Ich glaub, ich krieg nen Vogel. Kai Fischer

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Название Ich glaub, ich krieg nen Vogel
Автор произведения Kai Fischer
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783347020474



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       »Finden Sie das denn jetzt gut?«

      Bis heute weiß ich nicht, wie sie das gemeint hatte.

       Es gibt Menschen, die einfach ab und an, manche eigentlich ständig, unzufrieden mit sich selbst sind. Sie suchen nach dem Grund, können ihn nicht finden und beginnen damit, andere Menschen für ihre Situation verantwortlich zu machen und benutzen sie als Ventil.

       »Ich habe Ihnen doch nur gebracht, was Ihnen gefehlt hat. Die anderen Gäste, wie Sie sehen, können darauf warten.«

      Ich verabschiedete mich höflich. Der Vater der Familie aus Köln fragte mich noch etwas verdutzt, warum denn der „Poolmensch” so viel Ahnung von allem hätte? Die beiden waren hinter dem Haus ins Gespräch gekommen.

      »Der ist doch absolut überqualifiziert als Poolreiniger«, stellte er fest.

      Ich fing an zu lachen und entgegnete ihm, es mir zu überlegen, ihn eventuell in eine höhere Position zu versetzen, denn das hätte ich schon lange zuvor in Erwägung gezogen und er es sicherlich auch verdient. Mal schauen, wie die Saison so läuft…

       Narcos

      Aus der Sicht der Drogenwelt ist die Provinz Cádiz mit ihrer Küste, direkt am Atlantik im Süden Spaniens gelegen, das Tor zu Europa. Drogen werden auf unmittelbarem Weg von Südamerika und Afrika mit Schiffen und Mini-U-Booten bis hierher geschmuggelt, bevor sie dann auf dem Landweg in alle Herren Länder des Kontinents verteilt werden.

      Handelswege und Handelsrouten gab es schon seit Menschengedenken und die interkontinentalen Netzwerke waren und sind die Basis für die Globalisierung der Wirtschaft. Auch der Drogenhandel hatte das anscheinend erkannt.

      Bei diesen Drogentransporten kann es dann schon mal passieren, dass die kleinen Motorboote bei den Verfolgungsjagden mit der Polizei kentern und die Ware mit der Flut irgendwann an Land angespült wird.

      So wie an diesem Tag in Conil de la Frontera. Frauen mit ihren Kindern und ganze Familien liefen eiligen Schrittes an den Strand, um alles was irgendwie ging, an sich zu nehmen. Wie ein Lauffeuer verbreitete es sich im Dorf, dass die Flut Hunderte Marihuana-Päckchen angespült hatte. Der Wert ging in die Hunderttausende Euro. Jeder wollte einen Teil des bedeutenden Treibguts abhaben. Die Frauen stopften sich die Beutel in ihren Ausschnitt, Kinder in die Rucksäcke. Zwei Polizisten der Guardia Civil eilten hinzu, versuchten verzweifelt, den Strand abzusperren und gleichzeitig die Personalien aufzunehmen. Es war wie in einer theatralischen Komödie - à la Almodóvar, mein Favorit aller spanischen Regisseure. Ein Bild für die Götter. Hunderte von Frauen mit ihren Kindern und zwei Polizisten!

      Erst als dann ein ganzer Trupp Verstärkung anrückte, war das Spektakel zu Ende, aber da waren die meisten Strandbesucherinnen mit ihren üppig gefüllten Dekolletés und der bepackte Nachwuchs schon über alle Hügel (denn Berge gab und gibt es in Conil ja nicht).

      Doch nun zur eigentlichen Geschichte. Falls Sie jetzt nicht sitzen sollten, dann rate ich Ihnen, dieses zu tun und sich festzuhalten …

      Denn einen der aufregendsten Momente in Andalusien durfte ich als Liebhaber einer rassigen brasilianischen Ehefrau eines italienischen Narcos erleben.

      „Narco”, um es kurz zu erklären, ist die spanische Kurzform von einem „Narcotraficante” - sprich einem Drogendealer.

      Ich sah mich durch sie wieder in meine Zeit in Brasilien zurückversetzt. Sie erinnern sich sicherlich noch an den Anfang meiner Erzählungen. Die Brasilianerin war leidenschaftlich, feurig, wild und gefährlich - beinahe zu perfekt für eine Liaison.

      Und ich war nun auch keine neunzehn mehr, wenn Sie damit verstehen, wie ich das meine. Damals in Brasilien lief alles noch etwas diskreter. Jetzt nicht mehr! Diese Scheu hatte ich mittlerweile abgelegt, bekam seitdem sehr regen Zuspruch von der Damenwelt und wurde von ihr in jeder Hinsicht auch immer äußerst intensiv unterstützt. Beschwerden gab es nie, dafür ständige Wiederholungsanfragen.

