Название | Superhummeln - Bedrohte Stars am Bestäuberhimmel |
---|---|
Автор произведения | Antje Arnold |
Жанр | Журналы |
Серия | |
Издательство | Журналы |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783347121843 |
Bei einem ganz bestimmten Job können wir auf Honigbienen tatsächlich aber nicht verzichten: für die Bestäubung spezieller Massentrachten der industrialisierten Landwirtschaft. Gerade überdimensionale, riesige und nur zwei Wochen lang blühende Rapsfelder taugen schlichtweg nicht für die Lebensweise der Wildbienen. Die Nektar- und Pollenquelle blüht zwar heftig, aber viel zu kurz. Zudem existieren nicht mehr genügend Nistmöglichkeiten an diesen Feldrändern. Unter diesen Umständen bringen Wildbienen ihren Nachwuchs nicht mehr durch und kapitulieren hier.
Im Gesamtdurchschnitt verdoppeln Wildbienen den wirtschaftlichen Ertrag, der durch die Honigbienen entsteht. Weitere Bestäuber wie Käfer, Fliegen und Schmetterlinge leisten noch mal den gleichen Beitrag. Unterm Strich ergibt das zwei von drei Punkten für die Fraktion der Wilden und nur ein erstaunliches Drittel für die Domestizierten. Denn entscheidend für die Bestäubung ist nicht nur, wie viele Blüten die Tiere anfliegen, sondern auch, ob sie den richtigen Pollen an der richtigen Stelle abliefern. Das ist wie bei der Postzustellung. Es nützt nichts, Briefe und Pakete gleichmäßig über die Anwohner eines Hochhauses zu verteilen, sondern der Postbote sollte unbedingt auf die Namen an den Briefkästen achten. Wildbienen platzieren den Blütenstaub passgenau auf der Narbe der richtigen Adressblüte und befruchten daher sehr effektiv. Effektiver als ihre etwas lockereren Cousinen aus dem Imkerstock.
Eine weitere Bienenleistung nimmt direkten Einfluss auf die Gesundheit von Nutztieren. Bei ihren Blütenbesuchen bestäuben Bienen nicht nur, sie übertragen auch die sogenannte Nektarhefe von Blüte zu Blüte. Je mehr Blumen eine Wiese beherbergt, desto mehr Nektarhefe gibt es. Die Nektarhefe ist für die Wiederkäuer unter den Nutztieren ein äußerst nützliches Wesen. Rinder, Schafe und Ziegen können mit ihrer Hilfe im Pansen ganz bestimmte Eiweiße aufbauen. Diese wiederum sorgen dafür, dass eigentlich unverdauliche Heu-, Stroh- und Grashalme trotzdem verwertet werden können. Gleichzeitig kümmern sie sich darum, dass keine schädlichen Mikroorganismen wie sporenbildende Bakterien, Schimmelpilze und Strahlenpilze aufkommen können. Das wirkt sich positiv sowohl auf das Wachstum und die Fruchtbarkeit der Tiere als auch auf die Milch- und Wollerzeugung aus. Deshalb ist Heumilch für uns gesünder und wird dementsprechend angepriesen.
Die allergrößte Leistung der Wildbienen zeigt sich jedoch in ihrem immensen Beitrag zur Erhaltung der Vielfalt. Denn nur ihre eigene Vielfalt garantiert die Vielfalt aller Blütenpflanzen, die einen Großteil der gesamten Pflanzenwelt ausmachen. Wildbienen stehen damit als Eckpfeiler für stabile Landökosysteme und sichern Ökosystemdienstleistungen. Denn nur in funktionierenden Ökosystemen reinigen Pflanzen, Tiere, Pilze und Bakterien ohne viel Tamtam Wasser, Luft und Böden und liefern uns Rohstoffe und Wohlbefinden. All diese unentgeltlichen Leistungen sind für die meisten von uns so selbstverständlich wie die aufgehende Sonne und der frische Kaffee jeden Morgen gemäß dem Motto: „war doch schon immer so“. Somit zeigen sich bisher nur sehr wenige zu Zugeständnissen und Gegenleistungen bereit. Folglich muss der bisherige Honigbienenzoom dringend auf Weitwinkel gestellt und Wildbienen mit ins Blickfeld genommen werden. Heraus aus ihrer Unsichtbarkeit, hinein in unser Bewusstsein. Schließlich ist die Honigbiene als gering spezialisierte und bestens von Imkern umsorgte Art keineswegs vom Aussterben bedroht. Deswegen müssen alle Schutzmaßnahmen die wilden Bestäuber in den Vordergrund stellen. Im Sinne des Natur- und Artenschutzes und der Ökosystemdienstleistungen, der Agrarsysteme und gefüllter Teller. Denn Wildbienenschutz ist gleichzeitig Honigbienenschutz. Andersherum wird leider oft kein Schuh draus.
Aber Hummeln und Co. sind nicht nur nützlich, sie sind nicht nur wichtige Bestäuber und sorgen damit für stabile Ökosysteme, sie haben auch Charakter. Sie sie sind charmant und herzerfrischend. Man muss nur genau hinschauen. Hummeln brummen mit weit von sich getreckten Beinchen durch die Luft, quetschen sich in schmale Löwenmaulblüten und kommen gänzlich mit Pollen bepudert wieder heraus. Winzige Bienchen rollen riesige Schneckenhäuser durch die Gegend, um ihrem Nachwuchs ein festes Dach über dem Kopf zu bieten. Blattschneiderbienchen zirkeln Blattstückchen heraus und transportieren sie zusammengerollt unterm Bauch zum Nest. Nur um ein paar Spezialitäten zu nennen. Mit ihrer Unschuld und ihrem emsigen Mühen rühren sie irgendwann an der Seele eines jeden noch so harten Knochens.
