Tausendfache Vergeltung. Frank Ebert

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Название Tausendfache Vergeltung
Автор произведения Frank Ebert
Жанр Историческая литература
Серия
Издательство Историческая литература
Год выпуска 0
isbn 9783957163127



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Mit Schmiergeldern ließ sich in der Tat in Asien einiges bewegen.

      „Wissen Sie, was Sie da von mir erwarten?“, konterte Al.

      „Es interessiert mich nicht, wie Sie darüber denken. Sie sind an exponierter Stellung im Ausland eingesetzt. Sie wissen so gut wie ich, dass sich die Amerikaner für das Ausland nur nebenbei interessieren. Das ändert sich in dem Augenblick, in dem es etwas wirklich Spektakuläres gibt – Meldungen, die den Amerikanern unter die Haut gehen.“

      Aha, er machte schon wieder Politik. Al schätzte an David das Geschick zu scharfen Analysen und seine Begabung zu treffsicheren Prognosen, deren Kombination sich oftmals als exakt kalkulierte Prophezeiung entpuppte. Als politischen Taktiker hatte er ihn allerdings bisher nicht kennengelernt.

      „Ich soll dafür sorgen, dass es etwas Spektakuläres gibt?“, fragte Al unsicher zurück.

      „Es passiert genug. Sorgen Sie dafür, dass das Spektakuläre ans Licht kommt!“

      Al kam sich überrumpelt vor. David, der mit ihm wie mit einem naiven, dilettantischen Anfänger umsprang, wollte genau das geliefert bekommen, was er brauchte. Um den Weltruhm zu erhalten, den seine Tageszeitung genoss, war er auf globale Betrachtungsweisen angewiesen. Andernfalls war der Medienkonzern nicht mehr wert als ein Auto mit Plattfuß.

      „Nun, Al, ich denke, Sie wissen, was ich von Ihnen erwarte, spätestens jetzt.“

      „Ja“, seufzte Al.

      „Sie werden gewiss nicht lange warten müssen, bis etwas Aufsehenerregendes passiert. Halten Sie die Augen offen. Und schließlich bin ich ja auch noch da, um Ihnen beim Fährtensuchen zu helfen.“

       7 Seoul, Residenz des Botschafters der Vereinigten Staaten von Amerika

      Am Eingang der stattlichen Residenz, in der der Botschafter seine Empfänge abzuhalten pflegte, hatte sich eine lange Schlange festlich gekleideter Menschen gebildet. Der Botschafter ließ es sich nicht nehmen, jeden einzelnen Gast persönlich zu begrüßen. Mit einigen plauderte er auch ein paar Worte. Seine charmante Ehefrau und sein Stellvertreter eskortierten ihn.

      Al stellte sich vor, als die Reihe an ihm war. „Al Ventura, Los Angeles News.“

      „Guten Abend, Herr Botschafter – und vielen Dank für die Einladung. Darf ich Ihnen Frau Professor Kang vorstellen?“ Al hatte sich in seinen besten Anzug geworfen. Jung Sook trug ein reizendes kurzes, schwarzes Kleid, in dem ihre zierliche Figur mit bewundernswerter Ausstrahlung zur Geltung kam.

      „Sehr erfreut, Frau Professor. Sehr erfreut, Herr Ventura“, dankte der Botschafter höflich.

      Seine Frau und sein Stellvertreter nickten freundlich lächelnd.

      „Viel Vergnügen heute Abend. Und lassen Sie ein gutes Haar an unserer Botschaft, wenn Sie über den Empfang berichten“, mahnte der Diplomat Al mit einem breiten Lächeln unter den dunklen, buschigen Augenbrauen.

      „Ah, da sind Sie ja, Al.“

      Bob Woods schien nur darauf gewartet zu haben, dass Al eintraf. Wie ein Pinguin watschelte er auf das Paar zu. Al übernahm die Vorstellung:

      „Bob Woods, Presseattaché der Botschaft – Frau Professor Kang.“

      „Ja. Freut mich sehr“, bluffte Bob. „Leider muss ich mich noch um andere Gäste kümmern. Wir sehen uns.“

      Angesichts der weiter hereindrängenden Menschen mochte Al ihm die knappe Entschuldigung nicht als Ausrede auslegen. Jung Sook verglich indessen Bobs Charme mit dem einer ungetünchten Betonmauer. Al widersprach ihrer Feststellung nicht.

      Die Empfangshalle der Residenz war mit adrett in blütenweiße Jacketts gekleideten jungen Frauen und Männern bestückt. Von ihren Tabletts reichten sie unaufdringlich Erfrischungsgetränke und pikant belegte Kanapees. Die Botschaft hatte sich wirklich allerhand einfallen lassen. Die meisten Gäste machten von dem Angebot regen Gebrauch. Wie in allen öffentlichen Gebäuden seiner Heimat durfte Al auch hier nicht rauchen, obwohl er gerade jetzt nach einer Zigarette gierte.

