hastig wählte sie die Nummer und erfuhr, dass es keinerlei Lebenszeichen von ihm gab. Vielleicht sollte sie ihn einfach schmoren lassen. Sie beschloss, eine Dusche zu nehmen, und stand kurz darauf unter dem entspannenden warmen Strahl. Erfrischt schlüpfte sie in einen Bademantel und trat auf den Balkon, um das brillante lavendel- und purpurfarbene Spiel der Sonne und der Wolken draußen über dem Ozean zu sehen, während sich die wunderschöne hawaiianische Nacht träge über die Stadt herabließ. Er war wunderschön und exotisch, dieser Ort, so viele tausend Meilen von Quantico, Virginia, entfernt, das sie seit ihrer Zeit in der FBI-Akademie ihr Zuhause genannt hatte.

      So schön Hawaii auch war, sie fühlte sich niedergeschlagen. Einen verdammt weiten Weg hatte sie da zurückgelegt, nur um allein zu sein. Der Moment in San Francisco kam ihr ins Bewusstsein, als sie es endlich kapiert hatte: die Tatsache, dass Alan Rychman sich doch nicht dort mit ihr treffen würde, um mit ihr auf die hawaiianischen Inseln zu fliegen. Seine Stadt, New York, hatte wieder einmal gewonnen, genauso wie zu früheren Gelegenheiten. Sie war jedoch ehrlich genug, zuzugeben, dass ihr eigener Beruf sie auch mehr als einmal von ihm wegbeordert hatte.

      Vielleicht war ihre Beziehung von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen, wie es ihr Freund J.T. mit nicht wirklich tröstlicher Bestimmtheit gesagt hatte, als sie ihn angerufen hatte, um sich aus der Ferne an seiner Schulter auszuweinen. Sie hatte ihn eingeladen, sich ihr anzuschließen, und schon in dem Moment, als sie es sagte, war ihr bewusst, wie töricht sich das anhörte. So weit weg von zu Hause wollte sie einfach nicht allein sein. Es war nicht so, dass sie sich aufdrängen und ausnutzen wollte, dass J.T.s Beziehungsstatus sich zu Single geändert hatte, was nicht gerade sorgenfrei abgelaufen war. Nichts war sicher in einer Welt, in der selbst J.T.s nach außen hin perfekte Ehe auf den spitzen Felsen einer Scheidung auf Grund gelaufen war. Es hatte nicht das geringste Anzeichen dafür gegeben, so wenig hatte er von seiner Ehe erzählt.

      »Das Leben als Mediziner und Cop«, murmelte sie bei sich und nippte an einem Wein, den sie in der Minibar gefunden hatte. Sie hatte einen Dr. vor ihrem Namen stehen und war FBI-Agentin, aber im Grunde war es doch Polizeiarbeit und da blieb wenig Platz für das, was andere ein normales Leben nennen würden.

      »Das ist bestenfalls relativ«, versicherte sie sich selbst mit einem weiteren Lieblingssatz ihres Vaters. Ihrer Erinnerung nach hatte er das gesagt, als sie als Kind – damals waren sie von einem Army-Stützpunkt zum anderen gezogen – protestiert hatte, sein Lebensstil sei alles andere als normal, da sie wieder und wieder völlig entwurzelt wurden.

      »Aber wann wirst du mal einen Gang runterschalten und das Leben genießen, Dad?«, hatte sie gefragt.

      »Aber ich genieße das Leben, Jess. Ich liebe meine Arbeit.«

      »Und was ist mit mir und Mom?«

      »Euch liebe ich auch.«

      Sie spürte, wie ihre Augen bei der Erinnerung feucht wurden. Nicht lange danach bedauerte ihr Vater, ihre Mutter nicht genug geliebt und nicht genügend Zeit mit ihnen beiden verbracht zu haben. Danach hatte sie ihm immer wieder bis zu seinem Tod bestätigen müssen, dass er ein toller Ehemann und Vater gewesen war, und das stimmte auch. Er hatte sie dazu erzogen, unabhängig zu sein, sich selbst anzutreiben, hart zu arbeiten, selbstständig zu denken und mit Leib und Seele dabei zu sein. Er hatte ihr die Taktiken und Methoden der Jagd beigebracht und was man mit der Beute macht, wenn man sie erwischt hat. Er hatte ihr Kraft und Sanftheit in derselben Lektion vermittelt.

      Sie wischte die Tränen weg und sah hinaus auf die endlose Ausdehnung des Ozeans, betrachtete verschlafen das An- und Abschwellen der Brandung weit unter ihrem Balkon. Liebespaare liefen über die palmengesäumten Wege in der Ferne, wo der Strand von Waikiki mit den Fackeln des luau erleuchtet war, das gerade anfing. Der Passatwind brauste um die Balustrade und rüttelte an der spärlichen Möblierung des Balkons, drohte, ihren Bademantel hochzuwehen und ihre Nacktheit darunter zu entblößen, aber der Wind war warm und angenehm auf ihrer Haut, als wäre er lebendig und nur an ihr interessiert.

      »Mehr als ich von Alan Rychman sagen kann.« Auf ihren traurigen kleinen Witz folgte ein Schmollmund.

      Sie ließ ihre Gedanken mit dem Wind spielen, als er über sie und durch sie hindurch blies. Das Telefon, das beharrlich in ihrem Zimmer klingelte, hörte sie zuerst nicht.

      Verärgert atmete sie aus, ging hinein, ließ den Wind hinter sich und hob den Hörer ab.