40 Tage durch die Wüste - Homeschooling in Zeiten von Corona. Ilka Wasserzier

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Название 40 Tage durch die Wüste - Homeschooling in Zeiten von Corona
Автор произведения Ilka Wasserzier
Жанр Контркультура
Серия
Издательство Контркультура
Год выпуска 0
isbn 9783347088078



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      Ilka Wasserzier

      40 Tage durch die Wüste

       -

      Homeschooling in Zeiten von Corona

       40 Tage durch dieWüste- Homeschooling in Zeiten von Corona

      Ilka Wasserzier

      Impressum:

      © 2020 Ilka Wasserzier

Verlag & Druck:tredition GmbH
Halenreie 40-44
22359 Hamburg
ISBN
Paperback978-3-347-08806-1
e-Book978-3-347-08807-8

      Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

      Vorwort

      Liebe Leserin, lieber Leser,

      wertes Homeschooling-Kollegium,

      wie mir ist es vielen Eltern ergangen: Dank des Corona-Virus war ich von einem auf den anderen Tag plötzlich nicht mehr nur Mutter, sondern auch Lehrerin meines Kindes. Was zu Beginn noch wie ein kurzweiliges Abenteuer wirkte, stellte sich ziemlich schnell als dauerhafter Zustand für die nächsten Monate heraus. Und der war und ist immer noch eine große Herausforderung für meinen Sohn, meinen als Vertretungslehrer assistierenden Mann und mich, die Hauptlehrkraft. Mein größtes Problem ist nämlich: Ich bin keine Pädagogin.

      Der Wunsch, Lehrerin zu werden, endete mit meiner eigenen Grundschulzeit und ist danach glücklicherweise auch nie wiedergekehrt. Spätestens jetzt ist mir klar: Ich hätte ganze Schülergenerationen ins Unglück gestürzt, hätte ich die Lehrerlaufbahn eingeschlagen. Die Betreuung der ganz normalen Hausaufgaben hat schon vor der Corona Pandemie mein Reservoir an Geduld, Verständnis und Diplomatie jeden Tag aufgebraucht. Die Vermittlung neuer Inhalte und das Erklären von Sachverhalten ist einfach nicht mein Ding.

      Deswegen war mit Beginn der Homeschooling-Phase klar: Das geht nur mit einer großen Menge Humor. Diesen nicht zu verlieren ist nicht nicht ganz einfach. Ich bin von Beruf Autorin und schreibe seit 18 Jahren fürs Fernsehen, davon 13 Jahre auf selbstständiger Basis. Über mangelnde Aufträge konnte ich mich in dieser Zeit glücklicherweise nie beschweren. Urlaub gab es über viele Jahre nicht.

      Mit Corona begann für mich eine Phase, die ich so noch nicht erlebt habe: Alle Aufträge brachen von heute auf morgen weg. Das so schön durchgeplante Jahr war plötzlich Schnee von gestern. Die Zwangspause zu nutzen, um mal durchzuatmen, mal runterzukommen und die Zeit anders zu nutzen, als von einer Abgabe zur nächsten zu hetzen oder neue Aufträge zu aquirieren, konnte ich nicht. Viel zu groß war die Ungewissheit, wie es weitergeht. Wann wird wieder gedreht? Können unter diesen Bedingungen meine Formate überhaupt wieder produziert werden? Wie geht es finanziell weiter? Wie lange darf Corona dauern, bevor es richtig brenzlig wird? Dazu die ganze Bandbreite an Ängsten, die über meinen Job-Horizont hinaus gehen und die wahrscheinlich jedem von uns schlaflose Nächte bereitet haben, nämlich die Sorge um die Gesundheit unserer Nächsten und die plötzlich notwendige Distanz zu denen, die wir am meisten lieben.

      Bereits am ersten Tag der Schulschließung hatte ich das Bedürfnis, meine Facebook-Freunde ein wenig zu erheitern und sie an unserem neuen Homeschooling-Leben teilhaben zu lassen. Schließlich sitzen die meisten der befreundeten Familien im gleichen Boot wie wir - wenn auch zum größten Teil nicht nur mit einem Grundschüler, sondern gleich mit mehreren Kindern verschiedener Schulklassen. Nebenbei: Diesen zolle ich großen Respekt, denn wenn ich im Rückblick sehe, wie oft mich die neue Situation an den Rand des Nervenzusammenbruchs gebracht hat, mag ich gar nicht wissen, wie es Eltern mit zwei, drei oder mehr Kindern geht. Also: Chapeau!

      Die Idee, aus meinen täglichen Posts und Tweets tatsächlich ein Buch, wenn auch ein kleines, zu machen, kam erst nach fast zweimonatiger Homeschooling-Zeit. Das Feedback von Freunden, Familie und sogar Nachbarn hat gezeigt, dass in dieser unsicheren Zeit eine kleine Portion Humor nicht schaden kann. Natürlich ist nicht jeder Tagebucheintrag ganz ernst zu nehmen. In erster Linie möchte ich mit meinem ganz persönlichen Bericht aus unserer Homeschooling-Wüste unterhalten.

