Traumprotokolle. Christof Wackernagel

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Название Traumprotokolle
Автор произведения Christof Wackernagel
Жанр Изобразительное искусство, фотография
Серия
Издательство Изобразительное искусство, фотография
Год выпуска 0
isbn 9783866747784



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beginnt schließlich über Literatur mit mir zu reden – ich will natürlich über die anderen Fragen mit ihm sprechen, aber er besteht darauf und setzt sich plötzlich mir gegenüber hin – in diesem Moment kommt aber ein offensichtlicher Bulle und wir können nicht weiterreden, als ich ihm von Camus erzählen will; mit einem Mal werde ich so geblendet, dass ich nichts mehr sehe –

      – einer will mein Geld haben, wobei er keine Gewalt anwendet, sondern einfach so bestimmt mein Geld fordert, dass ich nichts dagegen machen kann und es ihm gebe, weil er nun mal nichts hat; später will er dann auch noch meine überzähligen Kleider, die ich ihm auch gebe – dann gibt er aber mein Unterhemd zurück, weil ich sonst friere –

      – Szene wird gedreht, in der ich mit einem dicken Mann durch mehrere Gänge rennen muss, dann in die Führerkabine eines Lastwagens, die sich vorne aufmachen lässt und von da rausspringen in ein großes Schwimmbecken, aber weil der Dicke sich nicht traut, muss getrennt gedreht werden, wie er einmal ins Trockene springt und ich dann alleine noch einmal ins Wasser, aber nach dem ersten Anlauf wird bei mir abgebrochen und wir sitzen lange unklar herum; die Produzentin kommt und macht sich wichtig – es ist Rob Houwer als Frau, sie erkennt mich aber nicht oder will nicht mit mir reden, und dann laufe ich über merkwürdig ausbetonierte Straßen – es könnten Kanäle sein, in denen noch kein Wasser fließt – und hinter einer Autobahnraststätte befindet sich etwas Geheimnisvolles –

      – eile durch eine sommerliche, hochgrasige Wiese, Elefanten liegen faul im Gras, Schildkröten; ich achte darauf, nicht draufzutreten, eine herrliche ausgeglichene Stimmung, ein sanfter Abhang kommt, ich schlittere runter, als ob ich Skifahren würde, vollkommenes Glücksgefühl, kleine glitschige Hügel auf dem Weg, so dass ich wie Skispringend durch die Luft hopse, immer höher, zum Schluss fast zu hoch, aber nach dem letzten Hügel sehe ich Freunde am Hang stehen, die auf mich warten, ich muss nur noch über eine Mauer, die gesprengt wird, wobei mir aber nichts passiert; wir stehen in einer Schlucht neben einem Berg, und ich erinnere mich, vor vielen Jahren schon mal da gewesen zu sein und mit einem Bergführer Bruno, Inbegriff von Stärke und Schönheit, oben gewesen zu sein – »vier Stunden Aufstieg«, sagt ein anderer, aber dann kommt ein Hubschrauber, ein Flugzeug liegt direkt in der Schlucht und auf dem Abhang an der anderen Seite entsteht ein Durcheinander: in großen Rutschbahnen stehen Segelflugzeuge bereit, deren Start abgesagt werden muss; wir verhandeln über den Abtransport und müssen selbst die Rutschbahnen runter steigen, wobei wir Plastiktüten mit von unten Kommenden austauschen und in einen großen Esssaal kommen, der mir sofort bekannt vorkommt, angenehm warme Farben, viereckige Holztische, reich gedeckt, zu einem großen Viereck aneinander gestellt – junge Leute, hauptsächlich Frauen, laufen herum, decken die Tische und strahlen gastfreundliche Atmosphäre aus, hinter der aber auch immer ein Hauch von Zwang steht, Zugeständnisse an die Gruppe und deren undurchschaubare Struktur mit ihren wohl religiösen Inhalten zu machen; das Ganze wirkt wie eine Akademie, eine Guru-Gemeinde oder Ähnliches, aber gut getarnt, offiziell scheint es ein Verlag zu sein; und dann nähert sich der Boss, der alle zum Essen einlädt, in seinem Gefolge eine Menge Leute – ich will weg, weil mir diese Strukturen unangenehm sind, habe aber Hunger und würde mich gerne einladen lassen, sehe dann auch meine Eltern, die mich zu ihnen an einen seitlich stehenden Tisch bitten, und dabei fällt mir ein, dass ich den Laden von Vorträgen kennen müsste, die meine Mutter hier einst gehalten hat; eine Frau sitzt mit den Eltern am Tisch, die sagt, dass sie die Explosionen vor mehreren Jahren ausgelöst hat, bei denen ich dabei war und die mal ein Kind verletzt haben – heute hatte sie damit den Flugwettbewerb auf den Rutschbahnen verhindert, und ich frage mich, wieso sie das macht und wieso sie keiner daran hindert, traue mich aber nicht zu fragen, und so sprechen wir über die Leute hier und ich erwähne, dass ihre Augen so gefährlich leuchten und sie mir wie von Rudolf Steiner beeinflusst vorkommen, was Heiner bestätigt –

