Название | Von keltischer Götterdämmerung. Die Kelten-Saga. Band 1-3: Anation - Wodans Lebenshauch / Völva - Wodans Seherinnen / Brictom - Wodans Götterlied. Die komplette Saga in einem Bundle |
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Автор произведения | Astrid Rauner |
Жанр | Историческая литература |
Серия | Von keltischer Götterdämmerung |
Издательство | Историческая литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783862827732 |
Der Wache am Siedlungstor blieb kaum genug Zeit, um nachzuhaken, was der Krieger und Aigonn gesehen hatten. Ersterer verschuf sich eigenmächtig Ausgang, beschleunigte seinen Schritt, als er auf die Wiese hinaustrat, und steuerte – Aigonn hinter sich – auf den Waldrand zu.
Als sie das Dorf hinter sich gelassen hatten, schien es Aigonn plötzlich, als ob die Luft ihn mit einer unwirklichen Kühle umfassen würde. Die Feuchtigkeit und Frische des Morgens intensivierte sich in unrealistische Ausmaße. Jegliche Haare an seinen Armen und Beinen richteten sich auf, während er mit Falten in der Stirn auf die Umrisse der Gestalt, dieses Etwas starrte, dem er sich immer weiter näherte.
Als er endlich nah genug herangetreten war, musste er feststellen, dass er sich nicht getäuscht hatte. Ein toter Körper lag mit dem Gesicht nach unten im Gras. Strähnige Haare, noch immer schweißnass, hatten sich wie die Äste eines Strauches um seinen Kopf verteilt. Unendlich langsam, als würde der Tote binnen den nächsten Augenblicken wieder zum Leben erwachen, ging Aigonn neben dem Körper auf die Knie. Was ist, wenn er gar nicht tot ist?, schoss es ihm durch den Kopf.
Zögerlich streckte er die Hand aus. Als er die Schulter berühren wollte, zuckte er noch einmal zurück, als wäre der Körper brennend heiß. Doch dann wagte er es und stieß ihn fest genug an, sodass sich der Körper halb auf den Rücken drehte.
Es bestand kein Zweifel, der Mensch war tot. Ein Mann. Aigonn erschrak so sehr, dass er zwei Schritte nach hinten stolperte, auf den Po kippte und sich sogleich wieder aufrichtete. Blankes Entsetzen hatte sich scheinbar für die Ewigkeit in den Zügen des Mannes vertieft. Das makabere Gegenstück zu der Ruhe, die allen Toten innegewohnt hatte, deren Bestattungen Aigonn je beigewohnt hatte. Allen, bis auf einer.
Wenn er sich genug Mühe gab und Beherrschung bewahrte, konnte er einen jungen Mann zwischen all der Verzweiflung erkennen, zwanzig, jünger. Ein unsauberer, eine Kinderelle langer Schnitt prangte auf seiner Brust, von Blutkrusten halb verdeckt, doch noch nicht überall geronnen. Die Lache, die sich unter der Leiche gebildet hatte, war nur spärlich vom Regen verwaschen. Das Wasser hatte das viele Blut weder von der Leiche noch vom Boden wegspülen können. Nicht einmal die Natur hatte den Toten reinwaschen wollen.
Zwei Herzschläge lang schloss Aigonn die Augen, dann richtete er sich auf und tauschte einen wortlosen Blick mit dem Wachposten, der neben ihm stand.
Unweit der Leiche lag ein Jagdmesser auf dem Boden. Das Blut, das den gesamten Oberkörper des jungen Mannes zu bedecken schien, klebte an der unsauber geschmiedeten Bronzeschneide. Fingerabdrücke einer blutbeschmierten Hand bedeckten den Griff, noch immer deutlich genug, um einen Vergleich zu ziehen.
Aigonn wollte den Gedanken ebenso schnell wieder verdrängen, wie er gekommen war. Ein Selbstmörder. Er hatte es nicht probiert, doch er war sich sicher, dass die Hand des Toten genau auf die Abdrücke am Messergriff passen würde. Bilder flackerten vor seinen Augen auf. Die Vergangenheit jagte wie eine Welle auf ihn zu, wollte ihn mitreißen. Aigonn kämpfte mit seinem Gleichgewicht, während die Wache besorgt immer wieder von ihm zu der Leiche blickte.
Es brauchte einen Moment, bis Aigonn sich wieder gefangen hatte. Er begegnete dem Blick des Wachpostens, der kaum älter war als er selbst. Sein Name war Bral. Ein Mensch, den Aigonn niemals wirklich gekannt hatte – wie so viele andere nicht. Er spürte, dass Bral etwas sagen, fragen wollte. Doch der Krieger brachte es nicht über die Lippen.
Dann hörte Aigonn Schritte. Als er sich herumdrehte, sah er gut und gern zehn Bewohner der Siedlung, zwei Wachen, einen Schmied und zahlreiche Bauern auf sich und die Leiche zueilen – allen voran Behlenos selbst.
