B'tong. Roland Platte

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Название B'tong
Автор произведения Roland Platte
Жанр Контркультура
Серия B'tong
Издательство Контркультура
Год выпуска 0
isbn 9783347055506



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und das zunächst von seiner Firma an ihn gestellte Ziel erreichen, nämlich Beton in Konstruktionen schießen zu können, die 200 Meter lang sind. So der Plan. Das heißt allerdings im Prinzip, mal auf die Schnelle eine zweite Erfindung zusammenbasteln. Denn nur dann wird er behaupten können, dass die Erfindung des Betonverflüssigers nichts mit der Firma Betonwerke AG zu tun hat und ihm alleine gehört, da er sie alleine entwickelt hat. Insofern hatte Sybille schon recht gehabt. Hätte sie nicht so nachgehakt mit ihrer Bemerkung, wäre er jetzt schon beim Chef gewesen, hätte diesem seine Kündigung auf den Schreibtisch geknallt und wäre wohl ein paar Wochen später seine Erfindung los gewesen oder spätestens dann, wenn die Betonwerke AG ihm die Vermarktung per Gericht untersagt hätte.

       "Gehört die Erfindung denn dir?"

      Er muss immer wieder an diesen Satz denken. Die erste Bemerkung, die Sybille in den Kopf kam, als er ihr von seiner Erfindung erzählt hat. Irre! Völlig irre! Auch wenn sie recht hat. Und der beste Beweis ist ja jetzt, seine Tätigkeit hier, die darin besteht, die Betonwerke AG hinters Licht zu führen. Aber warum muss ihre allererste Aussage immer Kritik sein?

      - Herr Krause, Sie bauen ja ab!

      Carsten zuckt zusammen, kann gerade noch einen schlüpfrigen Glaskolben zurückhalten, dreht sich um, um seinen Firmenchef zu begrüßen.

      - Morgen, Herr Zelter, wie meinen Sie das?

      - Nicht persönlich, Herr Krause, nicht persönlich. Ich meinte eigentlich nur, dass Sie dabei sind, ihre Anlage abzubauen. Wieso das denn? Haben Sie denn valide Ergebnisse erzielt? Das wäre schön.

      Carsten macht einen auf bedrückt.

      - Leider nein, ich dachte, ich hätte da was gefunden, hat sich aber als total unbrauchbar erwiesen.

      Am liebsten hätte er sich auf die Zunge gebissen. Warum hat er denn in den Raum gestellt, überhaupt etwas gefunden zu haben. Das könnte doch gegen ihn verwendet werden.

      - Und jetzt bin ich aber auf einer anderen Spur. Wenn Sie möchten, kann ich es Ihnen schnell an der Tafel erklären.

      - Ach, Herr Krause, rufen Sie mich doch, wenn Sie Konkretes in der Hand, äh im Reagenzglas oder noch besser: im Beton haben. Alles andere verstehe ich sowieso nicht. Ich bin zwar Ihr Chef, aber dennoch kein Chemiker, haha, irgendjemand muss ja hier noch einen klaren Kopf behalten, haha, oder? Meinen Sie nicht? Ach, und in dem Zusammenhang, Sie haben jetzt nur noch bis Ende der Woche Zeit, Sie wissen ja, die Konkurrenz schläft nicht, und die Italiener haben anscheinend ihr Angebot an die Schweizer Baufirma schon abgegeben. Also müssen die wohl schon etwas gefunden haben. Viel Spaß, Herr Krause, ach ja nach Ihrem Wochenende zu fragen, habe ich leider keine Zeit mehr…

      Erleichtert sinkt Carsten in seinen Stuhl zurück. Was ist er nur für ein Idiot! Was hätte er denn an der Tafel gemacht? Er hat ja nicht die geringste, nicht die winzigste Ahnung, auf welche Weise er zum Ziel kommen wird. Zu sehr ist er von seinem Betonverflüssiger eingenommen. Mit einer ärgerlichen Handbewegung schiebt er die Kolben und Reagenzgläser von sich. Er wird schon etwas finden. Bis jetzt hat er immer etwas gefunden. Nur sollte er sich ein bisschen mehr zusammenreißen.

      9.

      Sybille räumt den Frühstücktisch auf, stellt die Tassen zusammen, die Teller, die zwischenzeitlich völlig verstummt sind. Sie hat heute 3 Unterrichtsstunden und muss sich daher zusammennehmen. Die Teenies machen ihr traditionsgemäß das Leben schwer, wie das auch schon zu ihrer Schulzeit mit Musiklehrern der Fall war. Dabei hatte sie anfangs versucht, den Unterricht so interessant und so zeitgemäß wie möglich zu gestalten. Aber die meisten Schüler halten das für Schwäche, sie stöpseln sich während des Unterrichts an ihre Ohrhörer und knallen sich ihre Ohren mit MP3- oder Streaming Musik voll. Als sie dann zuletzt versucht hat, Musiktheorie anhand von jugendlicher Popmusik einzuführen, wurde das seitens der Schüler als Anbiederungsversuch und seitens der Eltern als unseriös verurteilt. Also hat sie diesen Versuch schnellstens abgebrochen, die Ohrhörer verboten und strengen Musikunterricht durchgezogen. Seitdem scheint es besser zu werden. Manche Schüler sind sogar richtig bei der Sache.

