Название | Neun Sommer und ein leerer Winter |
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Автор произведения | Freddy D. |
Жанр | Биографии и Мемуары |
Серия | |
Издательство | Биографии и Мемуары |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783347065086 |
Am nächsten Morgen, eigentlich ist es schon Mittag, nach einem wiederum reichhaltigen Frühstück, das keine Wünsche offenlässt, verabschiede ich mich von ihr, schweren Herzens, aber auch bereits voller Vorfreude auf das nächste Wochenende.
Der Schock
Freitag nachmittags fahre ich wieder freudig zu Helga. Schon bei der Begrüßung wirkt sie bedrückt. Am Abend sagt sie es mir. Bei einer Untersuchung ist festgestellt worden, dass sie operiert werden muss. Ein Schock. Sie erträgt dieses Los tapfer. Unsere gerade erst begonnene Beziehung möchte sie beenden, sagt, das sei ihr Schicksal, da müsse sie jetzt durch und sie wolle mich nicht mit reinziehen. Dem widerspreche ich ganz entschieden, will sie in dieser schweren Zeit doch nicht alleine lassen! Wir stehen im Schlafzimmer, beide den Tränen nah, aber wir unterdrücken sie. Mit Sicherheit wäre es hier nicht verkehrt gewesen, einander zu umarmen und unseren Gefühlen und Tränen freien Lauf zu lassen. Aber, im Zeigen von Gefühlen sind wir beide keine Experten, und jeder will dem anderen signalisieren, ich bin stark, das schaffen wir.
An diesem Tag steht für mich außer Frage, dass ich alles in meiner Macht Liegende tun werde, um die Frau, die ich liebe, in allem zu entlasten.
Es sollte viel werden, sehr viel.
Helga wird im Oktober operiert. Gleich nachdem sie wieder auf ihrem Zimmer ist, schreibt sie mir eine SMS, dass es ihr gut gehe und alle supernett seien.
Für Helga und mich ist die Zeit nach der OP sehr schwierig, wir sind unsicher, vor allem ich, wie wir uns verhalten sollen. Sie liest sehr viel, ich löse Sudokus, möchte sie schonen, alle Aufregung von ihr fernhalten.
Inzwischen wissen wir schon einiges voneinander. Ich habe ihr viel von meiner zunächst glücklichen Kindheit erzählt, dem frühen Unfalltod meiner Mutter als ich vierzehn Jahre alt war, und von der schlimmsten Zeit meines Lebens, die dann begann, mit meinem Vater, der schwer alkoholkrank war.
Von meiner ersten Ehe nur so viel, dass ich mit meiner Frau beinahe täglich Streit hatte, und dass streiten in einer Beziehung für mich nie mehr in Frage kommen würde. Wie sie mich dann wegen eines anderen verlassen hat, nach zwei Jahren reumütig vor der Tür stand, und für eineinhalb Jahre wieder unentgeltlich bei mir Unterschlupf fand, in einer Einzimmerwohnung, die ich kurz zuvor, so „nebenbei“, fertiggestellt hatte. In der ehemaligen Werkstatt meines Opas, in der schon viele Jahre zuvor eine Zweizimmerwohnung von mir ausgebaut und vermietet worden war.
Und natürlich von der schwierigen Zeit als alleinerziehender Vater, in der ich neben Erziehung, Schule und Hobby meiner Jungs – dem Ringen – sowie meinen beiden damit verbundenen ehrenamtlichen Tätigkeiten noch Beruf, Haushalt und Garten unter einen Hut bringen musste.
Von ihrer Kindheit erzählt Helga nichts. Sie beginnt mit der Zeit, als sie ihren Ex, Heinrich, kennenlernte, der über ein Dutzend Jahre älter war als sie und wie sie damals zusammen mit dessen Nichte Karola und deren Freund Dimitrios, einem steinreichen Griechen in Heinrichs Alter, um die Häuser zogen. Und sie erzählt mir, dass ihre Eltern mit Heinrich als Ehemann nicht einverstanden waren. Konsequent hatte sie daraufhin jeglichen Kontakt zu ihnen abgebrochen, über fünfundzwanzig Jahre lang, bis vor zwei Jahren, als ihr Vater erkrankte, und sie von Heinrich bereits getrennt war. Von ihrer Ehe spricht sie oft, was mich erstaunt. Immer wieder zählt sie die negativen Eigenschaften ihres Ex auf, dass sie ihm alles fünfmal sagen und seinen Dreck wegputzen musste, wenn er im Haus gearbeitet hatte, und einiges mehr, vor allem aber, dass er ständig fremdgegangen sei. Wenn sie so etwas jemals in unserer Beziehung feststellen würde, wäre das für sie ein sofortiger Trennungsgrund.
Wir sind zwischenzeitlich so übereingekommen, dass ich die Wochenenden bei ihr verbringe und wir unter der Woche jeden Abend miteinander telefonieren. Nur an einem Wochenende kommt sie zu mir, wir besuchen zusammen meine Stammkneipe, wo ich ihr meine beiden Freunde Fritz und Bernhard vorstelle, und einmal schauen wir uns einen Mannschaftskampf im Ringen an.
