Tod in Amsterdam. Ben Kossek

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Название Tod in Amsterdam
Автор произведения Ben Kossek
Жанр Триллеры
Серия Amsterdam-Trilogie
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783347017122



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hilfreiche Unterstützung – und denken Sie bitte zeitnah an die Liste Ihrer Mitarbeiter.“ Er verließ sofort den Raum, ohne Brunnhausen eines weiteren Blickes zu würdigen. Scheuer folgte ihm schweigend.

      Als die beiden Kommissare vor dem Gebäude wieder in ihren Dienstwagen stiegen, meinte Scheuer mit ruhiger Stimme:

      „Ich glaube nicht, dass der etwas weiß oder gar vertuschen will. Ich habe ihn versucht zu provozieren, aber mein Gefühl flüstert mir, dass er die Wahrheit sagt. Er war nur etwas verärgert, wie mir schien.“

      „Nun, du hast ihm ja auch kräftig auf die Füße getreten. Das sind diese Herren nicht unbedingt gewohnt. Normalerweise geben Sie den Ton an und lassen sich nicht herumkommandieren. Aber manchmal brauchen sie es. Und was meine Einschätzung angeht: Ich bin mir nicht sicher. Immerhin hat er uns den Zugang zu Kleinschmidts Rechner verweigert. Rufen wir Bogener an, ob der Durchsuchungsbeschluss durch ist.“ Berger wählte Bogeners Nummer, und als dieser sich meldete, fragte er: „Haben wir den Beschluss?“ Eine kurze Pause entstand, dann sagte Berger überrascht: „Das glaube ich jetzt nicht!“

      Berger sah seinen Kollegen an, als hätte er gerade einen Geist gesehen. „Der Ermittlungsrichter hat den Durchsuchungsbeschluss abgelehnt! Kein begründeter Verdacht.“

       12.

      Am frühen Nachmittag erwachte Heino Brandstetter auf dem Sofa in seinem Wohnzimmer. Ein Sonnenstrahl hatte ihn geweckt, der sanft und lautlos über sein Gesicht gewandert war, bis er schließlich verdutzt die Augen öffnete. Die nächtliche Arbeit war nicht spurlos an ihm vorrübergegangen und so war er in eine Art ungewollten Tiefschlaf gefallen. Sofort fiel ihm das seltsame Treffen mit dem Informanten und der Aktenkoffer wieder ein, der noch auf seinem Arbeitstisch lag. Was wohl Elsa dazu sagen würde, dass er … verdammt! Elsa! Er hatte völlig vergessen, sie gestern Abend anzurufen!

      Ein kurzer Blick auf sein Handy sagte ihm, dass Elsa gestern Abend und heute schon mehrmals versucht hatte, ihn zu erreichen. Sofort meldete sich sein schlechtes Gewissen. Sie hatte sich bestimmt Sorgen gemacht, und er hatte es einfach vergessen! Er wäre an ihrer Stelle jetzt ziemlich sauer und hätte eine schlaflose Nacht hinter sich. Schuldbewusst wählte er ihre Nummer und erwartete einen heftigen Hagelsturm an Vorhaltungen. Elsa hätte nie vergessen, ihn anzurufen! Sofort meldete sich ihre aufgeregte Stimme, und er wusste schon beim ersten Laut, dass ihn nichts Gutes erwartete!

      „Meine Güte, Heino! Ich habe mir Sorgen gemacht! Was ist bloß in dich gefahren? Seit gestern Abend frage ich mich, wo du bist und ob dir etwas passiert sein könnte!“ Ihre Stimme klang vorwurfsvoll und wie erwartet sehr verärgert. Und das hatte er sich selbst zuzuschreiben. Dieses Mal hatte er es aber so richtig verbockt! Wie konnte er Elsa nur vergessen?

      „Tut mir leid, ich hatte versprochen, dich anzurufen. Es ist alles in Ordnung, Elsa, ich habe es echt vergessen! Ich habe noch bis heute Morgen gearbeitet.“

      „Und du vergisst einfach, Bescheid zu sagen? Mein Gott, ich habe kein Auge zugemacht wegen dir!“

      „Ja, das habe ich befürchtet, als ich eben aufgewacht bin. Ich habe den Mann gestern Abend getroffen, Elsa. Ich kann dir nur eines sagen: wir haben eine heiße Geschichte! Am besten kommst du so schnell wie möglich zu mir. Ich brauche jetzt deine volle Unterstützung, und nicht nur für ein paar Stunden, sondern für längere Zeit.“

      „Also gut. Ich bin in etwa einer Stunde da. Aber du schuldest mir für die unruhige Nacht noch eine einleuchtende Erklärung. Heute Abend hätte ich die Polizei verständigt, wenn ich bis dahin kein Lebenszeichen von dir erhalten hätte. Weißt du überhaupt, wie das ist, wenn man wie auf heißen Kohlen sitzt und sich Sorgen macht? Was ist nur los mit dir?“

      „Schon gut, Elsa! Es tut mir wirklich leid. Ich entschuldige mich. Ich war aufgewühlt und bin dann gegen Morgen im Wohnzimmer eingeschlafen.“

      Sie hatte wie immer Recht. Er musste wohl völlig besessen gewesen sein, diesen Aktenkoffer zu öffnen, und darüber war alles andere in Vergessenheit geraten. Wie konnte er nur so nachlässig sein?! Und sie hatte sich wegen ihm Sorgen gemacht! Mit Unbehagen stellte er sich vor, wie es sich wohl im umgekehrten Fall angefühlt hätte! Er wäre garantiert vor Ungewissheit und Sorge halb wahnsinnig geworden und hätte keine ruhige Minute mehr gehabt! Mit einem Mal kam er sich ziemlich mies vor. Als Wiedergutmachung würde er Elsa wohl zum Essen einladen müssen. Das war das Mindeste, was er an Abbitte leisten sollte.

