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des Vertrauens.

      Genau das war Raimund Scirea bis heute.

      Und mit seinen guten Verbindungen in die Berliner Geschäftswelt hatte er dem Al-Khlalili-Clan schon des Öfteren sehr geholfen.

      Er hatte außerdem maßgeblich daran mitgewirkt, dass Abdullah seine jetzige Position innerhalb des Geschäfts hatte erreichen und über Jahre hinweg halten können.

      Wenn Raimund Scirea hier auftauchte, musste irgendetwas Wichtiges anliegen, war Al-Khalili sofort klar.

      Raimund Scireas Blick war gedankenverloren in die Ferne gerichtet.

      Mit einem Ruck drehte er sich herum.

      Seine leuchtend blauen Augen musterten Abdullah.

      Neben ihm verblasste die eher schmächtige Erscheinung von Walid 'Walter' Tawil sichtlich.

      „Onkel Abdullah, wie lange willst du noch warten?“, fragte Walid Tawil ziemlich ungehalten – und für Abdullah Al-Khalilis Geschmack entschieden zu respektlos. „Jimmy ist umgebracht worden – ironischerweise auch noch auf dem Gelände dieses Fun Park, den er mit deinem Geld betreibt!“

      „Du solltest deine Tonfall mäßigen!“, schnitt Abdullah Al-Khalili ihm das Wort ab.

      Aber dieser Auftritt war durchaus typisch für Walid 'Walter' Tawil. Große Ansprüche stellen und wenig dafür leisten. Das konnte Abdullah Al-Khalili nicht ausstehen.

      „Wie lange willst du noch warten?“, fragte Walid Tawil, ohne dass dabei sein Tonfall auch nur eine Nuance an Schärfe verlor. „Bis wir alle umgebracht worden sind? Da rasiert ein Wahnsinniger die halbe Führungsriege unserer Organisation einfach weg und der große Patron tut gar nichts! Onkel Abdullah, was glaubst du, was da draußen auf den Straßen geredet wird? Was hast du überhaupt für eine Vorstellung davon, was derzeit im Kiez los ist, wo unsere Leute ihr Geld im täglichen Konkurrenzkampf mit den Drogendealern der Balkan-Connection, mit den Russen, den schwarzen Dealern oder Straßengangs, die es auf eigene Faust versuchen, verdienen müssen? Da braut sich etwas zusammen, und du willst das einfach nicht sehen!“

      Walid 'Walter' Tawil machte eine wegwerfende Handbewegung und fuhr sich anschließend durch das Haar und strich es mit einer fahrigen Geste nach hinten.

      „Hat dir deine Frau eingeredet, dass du hier auftauchen sollst?“, fragte Al-Khalili. „Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass sie eine Hysterikerin ist und du früher oder später unter ihrem Pantoffel stehen wirst. Man sollte sich von Frauen nicht in die Geschäfte reinreden lassen, das ist mein fester Standpunkt. Und jetzt beruhige dich etwas.“

      Walid Tawil verengte etwas die Augen. „Du hast gut reden, Onkel Abdullah! Schließlich hast du dich ja weit genug abgesetzt, hier her, in deine Villa, von der du auf die City hinabblicken kannst und gar nicht mehr mitbekommst, was da eigentlich abgeht. Du hast den Instinkt der Straße verloren, Onkel Abdullah! Jeder weiß, dass die Balkan-Connection hinter den Morden an unseren Leuten steht. Man erzählt es sich überall und fragt sich, wie lange der Mann, der sich gerne als Duce von Kreuzberg bezeichnen ließ, eigentlich noch warten möchte, bevor er so etwas wie eine Reaktion zu zeigen bereit ist!“

      Abdullah Al-Khalili holte rief Luft, um zu einer Erwiderung anzusetzen. Aber überraschenderweise kam Raimund Scirea ihm zuvor.

      „Abdullah, vielleicht hat der junge Kerl hier nicht ganz den Ton getroffen, der angemessen gewesen wäre...“, sagte Scirea und war sichtlich bemüht, die Situation zu entschärfen.

      Al-Khalilis Mund wurde ein dünner Strich. „Wenn ich nicht in der Schuld deines Vaters stünde, würde ich ihn auf der Stelle umbringen!“, knurrte er dann einen Augenblick später. Sein Teint war dunkelrot geworden vor Zorn.