      In diesem Sinne wünsche ich viel Spaß beim Lesen. Behalten Sie Ihren Humor – anders geht es nicht.

      Herzlichst,

      Ihre Ilka Wasserzier

      Tag 1

      Liebes Corona-Tagebuch,

      normalerweise gehört der Vormittag mir. Mir und meinem Zuhause. Da kann ich machen, was ich will. Hier redet mir keiner rein. Ab heute ist das anders. Meine Oase der Ruhe und Stille ist plötzlich laut und voll. Nicht nur das Kind muss ab heute nicht mehr in die Schule, auch der Mann hat sich bei seinem Arbeitgeber ins Homeoffice verabschiedet und sich mit diversen Rechnern und Equipement zunächst im Wohnzimmer breitgemacht. So ist er näher an uns dran, sagt er. Er will ja helfen, wenn er schon mal zu Hause ist, sagt er. Wir schaffen das schon alles zusammen, sagt er. Hm, sage ich. Wie realistisch dieses ehrenhafte Vorhaben ist, werden die nächsten Wochen zeigen.

      Meine eigene Arbeit verschiebe ich im Geiste schon mal auf den Abend. Schließlich heißt es jetzt Homeschooling und das ist voll Muddis Ding. Hey, ich bin Lehrer-Tochter, da werde ich doch wohl einem Erstklässler ein bisschen Bildung in den Kopf hämmern können!

      Ich bin guten Mutes. Schließlich ist das Kind eigentlich pflegeleicht und eigentlich ja auch recht kooperativ. Bei den Hausaufgaben klappt es eigentlich doch auch. Eigentlich …

      Da es bisher lediglich eine E-Mail von der Schule gibt, die einen Plan für den Nachmittag ankündigt, möchte ich es ruhig angehen lassen und lege dem Kind ein paar leichtere Matheaufgaben vor, die unerledigt vom letzten Wochenplan übrig geblieben sind. Das Kind verschränkt die Arme, zieht die Mundwinkel maximal weit herunter und motzt. „Mach’ ich nicht. Es sind Corona-Ferien.“ Na, das verspricht ja lustig zu werden. Während in meinem Kopf eine Stimme schreit: „Und ob du das jetzt machst!!!“, lächle ich betont entspannt und stelle richtig: „Nein, das stimmt jetzt so nicht. Ferien sind erst in drei Wochen. Vorher übernimmt Mama den Unterricht.“

      Das Kind schaut mich mit einer merkwürdigen Mischung aus nackter Panik, Belustigung und einer großen Portion Trotz an. Ich kann seine Gedanken förmlich hören: „Mist, das meint die echt ernst. Wie komme ich denn aus der Nummer wieder raus?“ Ich halte dem Blick stand. Jetzt bloß nicht wegschauen, dann habe ich verloren. Im Kopf vom Kind rasen die Gedanken, sein Blick verdüstert sich auf dramatische Art und Weise. Schreien, heulen, Türenknallen – alles Optionen, die er vermutlich gerade abwägt.

      Am Ende entscheidet er sich für Krokodilstränen und ein Klagelied auf die Schule, die Welt im Allgemeinen und seine sadistische Mutter im Besonderen. Ich mache, was jede gute Mutter macht: Ich sitze einfach nur da und warte, dass der Anfall vorüber ist.

      Dabei schweift mein Blick über unsere recht ansehnliche Hausbar. Die Aussicht auf mindestens drei Wochen Homeschooling lässt dennoch nur einen Schluss zu.

       Fazit nach Homeschooling-Tag Nr. 1:

       Unser Haushalt verfügt über zu wenig Alkohol.

      Tag 2

      Liebes Corona-Tagebuch,

      gestern kam das erste Arbeitspaket aus der Schule. Das wurde bereits letzte Woche mit einer Test-EMail von den Lehrern angekündigt. Ich stelle fest: Datenschutz ist Auslegungssache. Statt die E-Mails in BCC zu schicken, liegen die E-Mail-Adressen aller Eltern der Schüler unserer Schule offen vor mir. Damit bekomme ich einen ziemlich privaten Einblick in die Familien der Mitschüler. Kosenamen, Geburtstage, sexuelle Vorlieben – was einige Menschen in Emailadressen preisgeben, ist erstaunlich.

      Nach einer kurzer Überlegung, wer sich wohl hinter „Madame_Lollipopp69@…“ verbirgt, widme ich mich lieber dem Anhang der E-Mail. Manche Dinge will man ja auch gar nicht wissen, wenn man den Menschen danach noch mal in die Augen schauen will, ohne rot zu werden.

      Das