Die Britannien-Saga. Band 1 und 2: Hengist und Horsa / Brand und Mord. Die komplette Saga in einem Bundle. Sven R. Kantelhardt

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da, ihr zwei: Reitet zu meinem Vater und lasst die Männer hier ins Tal kommen“, befahl er ihnen. Dann fiel sein Blick auf Ceretic und ein Grinsen breitete sich auf seinen Zügen aus. „Ritter Ceretic, du reitest mit ihnen und holst als erstes die Sachsen hierher. Wir haben ja beschlossen, dass sie die Vorhut bilden sollen. Und schließlich sagt man doch, dass sie sich mit Booten bestens auskennen.“

      Ceretic wendete gehorsam seinen Wallach, während sich seine Nackenhaare sträubten. Vortimers Grinsen gefiel ihm gar nicht. Und tatsächlich war das noch nicht alles gewesen.

      „Und verrate ihnen nichts von dem Bootsgerät in den Häusern dieser armen Fischer. Wir wollen ja nicht, dass diese Barbaren unsere beherzten Untertanen doch noch ausplündern“, rief Vortimer ihm nach.

      Ceretic sah ihn verwundert an, drückte seinem Reittier dann aber die Fersen in die Flanken und galoppierte hinter den beiden Boten den Hang hinauf. Einen Reim konnte er sich auf Vortimers Befehle nicht machen. Was sollte nur der Unsinn mit dem Bootsgerät?

      Dann kam ihm ein böser Verdacht. Sehenden Auges schickte Vortimer die Sachsen in ihr Verderben. Aufgrund des Mangels an Riemen konnten sie nur mit einem oder zwei Booten gleichzeitig über den Abus setzen und mussten so auf einen überlegenen Gegner treffen. Mit welcher Hinterlist und Geschwindigkeit er diesen Plan ersonnen hatte, versetzte Ceretic in Staunen. Aber Vortimer hatte ja bereits angekündigt, dass er die Sachsen züchtigen wollte. Und er selbst sollte es sein, der seine stolze Truppe und damit auch Rowenas Vater ins offene Messer führte. Auf einmal hatte er das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen.

      Oh Herr im Himmel, ich weiß, ich sollte dich nicht immer nur in Not anrufen, schickte er ein Stoßgebet in den grauen Himmel hinauf, aber du bist der einzige, der mir jetzt helfen kann!

      IX. Die Herren des Nordens

      Ab Abum, Juni 441

      Ordulf

      Die Sachsen hielten hinter dem britannischen Heer auf einem Höhenzug. Vor ihnen lag ein nebliges Tal mit einem breiten Fluss. Das gegenüberliegende Ufer war im Nebel nicht auszumachen. Ordulf hatte versucht hinter einigen Haselsträuchern am Straßenrand Schutz gegen Wind und Wetter zu finden, aber längst war er, wie vermutlich das gesamte Heer, völlig durchnässt. Unbarmherzig blies ein kräftiger Ostwind Regenböen und Nebelschwaden von der See in das Flusstal hinein. Verstohlen strich Ordulf über den Knauf seines neuen Schwertes. Hengist hatte ihm als Anteil aus der Piktenbeute ein eigenes Langschwert geschenkt. Der Knauf war noch etwas rau, dort wo Hengist vermutlich eine goldene oder silberne Verzierung herausgebrochen hatte. Aber die Klinge war lang und scharf und was mehr konnte sich Ordulf wünschen? Endlich erschienen einige Reiter dort, wo der Königssohn zusammen mit Ceretic ins Tal herabgestiegen war. Und dann erkannte Ordulf auch Ceretics graues Pferd. Schon trieb er es an der Marschkolonne vorbei auf die wartenden Sachsen zu.

      „Hengist, ordne deine Männer“, rief er schon von weitem. „Prinz Vortimer erweist euch die Ehre, als seine Vorhut über den Abus zu setzen.“

      Hengist selbst legte die Hände trichterförmig um den Mund. „Aufstehen Männer. Genug gerastet. Wir marschieren weiter.“

      Ordulf beobachtete, wie der Held seinen Sattelgurt festzurrte, den er für die Pause gelockert hatte, und schon saß er wieder auf dem Pferd.

      Ordulf schüttelte seine eigene Trägheit ab und griff nach dem schweren Gepäck. Mit langsamen, festen Schritten zogen sie an Britanniens Heer vorbei zu Tal, während ein neuer Regenschauer vom Britannischen Ozean herüberwehte. Die Steine der Römerstraße verwandelten sich im Regen in eine glatte Bahn und es fehlte nicht viel, dann wäre Ordulf mit seinem schweren Gepäck das steile Stück zum Dorf hinunter auf dem Hosenboden gerutscht. Er fluchte leise, was ein belustigtes Schnaufen von Gerolf zur Folge hatte.