      Die Sichtung der Informationen aus dem Aktenkoffer nahm doch mehr Zeit in Anspruch als ursprünglich angenommen. Deshalb hatte Heino Brandstetter sich vorgenommen, die Liste der damals bekannten Zeugen neben der Schreibtischarbeit abzuarbeiten und einige der Zeugen aufzusuchen, um herauszufinden, ob man auf diese Weise an neue Informationen kommen konnte. Zwei dieser Zeugen schienen ihm besonders interessant zu sein. Nach aufwendigen Recherchen hatte Brandstetter die Adressen eines gewissen Roman Brosinski sowie einer Frau namens Evelyn Stein ermittelt.

      Brosinski war Eigentümer mehrerer Lagerhallen in der näheren Umgebung von Neuss. Die meisten dieser Hallen hatte er entweder vermietet oder verpachtet. Im September 2014 hatte er einen Mietvertrag über zwei Lagerhallen auf einem Gelände in einem südlichen Stadtteil von Neuss mit einem niederländischen Spediteur namens Van de Heijden geschlossen. Inhaber der Spedition war ein gewisser Daan van de Heijden, ein Name, der auch im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen Steelmans immer wieder gefallen war!

      Brosinski hatte bei der ersten Zeugenvernehmung berichtet, dass bei seinen vermieteten Hallen merkwürdige Aktivitäten von statten gingen. Er hätte dies mehrfach beobachten können. Dort wären auffällige Transportkisten auf Lkws verladen worden. Bei einer weiteren Vernehmung gab er plötzlich an, sich wohl doch geirrt zu haben und konnte sich nicht mehr so genau erinnern, was er da in Wirklichkeit gesehen hatte.

      Die zweite Zeugin, eine gewisse Evelyn Stein, war in der Verwaltung des Neusser Zollamtes am Hafen tätig gewesen. Sie hatte Einblick in sämtliche Ausfuhren, die vom Neusser Hafen aus getätigt worden waren. Auch Evelyn Stein hatte in ihrer damaligen Erstaussage immer wieder die Namen Van de Heijden und Steelmans erwähnt, aber diese Aussage ebenfalls wenig später ohne sichtbare Gründe widerrufen.

      Heino Brandstetter wollte mehr über die Verbindung dieser beiden Firmen in Erfahrung bringen, denn vielleicht war es möglich, festzustellen, wie und auf welchen Wegen die illegalen Waffenlieferungen an ihre Käufer gebracht wurden. Glaubte man den Zeitungsartikeln, hatte seinerzeit auch schon die niederländische Polizei mehrere Spuren verfolgt. Ein gewisser Hauptkommissar Luuk Van der Beek von der Amsterdamer Kripo leitete damals über zwei Jahre die Ermittlungen. In deren Verlauf waren bereits beide Speditionsfirmen ins Blickfeld der Ermittler geraten. Allerdings konnte man sie nicht auf frischer Tat erwischen, weshalb die Beweislage in den Prozessen gegen sie einfach zu dünn für eine Verurteilung war. Aber wie sollten sie vorgehen, wenn die Zeugen nicht reden wollten?

      Natürlich zählte Brandstetter auf die besonderen Fähigkeiten seiner guten Freundin Elsa – sofern sie ihm verzeihen konnte – die es immer wieder verstand, auf Menschen einzugehen und sie zu öffnen. Die Frage war nur, wie groß war die Angst der Zeugen vor Repressalien? Schließlich war einer der damals Aussagewilligen auf rätselhafte Weise ums Leben gekommen, ein anderer seitdem spurlos verschwunden!

      Elsa Groninger kam gegen 16 Uhr. Ihr Blick sagte mehr als deutlich, dass sie stinksauer auf Heino Brandstetter war, weil er sie so lange in quälender Ungewissheit hatte schmoren lassen. Er entschuldigte sich nochmals, wozu ihn sein schlechtes Gewissen trieb, drückte sie herzlich und bat sie, sich einfach zu setzen. Er machte Kaffee und zeigte dann auf den Aktenkoffer und die herumliegenden Unterlagen. Elsa hatte, am Arbeitstisch im Wohnzimmer stehend, schon einen verstohlenen Blick darauf geworfen. Sie hatte jedoch, wohl weil sie noch schmollte, kein einziges Wort dazu verlauten lassen.

      „Das hier, Elsa, ist das heißeste Ding, das wir jemals in den Händen hatten! Wenn ich dir die Geschichte erzählt habe, wirst du vielleicht verstehen, dass ich danach alles vergessen habe, sogar, dich anzurufen. Also, hör einfach mal zu!“

      Heino Brandstetter begann in allen Einzelheiten zu erzählen – von dem recht geheimnisvollen Treffen mit dem Informanten, von dem er allerdings nur das Kennzeichen seines BMW kannte