      Die Geräuschkulisse des Small Talk war inzwischen auf eine beträchtliche Stärke angewachsen.

      Es war, wie Bill prophezeit hatte: viele bunt Uniformierte, Diplomaten aus aller Welt, einige in farbenprächtigen Nationaltrachten, Wirtschaftskapitäne, Manager, Prominente, Langweilige und Interessante, Lässige und Distinguierte, Elegante und Sportliche. Eine vielfältige Mischung von drei- oder vierhundert Leuten aus allen Kontinenten hatte sich zusammengefunden. Jung Sook war beeindruckt. Sie konnte nicht anders als sich über einige der Gäste zu amüsieren.

      Der kleine, füllige Botschaftsrat aus dem schwarzafrikanischen Land, der allein erschienen war, wirkte auf sie schon bei seiner Ankunft angetrunken. Er schüttete gläserweise gekühlten Weißwein in sich hinein. Er versuchte, mit Jung Sook ins Gespräch zu kommen. Jede ihrer höflichen, jedoch völlig belanglosen Bemerkungen kommentierte er stereotyp mit einem heiseren „Okay, okay“, wobei er jedes Mal fürchterlich seine Augen verdrehte. Unter einem Vorwand dirigierte Al Jung Sook von ihm weg.

      Sie fielen unmittelbar einem italienischen Offizier in die Hände, der nach seiner goldbetressten Uniform wenigstens den Rang eines Generals innehatte. Er berichtete ebenso temperamentvoll wie gestenreich von seiner kinderreichen Familie, die zum großen Teil in den Staaten lebte. Al und Jung Sook beendeten das Gespräch mit einigen höflichen Floskeln.

      Einige Journalisten, die er im Pressezentrum kennengelernt hatte, gesellten sich zu Al. Sie unterhielten sich eine Weile. Al sah noch immer vereinzelt neue Gäste ankommen. Die Schlange vor der Tür hatte sich auf wenige Personen reduziert. Andere Gäste schickten sich bereits wieder an, sich vom Botschafter, der immer noch am Eingang stand, zu verabschieden und das Residenzgebäude zu verlassen.

      Verstohlen blickte Al auf seine Uhr.

      „Ich schlage vor, nicht mehr allzu lange zu bleiben. Wollen wir nicht den angebrochenen Abend irgendwo in Ruhe ausklingen lassen?“

      „Glänzende Idee“, meinte Jung Sook.

      „Bist du’s nun oder bist du’s nicht?“

      Der Mann, der in der maßgeschneiderten, eleganten Galauniform eines Fregattenkapitäns der US-Navy auf Al zugetreten war, baute sich vor ihm auf. In seinem abgewinkelten linken Arm hielt er einen halb gefüllten Sektkelch vor der Brust. Verdutzt blickte Al auf die Reihe militärischer Auszeichnungen und das Namensschild. „R. Meyers“ stand schlicht in weißen Buchstaben auf dem schwarzen Täfelchen.

      „Ich weiß nicht, ob wir uns kennen“, zögerte Al, um Zeit zum Nachdenken zu gewinnen.

      Der Mann kam ihm zwar bekannt vor, aber in der Überraschung des Moments wusste er nicht, wo er ihn unterzubringen hatte.

      „Al – Albert Ventura, natürlich, du bist es! Wie kommst du denn hierher?“, setzte der Offizier nach.

      „Raymond! Verdammt noch mal, das darf doch nicht wahr sein – Raymond, alter Haudegen … Unglaublich ist das“, freute sich Al. „Na, früher hattest du ein paar Haare mehr auf dem Kopf – Entschuldigung, Jung Sook, das ist Fregattenkapitän Raymond Meyers, US-Navy, und das ist Frau Professor Kang.“

      Al hatte sich wieder gefangen. Dennoch war seine Freude, den alten Kameraden wiederzusehen, deutlich spürbar.

      „Hallo, Madame, bin sehr erfreut, Sie kennenzulernen“, strich Raymond charmant heraus.

      Jung Sook dankte mit einer leichten Verbeugung ihres Kopfes, während der sie ihre Augen für einen Moment sanft schloss.

      „Weißt du, Jung Sook, Raymond und ich gingen damals gemeinsam zur Marine, mit all den Illusionen, die man nur haben kann, wenn man Berufsoffizier werden will. Wir waren während unserer gesamten Ausbildung zusammen. Fast alle Lehrgänge haben wir gemeinsam besucht“, erklärte Al.

      „Und wir wurden am selben Tag zum Leutnant befördert“, fügte Raymond mit erhobenem Zeigefinger hinzu.