      Ich lernte diese Göttin auf zwei Beinen kennen, da ihr Anwesen zum Verkauf stand. Und zunächst hatte ich lediglich die Absicht, für die Villa einen Käufer zu finden. Dass weitere Kernkompetenzen von mir gefragt waren, stellte sich jedoch schon wenig später heraus. Ihr Mann war gerade auf See oder genauer gesagt unter See, aber dazu kommen wir gleich und ich verschönte ihr die Wartezeit bis zu seiner Rückkehr.

      Ein umfangreicher Kundenservice ist bei der gewaltigen Anzahl konkurrierender Makler einfach unverzichtbar - und der nahe Kontakt zum Kunden und seinen Bedürfnissen mir immer ein enormes Anliegen, also warum auch nicht?

      Ich war nicht der Einzige, der hier eine Grenze überschritt, denn das Business des ahnungslosen Ehemannes, des Narcos, lag darin, mit einem dieser selbst gebauten Ein-Mann-Unterseeboote Kokain aus Kolumbien, Venezuela und Mexiko über Spanien nach Europa zu transportieren. Damals eine echte Marktlücke! Diese Mini-U-Boote fahren nur zwei Meter unter der Wasseroberfläche und können weder von Radar noch Echolot anderer Schiffe erfasst werden. Die Angst vor Entdeckung einte uns also, wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise.

      Mitte der Neunzigerjahre. Pablo Escobar, der wohl bekannteste Narco-Boss aller Zeiten, der die „Industrialisierung" des Drogenschmuggels einführte, war zwar bereits tot, aber die Drogen kartelle Südamerikas existierten nach wie vor, man nutzte die Lücke eben in neuer Besetzung.

      Mit dem Tod Escobars hatte die Menschheit den Drogenkonsum verständlicherweise nicht eingestellt - und es galt, den Bedarf weiterhin zu decken. Wie bei einem rotierenden Haifischgebiss, dem sogenannten Revolvergebiss, stand die nächste Reihe schon schnell bereit. Und es ging alles seinen ganz normalen Weg.

       Bisher habe ich übrigens in meinem Leben keine starke Persönlichkeit kennengelernt, die Drogen konsumiert. Es muss wohl an unserer Gesellschaft liegen - es gibt viel zu viele schwache Charaktere!

      Von einer meiner Ex-Freundinnen, einer Kolumbianerin, wurden während dieser Epoche beide Brüder im Drogenkrieg der Kartelle Cali und Medellín auf unmenschlichste Weise hingerichtet und ermordet. Ihre Körper legte man im Anschluss in vier Teile zersägt auf die Straße. Ja, Sie haben gerade richtig gelesen - sie wurden bei lebendigem Leibe gevierteilt!

      Dies taten „los sicarios“, die sogenannten Auftragskiller der Kartelle, zur grausamen Demonstration, um nachhaltige Zeichen zu setzen!

      Die Kolumbianerin hatte mich wohl durch ihre feurige Art in ihren Bann gezogen. Es wurde mir aber recht schnell ein dringendes Bedürfnis, diese Liebschaft schleunigst zu beenden und das Haifischbecken zu verlassen. Sie erinnern sich, ich sprach gerade von den Zähnen!

      Gewiss ist Ihnen der Thriller „Paradise Lost” von dem Filmemacher, Schauspieler und Direktor Andrea Di Stefano ein Begriff. Falls nicht, dann sollten Sie sich ihn unbedingt anschauen.

      Benicio del Toro verkörpert in diesem Streifen die Person „Pablo Escobar” in Perfektion. Das Drama erzählt die Geschichte eines kanadischen Surfers, der sich in die Nichte Escobars verliebt. Eigentlich ist sie die brutale Parallele zu meiner kolumbianischen „Romanze”.

      Denn später musste ich mit Schrecken gleichermaßen feststellen, dass meine Freundin zum Escobar-Clan zählte.

      Der Besitz unzähliger Immobilien als Achtundzwanzigjährige sowohl in Kolumbien als auch in Europa sowie die beiden Auftragsmorde ihrer Brüder machten mich (sagen wir mal „ein wenig“) stutzig. Ich hatte sie in Frankfurt am Main kennengelernt. Sie wollte eine ihrer zahlreichen Wohnungen verkaufen und bat mich dazu um mein Mitwirken.

      Die Familie Escobars versuchte derzeit 1993 nach Deutschland zu fliehen. Am internationalen Frankfurter Airport war laut Berichten Schluss - ja, laut Berichten …

      Ich zählte eins und eins zusammen. Im selben Moment brach ich den Kontakt zu ihr aus verständlichen Gründen konsequent ab!

      Ein Menschenleben war und ist in Mittel - und Südamerika siebenhundert US-Dollar wert. Man müsste also schon mindestens zweimal zuschlagen, um sich das Flagship-iPhone kaufen zu können. Diese Summe bekommen die Profikiller der Kartelle, um Menschen zu beseitigen,