Die Britannien-Saga. Band 1 und 2: Hengist und Horsa / Brand und Mord. Die komplette Saga in einem Bundle. Sven R. Kantelhardt

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aus, als würde es bald regnen“, bemerkte der mit einem besorgten Blick zum Himmel.

      „Stimmt“, bestätigte Ceretic. Den am Morgen noch so heiteren Himmel bedeckten inzwischen dichte graue Wolken, doch noch dufteten die Wälder und Wiesen nach Harz und frischem Heu.

      „Fast könnte man vergessen, dass dies Land mit Krieg überzogen wird“, fuhr Horsa fort und blickte sich um. „Die letzten drei Dörfer, die wir durchquerten, waren allesamt unversehrt. Keine Brandspuren, keine enthauptete Leichen.“

      „Allerdings haben wir auch keine Einwohner gesehen“, entgegnete Ceretic. Sicherlich hatten die sich in den umliegenden Wäldern versteckt, überlegte er.

      Horsa zuckte nur mit den Schultern.

      Abends lagerte das Heer in einem der verlassenen Orte. Am nächsten Morgen hatte sich das Wetter weiter verschlechtert. Immer mehr graue Wolken zogen vom Germanischen Ozean herauf. Als die Römerstraße auf einem ungeschützten Höhenzug einschwenkte, dem sie scheinbar bis zum Horizont folgen wollte, blickte Ceretic kritisch zum Firmament hinauf. Der Himmel war so dunkel, dass er jeden Augenblick mit einem Platzregen rechnete.

      Und tatsächlich ließen die ersten Regenschauer nicht lange auf sich warten. Die ungeschützten Männer waren sofort durchnässt und Ceretics Pferd stolperte auf den glatten, nassen Steinen der Straße ein ums andere Mal. Roggen, Hafer und Gerste auf den kleinen Feldern, die zu beiden Seiten aus dem Grau tauchten und von nahen Dörfern kündeten, waren vom Regen niedergedrückt. Es würde eine schlechte Ernte werden dieses Jahr.

      Erst gegen Mittag erreichten sie endlich das Ende des Höhenzuges. Unter ihnen entdeckte er ein kleines Dorf am Ufer eines sehr breiten Flusses oder Meeresarms. In dem gesamten Tal hingen die Regenwolken nun als dichter Nebel fest. Das musste der Abus sein, überlegte Ceretic. Am anderen Ufer, von den Wolken verborgen, wartete also der Schauplatz des gräulichen Gemetzels, dem Vortigern vor wenigen Tagen nur mit knapper Not entronnen war.

      Doch Ceretic blieb nicht lange mit seinen Gedanken allein. Ein Bote des Königs kam auf seinem Pony die nassen Reihen entlang geprescht. Die Hufe warfen den Kriegern Dreck ins Gesicht, doch er achtete nicht darauf. Als er Ceretic erreichte, dampfte das kleine Pferd in der Kälte. „Ritter Ceretic! Der König lässt euch rufen.“

      Ceretic drückte seinem Pferd die Hacken in die Flanken und scherte aus der Kolonne aus.

      „Vortimer, du nimmst zwanzig Krieger meiner Eskorte und siehst nach, ob irgendwo am Flussufer Boote zu finden sind“, befahl der Hochkönig in dem Moment, als Ceretic in Hörweite kam. „Wir wissen nicht, ob sich Feinde auf unserer Seite des Flusses befinden, also sei vorsichtig.“ Sein Blick fiel auf den gerade herangeeilten Übersetzer. „Du, Ceretic, schließt dich ihm an. Die Sachsen werden nämlich als erste über den Fluss setzen.“

      Ceretic stöhnte innerlich, doch er reihte sich gehorsam hinter Vortimer ein. Die Römerstraße führte steil in das kleine Dorf hinab, welches der ortskundige Krieger mit dem ziemlich einfallslosen Namen Ad abum bezeichnet hatte. Die Hütten der Flussschiffer und Fischer standen verlassen und windschief wie eh und je. Die Blaken waren vom Regen geschwärzt und das alternde Reed mit dicken Brocken Moos bedeckt. Nirgends Spuren von Kampf, Brand und Plünderung. Aber auch hier zeigte sich keine Menschenseele und so hielt es Vortimer offenbar nicht für notwendig, die ärmlichen Hütten einer genaueren Untersuchung zu unterziehen.

      „Kein Wunder, dass hier niemand ist. Bei dem Wetter schickt man ja keinen Hund vor die Tür, wobei ich bei Pikten eine Ausnahme machen würde“, schimpfte er.

      Sie trabten auf der alten Straße weiter bis zum Flussufer. Vor ihnen strömte das graue Wasser rasch in Richtung See. Der Regen und die hereinkommende Flut hatten den Strom über die Ufer treten lassen. Von der gegenüberliegenden Seite war hier im Tal noch weniger zu erkennen als oben von der Höhe aus.

      „Seht nur, die Boote liegen noch da, wo wir sie verlassen haben!“ Einer der Reiter, der die Flucht des britannischen Heeres miterlebt hatte, zeigte nach vorn.