      „Gefällt dir das Wetter nicht, Junge?“

      Ordulf ging nicht auf die Neckerei des Veteranen ein. Stattdessen versuchte er, sich von der Höhe des Weges einen Überblick zu verschaffen. Vor ihnen standen einige windschiefe Fischerkaten. Rechter Hand lagen Boote. Es roch bereits nach Tang und Salz, die Mündung in den Oceanus konnte nicht weit entfernt sein. Ordulf kniff die Augen zusammen, während der Regen ihm gegen die Stirn prasselte. Verbarg sich in dem Schatten dort das andere Ufer?

      „Los Männer, an die Boote“, rief Hengist sie zur Tat.

      Ordulf zuckte unwillkürlich mit den Schultern. Da er vom anderen Ufer ohnehin nichts erkannte, konnten sie seinetwegen auch gleich hinüber rudern und nachschauen.

      „Das hier sieht ganz stabil aus“, rief Thiadmar von rechts und klopfte auf eines der breiten Holzboote. „Schau doch mal, ob du irgendwo passende Riemen findest, Ordulf!“

      Doch Ordulf war nicht der einzige, der danach suchte.

      „Das ist doch nur ein Wrack!“ und „Verdammt, das Ruder gehört zu unserem Boot!“ tönte es wild durcheinander.

      „Jetzt mal Ruhe!“, rief Horsa über den Lärm hinweg. „Wir können nicht alle gleichzeitig über den Fluss. Wir haben hier zu wenige Riemen. Ihr bringt jetzt alle Riemen zum Strand!“

      Murrend schleppten die Männer, welche ihre Beute erfolgreich gegen die Kameraden verteidigt hatten, die wenigen Riemen zum Strand. Ordulf war einer von ihnen.

      „Wir haben hier wie viele Riemen?“, wollte Horsa wissen. „Halt! Jeder Mann, der einen Riemen hergebracht hat, bleibt stehen wo er ist!“, unterbrach er sich, als einige Männer die Ruder ablegten und wieder zu ihren Kameraden zurückschlurften. Als alle wieder an ihrem Platz standen, schritt er die Reihe ab und musterte ihre Beute. „Der hier nicht, das Ding ist zu wurmstichig“, schickte er den einen fort, „der ist zu kurz“, einen anderen.

      „Siebenundzwanzig Riemen“, fasste er schließlich stirnrunzelnd seine Bestandsaufnahme zusammen. „Nicht mehr als dreizehn Paare. Dafür zumindest reichen die Boote. Jeder, der einen Riemen ergattert hat, wird mit mir in der ersten Welle über den Fluss rudern.“

      „Ihr solltet das Gepäck hierlassen“, bemerkte Ceretic, „ich habe das Gefühl, dass ihr drüben erst einmal eure Waffen braucht. Gestern sind zumindest noch Pikten am anderen Ufer gesehen worden.“

      Ordulf blickte zu dem unruhig von einem auf das andere Bein tretenden Britannier hinüber, doch der wich seinem Blick aus. Was hat er nur?, fragte sich Ordulf.

      Horsa hatte derweil drei große und einigermaßen feste Boote ausgesucht. „Ab ins Wasser damit, wir haben schließlich nicht den ganzen Tag Zeit“, befahl er.

      Ordulf packte gehorsam zu und half, das erste Boot auf den Kiel zu drehen und ins Wasser des Flusses zu schieben. Augenblicklich erfasste die Strömung des hochgehenden Flusses das Fahrzeug. Ordulfs Finger umklammerten das Dollbord und er stemmte sich mit seinem ganzen Gewicht gegen den Strom.

      „Willerich, du kümmerst dich darum, dass hier alle für die nächste Welle bereitstehen, falls wir drüben Verstärkung brauchen“, übernahm Hengist jetzt wieder das Kommando von seinem Bruder. Er trat an eines der anderen Boote heran. Ordulf gehörte diesmal also zu Horsas Bootsbesatzung. Neben den Ruderern und Horsa selbst zwängten sich noch drei weitere Männer in den alten Fischerkahn. Schließlich standen nur noch Ordulf und Thiadmar am Ufer und hielten das Boot, während die anderen bereits ihre Riemen einlegten und sich so gut es ging auf den schmalen Ruderbänken einrichteten. Auf einen Wink Horsas hin schoben Thiadmar und Ordulf das Fahrzeug schließlich vollends ins Wasser. Da sie ohnehin vom Regen völlig durchnässt waren, machte Ordulf das kalte Flusswasser auch nicht mehr viel aus. Im letzten Moment sprang er an Bord und während die Kameraden vor ihm bereits anpullten, legte auch er seinen Riemen ein.

      „Los jetzt, rasch hinüber! Wenn drüben irgendwo Pikten sind, gelingt es uns vielleicht sie zu überraschen“, befahl Horsa und Ordulf passte seinen Riemen in den Rhythmus der übrigen Ruderer ein.

      Horsa stand am Bug und spähte in den Nebel hinaus. Sie waren zwei Bootslängen flussabwärts getrieben, aber den beiden anderen Booten war es nicht viel besser ergangen, sodass sie weiterhin dicht beieinander lagen.

      „Dort drüben, ist das Land oder nur eine Wolke?“,