Praktische Fälle zum Kommunalrecht Nordrhein-Westfalen. Ernst-Dieter Bösche

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Название Praktische Fälle zum Kommunalrecht Nordrhein-Westfalen
Автор произведения Ernst-Dieter Bösche
Жанр Юриспруденция, право
Серия
Издательство Юриспруденция, право
Год выпуска 0
isbn 9783792201596



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und Kanalisation dienen der Volksgesundheit, indem durch ordnungsgemäße und kontrollierte Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung Gesundheits- und Seuchengefahren vermieden werden. Eine in dieser speziellen Weise der Volksgesundheit dienende Rolle kommt der Gasversorgung nicht zu. Die Gasversorgung ist daher keine Einrichtung, die in ähnlicher Weise wie Wasserleitung und Kanalisation der Volksgesundheit dient,

      Folglich ist Anschluss- und Benutzungszwang für die städtische Gasversorgung schon aus diesem Grunde nicht zulässig. Die weitere Voraussetzung, dass nach § 9 GO ein öffentliches Bedürfnis vorliegen muss, kann daher ungeprüft bleiben.

      Die beabsichtigte Satzung über Anschluss- und Benutzungszwang für die städtische Gasversorgung wäre rechtswidrig.

      18. Fall: Anschluss- und Benutzungszwang, Friedhof

      Sachverhalt

      Es wird in der Verwaltung der Gemeinde G erwogen, durch Satzung Benutzungszwang für den gemeindlichen Friedhof vorzuschreiben. Bevor die Angelegenheit weiter verfolgt wird, soll die rechtliche Zulässigkeit dieses Vorhabens geprüft werden.

      Aufgabe

      Sie sind als Sachbearbeiter im Friedhofsamt der Gemeinde mit dieser Prüfung beauftragt.

      Lösung

      Die Zulässigkeit des Benutzungszwangs für Friedhöfe beurteilt sich nach § 9 GO.

      Voraussetzung ist zunächst, dass es sich bei einem Friedhof um eine für Benutzungszwang zugelassene Einrichtung handelt. Nach § 9 GO können die Gemeinden durch Satzung Benutzungszwang für Wasserleitung, Kanalisation und ähnliche der Volksgesundheit dienende Einrichtungen sowie für Fernwärmeversorgung und Schlachthöfe vorschreiben.

      Friedhöfe gehören nicht zu den in § 9 GO ausdrücklich aufgeführten zugelassenen Einrichtungen. Es fragt sich aber, ob Friedhöfe Einrichtungen sind, die in ähnlicher Weise wie Wasserleitung und Kanalisation der Volksgesundheit dienen.

      Wasserleitung und Kanalisation dienen der Volksgesundheit, indem durch ordnungsgemäße und kontrollierte Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung Gesundheits- und Seuchengefahren vermieden werden.

      Die Bestattung auf dafür eigens vorgesehenen und besonders für diesen Zweck eingerichteten Flächen dient zweifellos in ähnlicher Weise wie Kanalisation der Volksgesundheit, indem auch auf diese Weise Gesundheits- und Seuchengefahren begegnet wird.

      Friedhöfe sind folglich ähnliche der Volksgesundheit dienende Einrichtungen i. S. v. § 9 GO. Insoweit wäre Benutzungszwang für Friedhöfe zulässig.

      Weitere Voraussetzung für den Erlass einer diesen Benutzungszwang vorschreibenden Satzung ist nach § 9 Satz 1 GO ein öffentliches Bedürfnis.

      Ein solches öffentliches Bedürfnis liegt immer schon dann vor, wenn das Gemeinwohl den Benutzungszwang fordert, insbesondere, wenn es gilt, die Bevölkerung vor Gefahren für Leben und Gesundheit zu schützen, also immer, wenn vernünftige Gründe des Gemeinwohls vorliegen. Dies dürfte beim Benutzungszwang für Friedhöfe regelmäßig gegeben und nur im außergewöhnlichen Einzelfall zu verneinen sein. Auch insoweit wäre Benutzungszwang für Friedhöfe zulässig.

      19. Fall: Öffentliche Einrichtung, Benutzungsrecht

      Sachverhalt

      Der in der Stadt St ansässige Schäferhundeverein e. V. feiert in diesem Jahr sein fünfzigjähriges Bestehen. Da das auf dem Vereinsgelände in St stehende Vereinsheim nicht über genügend große Räume zur Durchführung der Jubiläumsfeierlichkeiten verfügt, beantragt der Verein bei der Stadtverwaltung die Überlassung der Aula der städtischen Gesamtschule zur Durchführung der Feierlichkeiten. Diese Aula wird üblicherweise zu schulischen Veranstaltungen genutzt und auch ortsansässigen Vereinen für größere Vereinsveranstaltungen überlassen. So feiert z.B. der Schützenverein den jährlichen Königsball in der Aula, und der Karnevalsverein veranstaltet in der Aula seine jährliche Prunksitzung und den jährlichen Prinzenempfang.