      Während sie Tassen und Besteck in die Spülmaschine räumt, fällt ihr Carstens Erfindung ein. Betonverflüssiger. Dämlicher Name, aber an sich ja gar keine schlechte Sache. Sie denkt an die vielen Megapolen, die auf der ganzen Welt wie Pilze aus dem Boden schießen. Ohne Verstand, ohne auf die grundlegendsten menschlichen Bedürfnisse zu achten, wird in einem fort Beton gegossen, um Menschen hinein zu pferchen wie Vieh.

      Mit Carstens Erfindung könnte man das wohl alles wieder auf die einfachste Weise verschwinden lassen. Im Prinzip. Und die Menschen? Was macht er mit den Menschen? Carsten ist einfach ein Erfinder, ein Wissenschaftler denkt sich Sybille und klappt die Spülmaschinentür zu. Sie erinnert sich plötzlich an die beinahe geniale Idee, die Carsten zu Beginn ihres Musikstudiums hatte. Anscheinend hatte er irgendwie doch eine Brücke bauen wollen zwischen seiner Zukunft als Ingenieur und ihrem Musikerleben.

      Als sie eines Abends bei einem Glas Wein zum X-ten Mal darüber diskutierten, hatte er mit dem Weinglas hellklingende Töne erzeugt, indem er mit seinem Zeigefinger langsam an den Rand entlanggefahren war und dadurch eine Schwingung entstanden war. Im Grunde genommen war es zu Beginn eine leicht genervte Geste gewesen. Aber auf einen Schlag, einer Eingebung folgend, hatte er einen Bleistift in die Hand genommen, und eine eigenartig geformte Maschine auf ein Blatt Papier geworfen. Ein gigantischer aufgespießter, gläserner Ringelwurm, aus vielen aufgeblasenen Glasscheiben bestehend, der auf der einen Seite dick und fett war, um aber von dort aus zur anderen Seite hin sich langsam zu verjüngen. Am Ende erschien wieder der Spieß, den man mittels eines Riemens samt dem ganzen Wurm um die eigene Achse drehen lassen konnte.

      Sybille hatte nie verstanden, wie er das alles fertiggebracht hatte, zumal in so kurzer Zeit! Aber eine Woche später, pünktlich zu ihrem Geburtstag, stand diese Maschine, dieses Glasinstrument in ihrem Zimmer.

      - Alles Liebe zu deinem Geburtstag, Liebes, hatte er ihr bei ihrem Aufwachen ins Ohr geflüstert. Ich hab' ja verstanden, dass du dein Leben mit Musik verbringen willst. Und wenn du möchtest, kannst du dich direkt ransetzen.

      Sie hatte zunächst gar nicht verstanden, worum es überhaupt ging. Selbst, als sie das Instrument sah, hatte sie nicht kapiert, was das war.

      - Komm, steh auf, ich zeig's dir.

      Er setzte sich an das "Instrument", tauchte seine Finger in eine Schüssel mit Wasser und begann mit den Füßen, wie auf einer antiken Nähmaschine zu treten, bis der horizontale Glaswurm in eine schnelle und stete Rotation kam.

      Als er dann vorsichtig mit den feuchten Fingern an die gläsernen, sich drehenden Scheiben griff, erzeugte der Glaswurm einen sanften, aber durchdringenden Klang, der sie durch und durch ergriff. Er hatte in ihr ein Gefühl von Leichtigkeit hochkommen lassen, das sie selten bis dahin erlebt hatte. Sie hatte die Augen geschlossen und die Klänge in sich aufgenommen, als ob sie zum ersten Mal in ihrem Leben Musik hörte. Carsten hatte es geschafft, sie mit seinem Glasinstrument zu verzaubern. Carsten sollte nicht aufhören. Nie. Sie hätte gewollt, dass diese Glasklänge ewig dauerten.

      Und wo ist der Glaswurm jetzt? Sie weiß es nicht einmal. Vielleicht auf dem Dachboden, oder auch in der alten Scheune neben dem Haus, die voller Gerümpel steht und die sie schon seit Jahren umbauen wollen.

      Als sie sich schon auf die Suche machen will, bemerkt sie plötzlich mit Schrecken, dass ihr Unterricht in nicht mal 10 Minuten beginnt. Vielleicht sollte sie doch mal etwas ernsthafter gegen diese Tagträume angehen, denkt sie während sie heftig auf die Pedale ihres etwas müden Fahrrads tritt.

      10.

      Carsten versucht, es sich in dem Designerstuhl bequem zu machen, ohne dass es ihm recht gelingt. Er hatte vorgehabt, nicht lange zu fackeln und gleich auf den Kern der Sache zu kommen. Nun sitzt er einem einfachen Bankangestellten gegenüber und ist im Prinzip schon sauer. Eigentlich hätte er mit dem Direktor der Filiale sprechen wollen. Seine Erfindung ist doch von so großer Dimension, dass dieser lackierte Angestellte die Reichweite seines Projekts sowieso nicht verstehen würde. Aber der Direktor hat in letzter Minute abgesagt und seine auswechselbare rechte Hand vorgeschickt. Und dem soll er jetzt sein Vorhaben unterbreiten,