      „...aber ich muss ihm in der Sache recht geben“, vollendete Raimund Scirea seinen Satz. „Wir müssen zurückschlagen und zeigen, dass wir Zähne haben, sonst denken zu viele, dass da vielleicht nur noch der blanke Gaumen eines alten Mannes ist.“

      Ein Muskel zuckte knapp unterhalb von Abdullah Al-Khalilis linkem Auge. „Du kennst Darko Grusic viel länger als ich...“

      „Das ist richtig.“

      „Du warst es, der mich einst mit dem Kontaktmann der Balkan-Connection hier in Berlin bekannt gemacht hat!“

      „Wir haben über Jahre hinweg gute Geschäfte gemacht!“

      „Ich habe mich mit ihm getroffen und er hat mir sein Wort gegeben, dass er nichts mit dem Tod meiner Leute zu tun hat! Vielmehr hätte er selbst in letzter Zeit auch zwei seiner Unterbosse unter mysteriösen Umständen verloren.“

      Raimund Scirea trat näher an Abdullah heran und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Wir haben gute Jahre hinter uns, Abdullah. Sehr gute Jahre...“

      Der große Boss hob die Augenbrauen.

      Dieser sanfte Tonfall machte ihn nur um so misstrauischer.

      „Wir wollen nicht übertreiben“, murmelte Abdullah Al-Khalili. „Aber ich beklage mich ja auch nicht.“

      „Immerhin konnten die hässliche Seite des Geschäfts den Bluthunden auf der Straße überlassen und können es uns leisten, die angenehmen Seiten des Lebens zu genießen und uns in Paläste wie diese Villa hier zurückzuziehen. Aber diese Zeiten sind jetzt vorbei.“

      Al-Khalili runzelte die Stirn und sah Raimund Scirea verwundert an. Die verbindlichen Worte des Conciliere waren also nichts anderes als eine Ouvertüre gewesen, und jetzt kam das, was er eigentlich zu sagen hatte.

      Die bittere Pille, die er von Anfang an hatte verabreichen wollen. Bisher hatte er sich das allerdings wohl nicht getraut.

      Der große Boss sah seinen Conciliere mit vor unterdrücktem Zorn funkelnden Augen an.

      „Was redest du da?“, fauchte Al-Khalili. Er verzog den Mund und öffnete ihn auf eine Weise, die dem Zähne zeigen von Raubtieren mehr ähnelte als einem gepflegten Lächeln.

      Raimund trat einen Schritt näher.

      Er hielt dem Blick von Abdullah Al-Khalili stand.

      Eisern.

      „Wir sind zu weich geworden, Abdullah.“ Ein Satz für ein Todesurteil. Raimund Scirea sprach sehr ruhig und leise. „Die Balkan-Connection hat ihre Politik geändert. Dafür sprechen verschiedene Tatsachen, auf die ich dich in der letzten Zeit immer wieder hingewiesen habe – und ich war nicht der einzige. Darko Grusic mag ein Ehrenmann sein oder nicht – ich glaube, dass er entweder lügt oder gar nicht in das eingeweiht ist, was ein paar große Bosse beschlossen haben.“

      „Jedenfalls ist die Zeit, in der wir annehmen konnten, dass die Balkan-Connection nur eine friedliche Koexistenz mit uns anstrebt, wohl vorbei!“, ergänzte Walid Tawil.

      Aber Abdullah Al-Khalili beachtete Walid nicht weiter.

      Stattdessen wandte er sich an den Conciliere.

      „Raimund, du weißt, was das bedeuten würde, wenn wir gegen Grusics Leute losschlagen würden!“, meinte Al-Khalili und machte dabei eine weit ausholende Geste.

      Raimund nickte. „Es wird Krieg geben“

      „Allerdings!“

      „Und zwar in einem Ausmaß, wie Berlin ihn lange nicht gesehen hat.“

      Abdullah Al-Khalili schluckte. „Genau das möchte ich vermeiden. Ein Krieg nützt niemandem, das wissen wir alle. Friedliche Koexistenz und Zusammenarbeit ist doch am Ende für alle ertragreicher!“

      Raimund Scirea zuckte ungerührt mit den Schultern.

      In seinem undurchdringlichen, wie aus Stein gemeißelt wirkenden Gesicht war keinerlei Regung erkennbar.

      „Sag das den Ballkan-Leuten, Abdullah“, schlug der Conciliere dann mit leisem Spott in der Stimme vor. „Die haben den Krieg längst erklärt.“

      „Ach, ja?“

      „Du merkst es nicht einmal.“