Dieses Plädoyer für die Wilden soll jedoch keineswegs dazu führen Wildbienen gegen Honigbienen auszuspielen. Im ganzen Gefüge ist jede Fraktion wichtig - beide gehören in die Bestäuberliga. Lediglich der bisherigen Bevorzugung der Honigbiene als unser verwöhntes Lieblingskind soll gegengesteuert werden, da diese Ungleichbehandlung für Ökosysteme einfach in die falsche Richtung führt.
Die Vereinigten Staaten sind diesbezüglich bereits 2014 aktiv geworden. Obama hat in einem Memorandum im Rahmen einer nationalen Strategie zum Schutz der Bestäuber eine Task-Force gegründet und quer Beet mit Vertretern aller Ministerien wie Verkehr, Wirtschaft, Bildung besetzt. Ebenso Großbritannien. In Deutschland war da von offizieller Seite her noch lange Zeit Funkstille. Und dann kam Krefeld. Die Ergebnisse einer Insektenstudie, die über drei Jahrzehnte von Krefelder Hobbyinsektenkundlern durchgeführt wurde, schlugen 2017 medial ein wie eine Bombe. Dies brachte endlich auch in Mitteleuropa das Thema auf die politische Tagesordnung. Offensichtlich verhallten vorher die Stimmen der Wissenschaftler ungehört und es brauchte dafür Beobachtungen aus der Sparte der Citizen Science, um wachzurütteln und Aufsehen zu erregen. Und schließlich kam auch die EU in die Gänge. Deutschland hat ein Aktionsprogramm zum Insektenschutz verabschiedet und auch mit runden Tischen ist immerhin ein Anfang gemacht.
Kapitel 2
Biodingsdabumsda oder man könnte auchBiodiversität dazu sagen
Wenn man Hummeln und Wildbienen verstehen möchte, kommt man kaum drum rum, die ganze Sache im größeren Zusammenhang zu betrachten. Hummeln sind schließlich auch nur Wildbienen, Wildbienen nur Insekten, Insekten auch nur Tiere und Tiere wiederum sind auch nur ein Teil des großen und ganzen Lebendigen – namens Biodiversität. Diese Biodiversität ist nicht gerade einfach zu verstehen. Zu Beginn erst mal ein Versuch der Erläuterung des Begriffes:
Biodiversität: Fünf Silben, an denen sich ganz viele Menschen noch immer die Zähne ausbeißen. Biodiversität stellt tatsächlich schon ans Aussprechen Ansprüche. Als weitere Hürde kommt das Merken hinzu. Der Entscheidender-Manager sagte einmal zu mir im wohlgemerkt bereits dritten Termin, den wir zu einem Biodiversitätsprojekt hatten, „so, was machen wir denn jetzt mit ihrem Biodingsdabumsda?“. Zugegeben, das war 2013. Immerhin haben mittlerweile über 50 Prozent der Deutschen den Begriff schon einmal gehört, damals hatte das noch fast keiner. Aber Aussprechen und Merken ist das eine, zu wissen über was man tatsächlich spricht das andere. Der Begriff Biodiversität selbst wurde zum ersten Mal 1988 so richtig an die Oberfläche gespült mit dem vom Evolutionsbiologen Edward O. Wilson herausgegeben Buch „Biodiversity“. Er stieg damit aus der Nische der naturwissenschaftlichen Forschungswelt auf das Podest des Vokabulars für die Weltgemeinschaft. Mit der Konvention zur Biologischen Vielfalt (CBD) avancierte er auf dem Erdgipfel in Rio 1992 zum offiziellen Begriff für den weltweiten Naturschutz. So, da haben wir ihn jetzt und können schauen, wie wir mit ihm klarkommen.
Dabei heißt „Biodiversität“ von vorn her zerlegt erst mal nichts anderes als Leben und Vielfalt. Ins Deutsche wird sie oft mit Artenvielfalt übersetzt, was aber nur für einen Teil - genauer gesagt - für ein Drittel zutrifft. Denn sie beschränkt sich nicht nur auf die Vielfalt der Arten, sondern schließt ebenso die Vielfalt ihrer Gene und die Vielfalt der Lebensräume mit ein. Eigentlich logisch - schließlich braucht ein Lebewesen nun auch mal einen Ort zum Daheimfühlen und zum Weiterexistieren der Art eine Mindestzahl an Paarungs- oder Bestäubungspartnern. Ansonsten droht Inzucht. Mit den wohlbekannten Folgen aus früheren Königshäusern.
Der Dreiklang: Gene – Arten - Lebensräume
Gene: Besonders im Zeitalter der Klimaveränderungen, Landnutzungsänderungen und Globalisierung wird das Leben für ganz viele Arten mittlerweile richtig stressig. Dabei geht es nicht mehr nur um Normalo-Sorgen wie: „Oh là là, da lauert der Typ mit den scharfen Zähnen“, sondern zusätzlich um Dinge wie: „Uff, ist das heute heiß! Geht‘s mir deshalb so schlecht oder habe ich etwa dieses neuartige