Ich komme inzwischen immer mit der Bahn zu ihr, kann direkt bis nach Loden fahren, wo sie mich freitags abholt und sonntags wieder hinbringt. Die Zugfahrt ist entspannender als mit dem Auto zu fahren, und dauert mit dreieinhalb Stunden – ein Weg – in etwa so lange wie mit dem Auto bei Stau. Und Staus hat es jedes Mal gegeben.
Montags nach so einem Wochenende teilt sie mir gleich zu Beginn des abendlichen Telefonats mit, dass sie unsere Beziehung beenden wolle.
Ich falle aus allen Wolken, damit hatte ich absolut nicht gerechnet, frage was ich falsch gemacht hätte. Nein, ich hätte nichts falsch gemacht … sie würde es mir schreiben …
In der folgenden Mail schreibt sie, dass sie zu Beginn unseres Kennenlernens dachte, es würde zwischen uns passen, sich mit der Zeit aber ihr Bauchgefühl meldete, das sie zunächst verdrängte.
Aber am Sonntagmorgen sei ihr klar geworden, dass ich nicht der Mann sei, mit dem sie für immer zusammenleben wolle. Sie könne nicht alleine der Motor in einer Beziehung sein, sie bräuchte mehr Lebendigkeit, Unternehmungen, und vor allem das Gefühl Liebe, ohne das ein Zusammenleben für sie nicht in Ordnung sei.
Dann bedankt sie sich noch für das, was ich für sie getan habe.
Ich bin fassungslos. Das kann doch nicht wahr sein, schreibe ihr folgende Mail zurück:
Hallo Helga,
wie hatte ich mich auf gemeinsame Aktivitäten mit Dir gefreut!! Wie schön wäre es, bei „Ausfahrwetter“ rein in die Kiste und ab – egal wohin! Rothenburg o.d.T., Bodensee, Tessin, Toscana …. stelle ich mir einfach herrlich vor…. Auch wenn ich die letzten Wochen(enden) ziemlich ausgepowert war, wäre ich zu gern – wie ich es gewohnt bin – mit Dir „um die Häuser gezogen“ – egal zu welchem Anlass, Hauptsache raus. Den ganzen Tag/Abend auf dem Sofa zu verbringen ist absolut nicht meine Art, war es noch nie. Noch nie zuvor hatte ich den Freitagskrimi oder „Wer wird Millionär?“ gesehen. Ich habe es dennoch genossen, weil Du in meiner Nähe warst. Du hast nie den Eindruck erweckt (außer am letzten Samstagabend, als Du zum Ringen fahren wolltest – blöd von mir, ich wollte es Dir nicht zumuten, dachte, es sei mir „zuliebe“), als würdest Du irgendetwas vermissen, und ich dachte mir, nach Deiner OP würde alles noch etwas dauern, ja, ich wollte Dich schonen (Zitat: „lesen und schonen ist angesagt“), dachte wirklich, das sei im Moment noch das Beste für Dich, wusste echt nicht, wie ich mich verhalten sollte … Schade, dass wir nie darüber gesprochen haben – ein Wort von Dir, ein kleiner Hinweis hätte genügt. Stattdessen habe ich – das erste Mal seit vielen Jahren – aus Langeweile Sudokus gelöst…
Liebe… Liebe muss wachsen. Nach unserem ersten Treffen hätte ich mir nie träumen lassen, dass „mehr daraus wird. Aber, Du hast mir von Mal zu Mal besser gefallen, ich habe angefangen, Dich lieb zu haben/Dich zu lieben, freute mich auf das Zusammensein mit Dir, habe Dich vermisst, wenn Du nicht bei mir warst, musste über vieles bei Dir schmunzeln, habe mich in Deiner Nähe einfach wohl gefühlt, egal, ob wir Glühwein tranken, Immergrün pflanzten, zusammen lachten, oder irgendetwas anderes taten, „was Spaß macht“. Ist es nicht irre? Da telefoniert man täglich – und sagt sich nichts???? Ich habe zwar mal vor einiger Zeit zu Dir gesagt, Du würdest ganz anders wirken, als Du bist – aber, dass Du Dir auch mehr Aktivitäten gewünscht hast, das habe ich nicht gesehen und auch nicht herausgehört. Nein, ich dachte wirklich, Du seist so „zufrieden“, und war’s dann auch – in Deiner Nähe. Ein Wort von Dir hätte genügt. Danke, es war eine wunderschöne Zeit mit Dir – und es hätte noch viel schöner werden können, wenn Du einmal etwas gesagt hättest. Sag‘ was!!
Freddy
PS: Meinen Ausspruch vom Samstagabend (in anderem Zusammenhang) möchte ich noch etwas ergänzen:… doch, wir sprechen miteinander, aber wir sagen uns leider nicht das Wesentliche …
Wenige Minuten später kommt ihre Antwort. Sie ist äußerst gerührt …
An dieser Stelle könnte die Beziehung und damit die Geschichte enden, aber es wird noch eine lange Nacht. Wir simsen, telefonieren, wieder und wieder, ich trinke zwei Flaschen