      – von einer Brücke sehe ich, wie ein Mann mit einem Pferd kämpft oder es vor dem Ertrinken retten will; er zerrt es ans Ufer, aber es scheint schon tot zu sein, er streichelt es, beklatscht es und küsst es, bis es endlich aufspringt, und die beiden gehen – eine blonde Frau mit zwei Kindern hat dem Ganzen zugeschaut, im Bikini, und eine Situation, in der nichts geredet wird, entsteht zwischen ihr und mir; dann fotografiere ich sie und die Kinder, mit denen ich später am anderen Ufer liege und ein Fotoalbum anschaue: lachend zeigen sie mir das Foto, auf dem ihre Mutter nackt ist; ich bin verlegen, will weiterblättern und lobe die technische Qualität des Fotos, auch, dass es wie ein impressionistisch gemaltes Bild aussieht, da kommt sie schon lächelnd, und es ist klar, dass sie eine Beziehung zu mir will, aber irgendetwas Kompliziertes dazwischensteht – und so laufen wir durch einen langen Glasgang, inmitten eines Feldes, an dessen Horizont Städte brennen oder Atombomben explodiert sind, wir haben die Beziehung, inzwischen aber Krach: ich soll ihretwegen etwas nicht machen, es steigert sich, ich will sie küssen – da reißt sie sich los und rennt aus dem Glasgang, aber ich rufe ihr hinterher, dass sie wiederkommen soll und ich mit ihr zusammen sein will: da wirft sie sich mir um den Hals und sagt, dass genau das sie hören wollte –

      – habe Besuch von mehreren Leuten hintereinander, erst von einer Frau, die noch nicht da war; das Treffen findet in einem großen Raum ohne TV-Kameras statt, Freunde sind auch dabei, aber keine Überwachung, ich muss mich nur umziehen; unbeholfen zieht sie ein Päckchen roten Libanesen aus der Tasche und mittlere Panik bricht aus, was jetzt damit ist, aber ich klebe ihn unter die Tischplatte und bin sicher, dass alles cool ist – der andere Besuch sind Mütter; alles verzögert sich, in Wartesälen sitzen eine Menge Leute, die Nachricht kommt auf, Helga sei frei und ich freue mich, aber der Andrang wird immer größer, die Mütter gehen wieder, Frau Jost ist auch dabei, und in Wirklichkeit ist alles eine Vorstellung bei einem Regisseur oder eine Produktion für einen Film, ich bin empört, will sofort vorgelassen werden, komme auch an allen vorbei und werde von einem nervösen Produktionsleiter zu einem Aufzug geführt, vor dem eine Frau steht, die eine Mischung aus Helga Anders und Sabine Buschmann ist und die sich dem Produktionsleiter anbiedert, allerdings dabei immer noch etwas komisch distanziert bleibt; wieder zurück in dem Raum, sehe ich zum Fenster hinaus – oder neben dem Haus stehend – ganz tief einen Hang hinunter, an dem unten eine Straße verläuft: es ist eine schöne sonnige Stimmung, bis an der Seite eine Reihe merkwürdiger Gestalten anmarschiert kommt, und ich weiß sofort Bescheid: »die Zombies kommen!«, rufe ich und alarmiere alle Leute, aber sie sind ganz freundlich und setzen sich in den Besucherraum, sehen ganz harmlos aus, wie ganz normale Leute, und die Debatte dreht sich hauptsächlich darum, wo sie pennen können; ich versuche sie ins Nebenhaus zu schicken, denn ich will endlich meine Ruhe haben, und zum ersten Mal seit Jahren vor dem Schlafen einen Joint rauchen –

      – man muss nicht hingehen, es ist schon da, aber starr auf einem Foto, zum Beispiel die Geschichte, die Diskussion: wer so verschwommen schaut, der kann nichts gewollt haben – ich fahre Zug und verpenne es auszusteigen, normalerweise wäre es ja eine wichtige Fahrt und ginge viel weiter, aber diesmal ist der Zielpunkt schon auf dem Foto gesetzt und deshalb sinnlos, und um zu umgehen, dass ich nachzahlen muss, will ich in den Speisewagen, was aber zu riskant ist, und so komme ich dann in eine Verkaufshalle, wo in einem Kiosk auf der einen Seite Pommes angeboten werden, auf der anderen Seite derselbe Laden einen auf seriös macht und sogar große Spielzeugautos hat – eines ist so schön, dass ich bewundernd davor stehe: das ist dann auch schon die Bahnhofshalle, und ich gehe raus – aber ich muss ja zurück fahren und suche deshalb wieder den Bahnhof, finde ihn erst nicht, aber dann doch instinktiv und ich sage zu einem Mann neben mir: »den Bahnhof findet man in jeder Stadt, weil die Gegend drumrum immer gleich aussieht« – total abgefuckte Hinterhof- oder Hafengegend, riesige Parkhäuser werden gebaut –

      – es hat Krach gegeben: ob es mit dem Acht-Punkte-Katalog besser geht, ist die Frage auf blauem Papier, aber wir müssen erst etwas Gefährliches machen, nachdem es jemanden bei einer Explosion zerrissen hat, woraufhin einer eine unvergleichliche Videoanlage anschleppt, mehrere Recorder, unzählige Bänder, Reinigungsbänder, Zubehör: ich bin platt und erzähle, dass ich schon seit neunzehnhundertundsechsundsiebzig mit Video arbeite und die alte, schneller laufende Anlage hatte; auf die Mischung aus Anerkennung und Spott reagiere ich sauer mit der Bemerkung, dass ich natürlich auch die neue habe –

      – ein wichtiges Etwas, das aus dem All zurückkommt, muss tausend Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, um nicht gefährdet zu werden, baut unsichtbare Mauern um sich und in sich, erstmal,