      Der Antrag des Schäferhundevereins auf Überlassung der Aula wird von der Stadtverwaltung abgelehnt. Zur Begründung der Ablehnung wird angeführt, dass nur sehr wenige Mitglieder des Schäferhundevereins Einwohner der Stadt St seien und auch der gesamte Vereinsvorstand außerhalb von St wohne.

      Aufgabe

      1.Ist die Ablehnung unter der angegebenen Begründung rechtmäßig?

      2.Wie wäre die Rechtslage zu beurteilen, wenn als Ablehnungsgrund (zutreffend) angegeben wäre, dass die Aula zum beantragten Zeitpunkt bereits aufgrund eines zeitlich früher gestellten Antrages an den Schützenverein vergeben worden sei?

      Lösung

      1. Ein Recht des Schäferhundevereins auf Überlassung der Aula könnte sich aus § 8 Abs. 2 GO ergeben. Danach sind alle Einwohner der Gemeinde berechtigt, im Rahmen des geltenden Rechts die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde zu benutzen.

      Die Aula als Veranstaltungsraum für größere Veranstaltungen ist eine öffentliche Einrichtung i. S. d. § 8 GO. Einwohner ist, wer in der Gemeinde wohnt (§21 Abs. 1 GO). Einwohner sind nur natürliche Personen. Der Schäferhundeverein e. V. ist als juristische Person nicht Einwohner der Stadt St. Nach § 8 Abs. 4 GO gelten die Vorschriften des § 8 GO für juristische Personen entsprechend. Die benutzungswillige juristische Person muss keine weiteren „persönlichen" Voraussetzungen erfüllen. Unerheblich ist, ob die Mitglieder des Vereins oder der Vereinsvorstand Einwohner der Gemeinde sind.

      Folglich ist die Ablehnung des Antrages des Schäferhundevereins e. V. auf Überlassung der Aula rechtswidrig.

      2. Nach § 8 Abs. 2 GO besteht die Berechtigung zur Nutzung der öffentlichen Einrichtungen nur im Rahmen geltenden Rechts. Nutzungsbeschränkungen können sich z.B. aus einer Benutzungsordnung oder dem Widmungszweck ergeben. Beschränkungen können sich auch daraus ergeben, dass die Einrichtung zum nachgefragten Zeitpunkt tatsächlich oder wegen anderer berechtigter Nutzungen nicht verfügbar ist.

      Die Aula ist aufgrund eines zeitlich früher gestellten Antrages an den Schützenverein vergeben. Die Vergabe der Aula bei Vorliegen mehrerer Anträge nach dem Gesichtspunkt des zeitlichen Eingangs der Anträge ist keine sachfremde Erwägung.

      Die Ablehnung des Antrages des Schäferhundevereines e. V. auf Überlassung der Aula wäre in diesem Falle rechtmäßig.

      20. Fall: Einwohner, Bürger

      Sachverhalt

      Der Wohnungslose W „haust" seit mehr als 20 Jahren in einem Pferdeunterstand auf einer Wiese des Landwirts L, idyllisch am Waldrand gelegen. Der Unterstand ist überdacht und hat an zwei Seiten eine Bretterwand. W hat nirgendwo sonst eine „Bleibe". Das Wiesengrundstück liegt im Gemeindegebiet der Gemeinde G. Landwirt L duldet den dauernden Aufenthalt von W. Den Unterhalt seines anspruchsarmen Lebens verdient sich W durch gelegentliche Arbeiten bei Landwirt L und durch Gelegenheitsarbeiten für andere Einwohner der Gemeinde G. W und sein Aufenthalt sind in der ganzen Gemeinde bekannt. W ist deutscher Staatsangehöriger; er ist bei der Gemeindebevölkerung beliebt.

      W erfährt bei einem Kneipenbesuch, dass Thekennachbarn eine Wahlbenachrichtigung für die Kommunalwahl erhalten haben. Er hat eine solche ihm bis dahin unbekannte Nachricht nicht erhalten, möchte aber, nachdem er schon so lange in der Gemeinde lebt und sich dort sehr wohlfühlt, was er immer wieder erwähnt, auch den Gemeinderat mitwählen.

      Er geht zum Wahlamt der Gemeinde G und fragt nach, warum er keine Wahlbenachrichtigung erhalten habe.

      Der zuständige Sachbearbeiter erklärt ihm, dass nur Bürger der Gemeinde zu den Gemeindewahlen wahlberechtigt seien. Da er in Ermangelung einer Wohnung in G nicht Bürger sei, besitze er in G auch nicht das Wahlrecht, dementsprechend könne er auch keine Wahlbenachrichtigung bekommen.

      Aufgabe

      Ist diese Auskunft rechtlich zutreffend?

      Lösung

      Nach § 21 Abs. 2 GO ist Bürger, wer zu den Gemeindewahlen