      Tatsächlich entdeckte nun auch Ceretic durch die wallenden Nebelschwaden die Umrisse mehrerer Boote, die kieloben verlassen auf den Kieseln des Flussstrandes lagen.

      „Bei unserem Rückzug haben wir die Boote aber nicht umgedreht. Irgendjemand muss hier gewesen sein!“, rief ein anderer Krieger alarmiert.

      Einen Augenblick herrschte erschrockenes Schweigen. Dann sprach Vortimer aus, was alle dachten: „Die Pikten müssen mit den übrigen Booten über den Fluss gekommen sein.“

      Ceretics Rechte tastete unwillkürlich nach seinem Schwert.

      „Halt, wer da?“, erklang plötzlich hinter ihm die Stimme eines von Vortimers Männern.

      Ceretic fuhr im Sattel herum, während sich seine Finger um den römischen Schwertknauf schlossen. Doch es waren keine bemalten Pikten, die sich aus einem Hinterhalt auf sie stürzten. Drei einfache alte Männer näherten sich schüchtern zu Fuß.

      „Willkommen, willkommen, werte Krieger!“, rief einer von ihnen noch von weiten und hob die leeren Hände. „Ich bin der Comarchus von Ad abum!“, stellte er sich beim Näherkommen vor. „Werdet ihr die Pikten nun für ihre Frevel züchtigen, werter König?“, sprach er Vortimer an und verneigte sich tief.

      „Ich bin Prinz Vortimer und habe allerdings vor, die Pikten mit blutigen Köpfen hinter den hohen Steinwall zu werfen“, entgegnete der Angesprochene. Ein schmallippiges Lächeln zeigte, wie sehr ihm die Anrede „König“ gefiel. Er hielt sich auch wie ein Herrscher im Sattel, während sein Pferd unruhig auf den Kieseln des Strandes tänzelte. Die eisernen Hufsandalen schlugen trotz der Nässe Funken aus dem Stein. Widerwillig erkannte Ceretic an, dass dieser Mann von allen Beratern des Königs wohl am ehesten fähig wäre, seinen Worten Taten folgen zu lassen.

      „Dem Herrn sei Dank!“, stieß der Dorfvorsteher hervor. „Wir fürchteten, die Pikten könnten den Fluss im Westen umgehen und uns so überfallen. Nach dem …“ Hier machte er eine kurze Pause und sprach dann schnell weiter: „Nach dem Abzug des britannischen Heeres haben wir alle Boote ans Südufer des Abus geholt.“ Er zeigte auf die Boote am Ufer. „Leider hat das Hochwasser inzwischen etliche weggeschwemmt, die weiter unten lagen.“

      „Und was ist dann passiert? Habt ihr Pikten gesehen?“, wollte Vortimer wissen.

      „Wir hatten kaum die Boote auf unserer Seite, da erschienen ihre Reiter dort drüben am Ufer.“ Der Comarchus machte eine ausladende Geste in Richtung Norden. „Am Abend haben sie Peturaria niedergebrannt. Zum Glück sind die Frauen, Kinder und Alten von dort vorher mit an unser Ufer gekommen.“ Er schaute traurig zu Boden. „Den wenigen, die ihr Dorf nicht verlassen wollten, ist es nicht gut bekommen. Bevor gestern Abend dieser Nebel aufzog, haben wir auf der anderen Seite immer noch Pikten gesehen. Zu uns herüber konnten sie nicht ohne Boote und wegen des Hochwassers.“

      „Seht her. Hier ist ein einfacher Fischer, der seinen Kopf behält und das einzig Richtige tut. Anstelle ‚Pikten, Pikten‘ zu schreien und sich zu verstecken, hat er die Boote in Sicherheit gebracht und dem Feind so den Übergang über den Fluss unmöglich gemacht“, lobte Vortimer den alten Dorfvorsteher. Einige der Männer, die dieser indirekte Tadel traf, sahen beschämt zu Boden oder blickten ihren Prinzen finster an. Vortimer zog eine Silbermünze aus der Tasche und warf sie dem alten Mann zu. „Für deine Dienste. Die Boote werden wir jetzt brauchen. Nur schade, dass so viele abgetrieben sind. Sind diese hier denn noch einsatzfähig?“

      „Unsere eigenen Fischerboote haben wir hoch auf den Strand gezogen. Die sind gut und dicht. Und einige der anderen Boote konnten wir auch noch retten“, beteuerte der Comarchus. „Das Bootsgerät und die Ruder haben wir in unseren Hütten in Sicherheit gebracht.“

      Ceretic konnte sich gut vorstellen, wie sich die Menschen in diesem von Vortigern und seiner Armee im Stich gelassenen Kaff gefühlt hatten, als sich von Süden ein Heer näherte. Schließlich hatten sie die wilde Flucht der Britannier gerade erst vor wenigen Tagen erlebt. Und ohne ihn und die Sachsen wäre nun kein Retter gekommen, sondern tatsächlich das Verderben über sie hereingebrochen.