Als der Fürst angelangt war, streifte er Aigonn mit einem Blick, der so viel Drohung enthielt, wie er es noch nie in seinem Leben gesehen hatte. Wieder er. Schon wieder ein unschönes Ereignis, und er war der erste, der es gesehen hatte. Fast konnte er Behlenos verstehen.
„Wisst ihr, wer das ist?“ Die Frage war an alle gerichtet. Der Fürst presste angewidert die Lippen aufeinander, sodass seine langen Schnurrbartenden um seine Mundwinkel spielten. Niemand antwortete. Stattdessen drängte eine junge Frau die Umstehenden beiseite, nicht hektisch, aber bestimmt, bis sie die Leiche sehen konnte.
Erstaunt sah Aigonn auf. Die junge Frau stand wie zu Stein erstarrt. Unzählige Gefühlsregungen durchliefen ihr Gesicht binnen Herzschlägen, bis sie eine Mischung aus Entsetzen und schockiertem Erkennen bildeten, das alle Umstehenden überraschte.
„Lhenia?“ Es dauerte einen Moment, bis die junge Frau auf Behlenos reagierte. „Lhenia, kennst du diesen Mann?“
„Nein …, nein eigentlich …“
„Eigentlich was?“
„Ich weiß es selbst nicht.“ Ihr Ausdruck mäßigte sich, doch die Leiche schien ihren Blick gefangen zu halten. Aigonn versuchte, aus ihren Zügen zu lesen, doch es war zwecklos. Er konnte die Herzschläge nicht zählen, bis sie auf einmal, schlagartig, ihren Blick abwandte, sich umdrehte und an den Männern vorbeilief, als wären diese gar nicht existent.
„Ich danke euch, dass ihr so schnell gekommen seid!“ Behlenos’ Stimme verriet seit langem so nicht gespürte Anspannung. Der Hauptaufenthaltsraum seines geräumigen Hauses war rund um das Herdfeuer mit allen Bewohnern des Dorfes bevölkert, die dort noch Platz gefunden hatten. Aigonn selbst hatte man
mehr oder minder freiwillig bis in Sichtweite des Fürsten vordringen lassen – ganz gleich, ob dieser lieber einen anderen Platz eingenommen hätte.
Behlenos warf immer wieder hilfesuchende Blicke in die Menge, bevor er – erfolglos – ohne Unterstützung zu sprechen begann: „Es wird sich herumgesprochen haben, was … Aigonn und Bral am Waldrand gefunden haben. Hat einer …“ Seine Stimme ging beinahe im Getuschel und Gemurmel der Anwesenden unter. „RUHE BITTE!“ Augenblicklich wurde es still. Der Fürst strich sich den Schweiß von der Stirn, als seine Stimme an Ruhe gewann: „Hat einer von euch den Toten Zeit seines Lebens gekannt?“
Aigonn jagte ein weiterer ungezählter Schauer über den Rücken. Behlenos hatte den Toten auf dem Marktplatz aufbahren lassen – eine ehrfürchtige Geste für den Verstorbenen, jedoch in diesem Fall eher zweckmäßiger Art.
Keiner der Bärenjäger konnte den jungen Mann beim Namen nennen. Nach einem Moment jedoch löste sich Bral zögerlich aus der Menge, fischte ein Stück Stoff aus einem Lederbeutel und hielt es Behlenos mit spitzen Fingern entgegen.
„Was ist das?“ Der Fürst beugte sich ein Stück vor, beäugte nachdenklich das blutverschmierte Leinen, auf dem sich undeutlich eine feine Stickerei abzeichnete.
„Das ist ein Stück seines Hemdes. So zerfetzt wie es war …, habe ich mir erlaubt, den Stoff abzureißen.“
„Und? Was soll ich sehen?“
„Das …, die Stickerei da. Das ist ein Eichenblatt.“
Behlenos stutzte. Er nahm Bral das Stoffstück aus der Hand und starrte beschwörend auf die Stickerei, als ob er sie damit verzaubern könnte. Auf der Suche nach einer letzten Hoffnung warf der Fürst ein: „Die Eiche ist ein heiliger Baum. Viele Stämme schmücken sich damit.“
„Aber nicht so. Schaut Euch die Stickerei an, Behlenos. So schmücken sich nur die Eichenleute.“
Herzschläge schienen sich in Tage zu verwandeln. Lautlos beschwor Behlenos das Stück Stoff, als ob diese Geste irgendeinen Sinn und Zweck erfüllen würde. Jeder wusste, was er dachte – das, was sie alle dachten. Eine unheilvolle Wahrheit. Unheilvoller als vieles, das ihnen hätte widerfahren können.
„Das kann nicht sein. DAS DARF NICHT WAHR SEIN!“ Behlenos’ Schlag ließ die Tischplatte erzittern. Aigonn sah Tonbecher schaukeln, die von den Beratern des Fürsten, die diesem am nächsten saßen, aufgefangen
wurden.
Es war nicht auszumachen, ob Behlenos